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INTERVIEW

„Gesellschaftliche Unterschiede sind heute viel größer, die Chancen aber auch“

Franziska Healy Butz - Interview
(FOTO: Integrationsbüro SPÖ Wien, Hierhacker)

Franziska Healy-Butz leitete 17 Jahre erfolgreich das Integrationsbüro der SPÖ Wien. Nun geht sie in ihre wohlverdiente Pension und exklusiv für KOSMO ließ sie die Zeit als wichtige Persönlichkeit der Wiener Integrationsarbeit Revue passieren.

Haben Sie sich von Anfang an beruflich mit den Bereichen Integration bzw. Migration beschäftigt und wie kamen Sie zum Integrationsbüro der SPÖ Wien?
Healy-Butz: Bis Ende der 90iger Jahre herrschte in der Politik aber auch bei vielen ZuwanderInnen das sogenannte „Gastarbeiterdenken“. Man rechnete damit, dass die ZuwanderInnen wieder in Ihre ursprüngliche Heimat zurückkehren werden.

Um Lösungen für sich ändernden Voraussetzungen anzubieten wurde nach der Landtagswahl 2001 in Wien von der damaligen Stadträtin für Integration, Renate Brauner, das Integrationsbüro in der SPÖ Wien initiiert. Übrigens das einzige Büro von allen Parteien in allen Bundesländern.

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In den vergangenen zehn Jahren ist die Wiener Wohnbevölkerung um elf Prozent bzw. um fast 190.000 Menschen angewachsen.

Sie haben während ihrer Tätigkeit im Integrationsbüro der SPÖ Wien mit Sicherheit zahlreiche politische und gesellschaftliche Veränderungen in Hinblick auf den Integrationsbereich miterlebt. Wie hat sich der Integrationsbegriff seither gewandelt?
Eines unserer politischen Höhepunkte war April 2003, als durch einen Beharrungsbeschluss seitens der SPÖ Wien und der Wiener Grünen das kommunale Wahlrecht für AusländerInnen in Wien beschlossen wurde. Leider haben sich ÖVP und FPÖ an den Österreichischen Verfassungsgerichtshof gewandt, der diesen Beschluss aufgehoben hat.
Der Begriff hat sich in dieser Zeit radikal geändert. Vom „Gastarbeiter“ hin zur neuen ÖsterreicherIn. Statt einem Nebeneinander hin zum Miteinander.

Auch zur Zeit des Jugoslawienkrieges waren Sie bereits im Integrationsbereich tätig. Wie haben Sie die Zeit damals erlebt und wie verlief der gesellschaftliche und politische Umgang mit den Zuwanderern im Vergleich zu heute?
Stark zu erkennen war, dass aus der gemeinsamen „Jugomentalität“ viele einzelne ethnische Verbände entstanden sind. Plötzlich war z.B. die Unterscheidung in der Sprache wichtig und das Trennende stand im Vordergrund.

Damals wollten die „GastarbeiterInnen“ um keinen Preis auffallen. Heute geht man miteinander schon viel entspannter um. Die ZuwanderInnen haben ein hohes Selbstbewußtsein und zeigen es auch. Wobei noch sehr viel getan werden muss, um sich wirklich auf Augenhöhe begegnen zu können.

Mit welchen Problemen hatten die aus Jugoslawien stammenden Menschen damals zu kämpfen und ähneln diese den Herausforderungen der neuen Zuwanderern?
In den 60iger Jahren war die Zuwanderung für Menschen aus Jugoslawien noch relativ einfach, damit meine ich, dass man für jede Qualifikation schnell eine Arbeit finden konnte.

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Heute müssen sich die Menschen mit enormen bürokratischen Hürden herumschlagen. Gute Jobs gibt’s nur noch mit einer guten Ausbildung. Heute sind die gesellschaftlichen Unterschiede viel größer. Jedoch auch die Chancen. Unter den richtigen Umständen kann man den gesellschaftlichen Aufstieg schaffen, aber leider auch scheitern.

Wie würden Sie die Wiener Integrationsarbeit im Vergleich mit den anderen Bundesländern beurteilen? Und worin sehen Sie die Stärken und Schwächen des Wiener Zugangs?
Ich bin überzeugt, dass die Wiener Integrationspolitik eine Vorreiterrolle für alle anderen Bundesländer haben sollte.

Allein durch die große Anzahl von Menschen mit ihren kulturellen und religiösen Unterschieden ergeben sich für eine Großstadt wie Wien natürlich auch viele negative Auswirkungen. Aber eine offene Gesellschaft mit all ihrer Vielfalt hat Wien zur Weltstadt gemacht, die wir heute kennen und lieben.

Integration ist ein sehr vielschichtiger Begriff. Wie würden Sie ihn persönlich definieren und ab wann kann man von einer gelungenen Integration sprechen?
Der Begriff Integration ist schon sehr überstrapaziert. Er entschuldigt und beschuldigt alles, was gut oder schlecht läuft, je nachdem von welcher Warte ich ihn betrachte.

Für mich bedeutet eine gelungene Integration ein schönes und selbstbestimmtes Leben für jeden.

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Junge Wiener und Wienerinnen teilen ihre persönliche Migrationsgeschichte auf Facebook. Sie erzählen wie sie sich damals in einer fremden Umgebung zu Recht gefunden haben und was aus ihnen heute geworden ist.

Für Ihr persönliches Engagement sind Sie in vielen Wiener Migranten-Communitys bekannt und geschätzt. Wie wichtig ist es, auch als Person vor Ort zu sein?
Der persönliche Kontakt ist das Wichtigste, um Integrationsarbeit zu verrichten. Es zollt dem anderen Respekt und Anerkennung.

Sie gehen nun in die wohlverdiente Pension. Wie geht es mit dem Integrationsbüro der SPÖ Wien weiter?
Glücklich ist, wer gesund die Pension erreichen kann. Dafür bin ich sehr dankbar.

Über viele Jahre konnte ich mich gemeinsam mit Herrn Mustafa Yenici für eine vielfältige Politik einsetzen. Diese Zeit des regen positiven politischen Austausches möchte ich nicht missen. Er wird dieses Büro weiterleiten und es gemeinsam mit den politischen EntscheidungsträgerInnen in eine gute Zukunft führen.