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INTERVIEW

Nika Petrović: „Anders zu sein, kann ein Vorteil sein“

Nika Petrović
(FOTO: Nika Petrović)

Nika Petrović (29) ist eine vielseitige Künstlerin. Die Zagreberin ist zu einem Deutschkurs nach Graz gekommen, wo sie an der Karl-Franzens-Universität ihr Diplom in internationaler Kommunikation gemacht hat. Dort hat sie bereits die Fotoakademie für angewandte Fotografie abgeschlossen, privat jedoch absolvierte sie auch ein Studium für Bildhauerei und Skulptur in Ljubljana. Derzeit ist sie „nur“ Doktorats-Studentin an der Universität für angewandte Kunst in Wien, aber sie arbeitet auch als Model.

KOSMO: Was malst du am liebsten und wo findest du Inspiration?
Nika Petrović: Ich glaube, der wichtigste Antrieb für alles ist die Liebe, daher empfinde ich meine Liebe zu den Menschen und zur Natur allgemein als unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Ich träume oft, und nach dem Aufwachen nehme ich meinen Skizzenblock und notiere meine neuen Ideen. Neben der Malerei in Acryl auf Leinwand drehe ich auch gerne die Töpferscheibe und arbeite mit Ton und ich fange gerne Momente mit meiner Fotokamera ein.

Welche Botschaften möchtest du mit deinen künstlerischen Arbeiten aussenden?
Ich sehe das Leben als eine spannende Reise, die neben schönen auch sehr leidvolle Erfahrungen bringt. Ich habe das Glück, dass ich in einem Teil der Welt geboren bin und lebe, wo es normal ist, ein Dach über dem Kopf, Essen auf dem Tisch und eine weitgehend friedliche Umgebung zu haben, und dafür bin ich sehr dankbar. Aber ich weiß, dass das nicht die Realität aller Menschen ist, und darum sind meine Botschaften, die ich dem Publikum als Künstlerin vermittle, im Endeffekt sehr positiv. Wenn ich zum Beispiel über soziale oder ökologische Probleme in der Welt spreche, biete ich auch meine Lösung an und nähre die Hoffnung, weil ich glaube, dass alle großen Veränderungen mit uns selbst beginnen.

Welche Musik hörst du und wie wichtig ist dir Musik beim Schaffen irgendeines künstlerischen Werkes und bei der Entwicklung deiner Fantasie?
Ich liebe Musik, und wenn ich gerade keine höre, summe ich immer irgendetwas vor mich hin! Ich mag auch tanzen, aber alles hängt von meiner Stimmung und von der Aktivität ab, mit der ich gerade beschäftigt bin. Es ist interessant: Obwohl ich sowohl die einheimische als auch die internationale Popszene liebe, höre ich, wenn ich male oder in Ton arbeite, doch am liebsten klassische Musik. Aber weil meine Eltern aus Dalmatien stammen, sind die dalmatinischen Lieder meinem Herzen am nächsten.

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Wenn man Kalligrafie und Graffiti mit einander kombiniert entsteht eine neue Kunstform. Calligraffiti heißt das Ganze und wird vom Wiener Calimaat El-Bedouiné praktiziert. Dabei greift der Künstler und Grafikdesigner zu Pinsel und Besen.

Du beschäftigst dich auch mit modernem Design und arbeitest als Model. Was sind deine Beobachtungen, wie sehr unterscheidet sich der Modegeschmack der österreichischen Jugend von dem in unserer Region?
Ich sehe die Mode als eine von vielen Möglichkeiten, seine Persönlichkeit auszudrücken, daher liebe ich es, mit meinen eigenen Kleidungskombinationen zu “spielen”, aber ich verstehe und achte auch Menschen vollkommen, denen das nicht wichtig ist. Durch meine Model-Erfahrungen hatte ich Gelegenheit, mit hervorragenden Stylisten und Fotografen zu arbeiten, die für jede Figur sofort den perfekten Look finden. Einige Zeit habe ich auch selbst als Modeberaterin in einem österreichischen Modehaus gearbeitet und kann bestätigen, dass die Österreicherinnen, obwohl sie ein sehr sportliches Volk sind, doch ein großes Modebewusstsein haben. Aber wenn ich in meiner Heimatstadt Zagreb bin, genieße ich es, die Kreativität und Individualität in der Kleidung unserer Landsleute zu beobachten. Ich persönlich habe mehrere Freunde, die von Beruf Modedesigner sind, und ich genieße es, ihre Werke „spazieren zu führen“, sowohl bei uns zu Hause als auch überall in der Welt.

Was bedeutet für dich “schön”? Was sind deine Kriterien für Schönheit?
Schönheit verbinde ich mit Güte und Ehrlichkeit, denn wenn hinter einem (nach heutigen Standards) schönen Gesicht eine kalte, unehrliche Person steht, kann sie nicht wirklich schön sein. Natürlich ist mir als Künstlerin Ästhetik sehr wichtig, aber wenn hinter all dem nicht die Idee von Güte und Reinheit steht, kann ich weder Dinge noch lebendige Wesen als schön bezeichnen.

Du hast in Italien, Indien und auf Jamaica gelebt und gearbeitet. Warum ist gerade Österreich deine endgültige Wahl als Ort zum Leben?
Ich reise noch immer gerne und teilweise ist mein Koffer immer für den Aufbruch gepackt, aber im Laufe der Jahre habe ich die Sicherheit gespürt, die Österreich als gesellschaftliche Einheit und allgemein als Staat bietet, und habe beschlossen, hier zu bleiben, glücklich und all den tollen Menschen dankbar, die in mein Leben getreten sind. Zum Glück ist meine Heimat auch geographisch betrachtet wirklich nahe, sodass ich oft auf einen Sprung nach Hause fahren kann.

Hat dir das Leben im Ausland geholfen, deine Talente zu entwickeln?
Natürlich! Die Erfahrung, dass du nicht in deiner heimatlichen Umgebung bist und dass alles in einer Fremdsprache abläuft, hat noch weiter zur Entwicklung aller meiner Sinne beigetragen. Heute hatte ich als Studentin im Doktoratsprogramm an der Universität für angewandte Kunst in Wien noch einmal die Gelegenheit, mich davon zu überzeugen, wie sehr Anderssein ein Vorteil sein kann, und meine Mentorin hat meine Ideen und Vorschläge, in denen “der Geist unserer Region” so lebendig ist, gemeinsam mit den anderen Professoren begeistert angenommen.

Autorin: Anja Rudić