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Offener Brief zum Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz, Verbot von Schals & Co

Clowns verhaftet Burka-Verbot
(FOTO: APA-Grafik / picturedesk.com, QUELLE: BMI)

Die kalte Jahreszeit steht vor der Tür. Als verwirrte, besorgte und verfrorene österreichische Bürgerin möchte ich mich über das witterungsabhängige sowie schleierhafte Gesetz genauer informieren und bitte Sie, unsere Gesetzgeber, um Aufklärung folgender komplexer Sachverhalte:

1. Um welche Form von verbotenen Schals handelt es sich eigentlich: gibt es da eine gesetzliche Vorgabe in Bezug auf Länge, Breite, Material und Farbe? Sind beispielsweise regierungsfarbene Schals erlaubt?

2. Sind Wollhauben, die den Mund miteinschließen, auch vom Gesetz betroffen? Können Sie bitte eine grafische Darstellung für Betroffene und zuständige BeamtInnen als Erleichterung beim Vollzug publizieren?

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Seit Anfang des Jahres steht Österreich vor einem Dilemma: Wie in anderen europäischen Ländern sollte das Burka-Verbot eingeführt werden, jedoch wollte man Diskriminierungsklagen meiden.

3. Dürfen RadfahrerInnen auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule ihr Gesicht mit dem Schal gen Wind schützen? Zählt selbiges Verhalten in der Freizeit dann als Verwaltungsübertretung?

4. Was ist mit obdachlosen Menschen und BettlerInnen? Werden der Erwärmung dienende Utensilien als „berufliche Notwendigkeit“ gewertet und den Ausnahmefällen zugeordnet?

5. Wieviel Prozent exakt vom Gesicht muss frei bleiben, wenn sich jemand für (kulturelle) Tattoos im Gesicht entscheidet?

6. Modische Piercings: manche tragen soviel Metallschmuck im Gesicht, dass die Identifizierung beinahe nicht mehr gewährleistet ist. Gibt es hierbei eine Obergrenze?

7. Was ist mit Stirnfransen? Die Stirn ist ja damit, wie schon selbst erklärend, mit Haaren versehen. Was sagt das Gesetz bezüglich maximaler Länge und Farbe? Apropos: gilt das Tragen von wärmenden Stirnbändern nun als Strafdelikt?

8. Es gibt zudem viele Frisuren, deren hip sein genau darin liegt, einen Teil vom Gesicht zu bedecken und die Person geheimnisvoll wirken zu lassen, bei Männern wie auch bei Frauen. Ich bitte um eine bildliche deppensichere Darstellung von erlaubten und nicht erlaubten Haarschnitten. Als Grundhaarfarbe der Illustration bietet sich möglicherweise Blauschwarz besonders an, dann entsprechend der Mandate im Nationalrat die weiteren Regierungsfarben. Friseurläden möchte ich zwecks Prävention nahelegen, den KundInnen Kataloge mit gesetzeskonformen und -widrigen Frisurenmodellen vorzulegen.

9. Das Gesetz diskriminiert Männer ganz besonders meiner Meinung nach. Was tun bei persönlicher Vorliebe für Stirnfransen, Stirnbänder, Vollbart, Tattoo, Piercing und einer in das Gesicht hängenden Haarpracht? Bedeutet dies ein Fall von mehrfachem Widerstand gegen die Staatsgewalt und Vervielfachung des Strafausmaßes?

10. Sport: Bei Fußballevents bemalen sich die Fans oft in den Farben ihrer Lieblingsmannschaft. Symbole oder Farben der Nationalfahnen sind meist beliebte Motive im Gesicht und am Körper. Werden nun am Eingang von Fußballstadien Gesichter gescannt?

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11. Gibt es eine gesetzlich festgeschriebene Altersuntergrenze für Schals und Co, um der Kinderkriminalisierung vorzubeugen?
Sinn macht es eigentlich erst ab der Volljährigkeit. Davor könnte man wahrscheinlich die Erziehungsberechtigten wegen unterlassener Aufklärung zum neuen Gesetz mit einer entsprechenden Organstrafverfügung mahnen. Die Bildungseinrichtungen müssten dann logischerweise auch mithaften, wenn sie Kinder und Jugendliche mit Schals im Gesicht auf dem Pausenhof herumrennen lassen.

12. Tatort Spielplatz: dürfen Kinder außerhalb vom Fasching nicht mehr mit Verkleidungen und Masken in Kindergärten oder auf öffentlichen Spielplätzen spielen? Sind Sie BefürworterInnen von Verkleidungen ohne Gesichtsmasken, insbesondere für Kinder?

13. Was ist mit der Organisation „Die Roten Nasen“, unsere Clowndoctors und Kinderfreunde, die in Spitälern Kinder in psychischer Notlage betreuen und bemüht sind, etwas Farbe und Freude in den grauen Alltag zu bringen? Muss sich dieser Verein nun auflösen?

14. Zur Vollstreckung des Gesetzes bedarf es meiner Ansicht nach neben der Exekutive auch noch weiterer Kontrollposten, was ja wiederum neue Arbeitsplätze schafft, die teilweise mit den Einnahmen der Geldstrafen gedeckt werden könnten. Ganz im Sinne jedes Gesetzgebers: was vom Bürger kommt, fließt zum Bürger zurück. So entsteht z. B. die Notwendigkeit von Aufsichtspersonal vor Bildungseinrichtungen, Krankenhäusern, Ämtern etc., sodass die Schals vor Eintritt des Gebäudes und eigentlich schon bei Betreten der Parkplätze auch hundertprozentig abgenommen werden. Das Eis an der Nase kann ja drinnen schmelzen. Oder Sie investieren in die Technik und lassen Radarautomaten bauen, denen Sie die Gesetzeslücken begreiflich machen.

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