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REPORTAGE

Wahre Heldinnen: Alleinerziehende Mütter – Jelena Arsić

FOTO: iStockphoto/Radule Bozinovic

AUFOPFERND. Für sie gibt es keine Hindernisse, wenn sie kämpfen, keine Müdigkeit, wenn sie arbeiten, kein Maß, wenn sie sich einsetzen, und keine Macht, die sie stoppen kann. Sie tragen die doppelte Last elterlicher Pflichten auf ihren Schultern.

In dieser Story wollen wir die MUTTER nicht definieren, denn das haben Künstler, Wissenschaftler und Soziologen bereits getan. Wir wollen Frauen vorstellen, die mit ihren Kindern allein leben, mit ihnen alle Kinderkrankheiten und die erste Liebe durchmachen, Enttäuschungen überwinden, den Stoff aller Schulklassen lernen und dabei regelmäßig in die Arbeit geben und die Rechnungen bezahlen. Sie haben keine Zeit für Urlaub und keinen Anspruch auf Urlaub und heilen die offenen Brüche ihrer eigenen Seele mit der Liebe und den Erfolgen ihrer Kinder. Dies sind ihre Berichte.

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AUFOPFERND. Für sie gibt es keine Hindernisse, wenn sie kämpfen, keine Müdigkeit, wenn sie arbeiten, kein Maß, wenn sie sich einsetzen, und keine Macht, die sie stoppen kann. Sie tragen die doppelte Last elterlicher Pflichten auf ihren Schultern.

 

Jelena Arsić (46), Verkäuferin
„Ich habe mich nicht aufgegeben.“

Sie ist in Österreich geboren, aber ihre Eltern haben sich entschieden, nach Mladenovac zurückzukehren, bevor sie in die Schule kam. Die Ausbildung schloss sie dort ab, heiratete, bekam Kinder, ließ sich vor sieben Jahren scheiden und kehrte dann vor fast sechs Jahren an ihren Ausgangspunkt in Wien zurück. Sie hat einen schwereren Weg gewählt, denn sie hat keine Angst vor Herausforderungen, sie glaubt an sich selbst, aber auch an die Nähe zu ihren Kindern. Jelena macht den Eindruck einer komplett glücklichen Frau, die alles mit unwahrscheinlicher Leichtigkeit schafft. Und genauso spricht sie auch – entspannt und immer lächelnd.

Als sie unter die Ehe mit ihrem Vater den Schlussstrich zog, war Ivana 21 Jahre alt, Irena neun und Filip sechs. Es war klar, dass die Kinder mit mir gehen würden, auch wenn ich wusste, dass ich von jetzt an alleine zurechtkommen musste. Ihr Vater erfüllte seine elterlichen Pflichten nicht, aber das machte mir keine Angst. Viel mehr Angst hatte ich, länger in dieser Ehe zu bleiben, die 20 Jahre lang Leiden bedeutet hatte. Ich hatte Angst, dass ich, wenn es so weiterginge, nicht in der Lage sein würde, die Kinder auf einen guten Weg zu bringen. Ich glaubte, dass es mir leichter fallen würde, ohne Streit, Misshandlungen und Schläge in den Kampf um die Zukunft zu gehen, denn das alles gab es in meiner Ehe. Ich ging zu meinen Eltern zurück, hatte Arbeit und einen Koffer voller schlechter Erinnerungen und drei Kinder, die ich auf den richtigen Weg bringen musste. Ich schaffte es, genug zu verdienen, dass wir anständig leben konnten. Aber ich fürchtete immer, mein Ex-Mann könnte mich auf der Straße abpassen und verprügeln, er könnte auf die Kinder schlechten Einfluss ausüben und sich in meine Beziehung zu ihnen einmischen.

Zu dem Entschluss, Serbien zu verlassen, kam ich vor allem deswegen, weil eine geschiedene Frau in Serbien immer den Stempel einer „Schlampe“ trägt und zur Zielscheibe von Männern und schlechter Nachrede wird. Ich wollte meine Kinder und mich diesem Stress nicht aussetzen, vor allem, weil ich zwei Töchter habe. Ich wollte nur Frieden und Sicherheit, und als mein Vater starb – einen Bruder habe ich nicht -, wusste ich, dass ich keinen Schutz mehr hatte. Mit den Kindern habe ich offen über all das geredet und ihre Unterstützung bekommen. Hier bin ich zu Freunden gekommen, die mir geholfen haben, solange ich meinen Status nicht geregelt hatte. Die Kinder blieben in Serbien, ich brauchte ein Jahr, um sie nach Wien zu holen. Ivana war mir immer eine große Hilfe, sowohl als Gesprächspartnerin als auch bei der Betreuung der jüngeren Kinder. Nach der Ankunft in Wien war für die Kinder alles neu. Sie sind auf dem Land geboren und aufgewachsen und mussten mit den Herausforderungen zurechtkommen, die das Leben in der Großstadt ihnen stellte. Sie mussten lernen, Rolltreppen zu benutzen, in die U-Bahn hinunterzufahren, Ampeln zu verstehen, sie mussten die Sprache lernen und ihre Schule und ihre Klassenkameraden kennenlernen. Aber es war kein Drama und es gab keine Tränen. Wir haben viel gelacht und zusammen neue Orte entdeckt. Ich bin mit ihnen in den Zoo, zum Eislaufen und überall hingegangen, wo ich wusste, dass es ihnen Spaß machen würde. Finanziell sind wir irgendwie zurechtgekommen, denn meine Kinder sind vernünftig und bescheiden.

FOTO: Radule Bozinovic

Noch heute bitten sie manchmal um nur einen Euro, und wenn ich sagen würde, dass ich den nicht habe, würden sie daraus kein Drama machen. Wir kaufen Kleidung, wenn es nötig ist, und es gibt keinen Ärger. Wir gehen manchmal essen, auf Ausflüge, lachen viel und freuen uns. Jede hervorragende Note von ihnen und jedes abgeschlossene Schuljahr macht mich unendlich stolz und glücklich. Wir sind eine glückliche Familie. In der Ehe habe ich viel gelitten, bin wegen all dem in Depressionen versunken, aber dann habe ich den festen Entschluss gefasst, mit meinen Kindern glücklich zu sein und niemals zu aufzugeben. Bisher habe ich das immer geschafft. Einmal, als Irena krank war und in die Klinik musste, habe ich mich ohnmächtig und schrecklich alleine gefühlt. Diese Welle der Hoffnungslosigkeit hat mich erschreckt, aber ich habe mich nicht herunterziehen lassen. Inzwischen hat meine Ivana ihre Tochter Lea (3) bekommen und unsere Urlaube am Meer sind echte Abenteuer geworden. Ich mit vier Kindern, ich zähle sie und zähle die Koffer, damit ich nicht irgendwen oder irgendetwas verliere, und ich freue mich, dass wir das alles zusammen erleben. Manchmal tut mir Filip einen Moment lang leid, weil er der einzige Mann bei uns ist, aber das ist nicht das Schlimmste, was ihm im Leben passieren kann. Wegen der schlechten Ehe und der Scheidung bin ich Männern gegenüber misstrauisch geworden, aber ich habe nie gesagt „nie wieder“. Auf Drängen meiner Töchter habe ich einige Kontakte geknüpft, aber habe mich darin nicht gefunden, denn für eine gute Beziehung ist mir ein guter Gesprächspartner am wichtigsten. Ich glaube, dass ich den endlich gefunden habe, und ich bin glücklich. Er ist ein alleinerziehender Vater und das verbindet uns zusätzlich. Wir achten einander, wir fühlen uns wohl miteinander und ich freue mich, dass ich mich trotz allem nicht aufgegeben habe.“