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REPORTAGE

Wahre Heldinnen: Alleinerziehende Mütter – Vesna Jovanović Klinger

FOTO: iStockphoto/Radule Bozinovic

AUFOPFERND. Für sie gibt es keine Hindernisse, wenn sie kämpfen, keine Müdigkeit, wenn sie arbeiten, kein Maß, wenn sie sich einsetzen, und keine Macht, die sie stoppen kann. Sie tragen die doppelte Last elterlicher Pflichten auf ihren Schultern.

In dieser Story wollen wir die MUTTER nicht definieren, denn das haben Künstler, Wissenschaftler und Soziologen bereits getan. Wir wollen Frauen vorstellen, die mit ihren Kindern allein leben, mit ihnen alle Kinderkrankheiten und die erste Liebe durchmachen, Enttäuschungen überwinden, den Stoff aller Schulklassen lernen und dabei regelmäßig in die Arbeit geben und die Rechnungen bezahlen. Sie haben keine Zeit für Urlaub und keinen Anspruch auf Urlaub und heilen die offenen Brüche ihrer eigenen Seele mit der Liebe und den Erfolgen ihrer Kinder. Dies sind ihre Berichte.

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AUFOPFERND. Für sie gibt es keine Hindernisse, wenn sie kämpfen, keine Müdigkeit, wenn sie arbeiten, kein Maß, wenn sie sich einsetzen, und keine Macht, die sie stoppen kann. Sie tragen die doppelte Last elterlicher Pflichten auf ihren Schultern.

 

Vesna Jovanović Klinger (53), Fremdsprachenkorrespondentin
„Ich war 24 Stunden täglich Mutter.“

Sie wuchs in der Nähe von Belgrad in einer armen und chaotischen Familie auf. Sie lernte im Schein einer Glühbirne, war aber eine Vorzeigeschülerin. Nach Abschluss des Gymnasiums schrieb sie sich an der Fakultät für Politikwissenschaft ein, aber nach dem Abschluss des zweiten Semesters gab sie den Traum vom Diplom auf und suchte sich einen Job. Ihr Sohn Dragoslav (25) kam als echtes Wunschkind zur Welt, als Frucht einer großen Liebe.

Aber als die junge Mutter sah, dass sie ihm in Belgrad wenig bieten konnte, kam sie vor 24 Jahren nach Wien, um für ihren Sohn ein besseres Leben zu erkämpfen. Er schließt jetzt sein Wirtschaftsrechtsstudium an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät ab, liest viel und macht Musik und die Mama ist stolz. „Er war erst eineinhalb Jahre alt, als ich ihn bei seinem Vater und meiner Mutter zurückließ, bis ich mich in der neuen Welt zurechtgefunden hatte. Ich will lieber gar nicht davon reden, wie es mir in diesem einen Jahr unserer Trennung ging. Nur Mütter wissen, wie sehr die Leere in den Armen schmerzt. Aber ich habe es geschafft, meinen Status zu regeln, und mein zweieinhalbjähriger Sohn kam zu mir nach Wien. Es war schwer, denn ich habe alles von Anfang an aufgebaut. Ich hatte Glück und fand eine Wohnung in der Nähe meines Arbeitsplatzes und auch der Kindergarten war im gleichen Viertel. Ich besuchte sofort Deutschkurse und neben meiner normalen Arbeit nahm ich Extrajobs an. Ich hatte Kraft für alles. Der Vater des Kindes lebte in Belgrad und ich habe ihn häufiger unterstützt als er uns. Mein Dragoslav wuchs heran und ich spürte, dass er seinen Vater brauchte. Darum habe ich auf ständigem Kontakt mit ihm bestanden. Dennoch musste ich meistens Vater und Mutter für ihn sein, denn wir waren eine unvollständige Familie.

FOTO: Radule Bozinovic

Ich versuchte, mein Kind in jeder Situation, in der es sich befand, zu verstehen, und habe mein Vorgehen immer hinterfragt und seine Richtigkeit analysiert, alles aus Angst, dass ich in der Erziehung Fehler machen könnte. Ich habe ihn geführt, und er hat meine Vorschläge angenommen. Selbst wenn er vielleicht nicht meiner Meinung war, hat er mir immer gut zugehört, und so ist etwas von dem, was ich ihm gesagt habe, sicher in seinem Kopf hängengeblieben. Er war immer sehr bescheiden, er war sich bewusst, dass wir niemals allzu viel hatten. Er konnte sich über Geschenke freuen, über Kleinigkeiten, vor allem, wenn sie unerwartet kamen. Ich habe andere Kinder beobachtet, die sehr früh Fehler gemacht haben und in schlechte Gesellschaft geraten sind und die aber beide Eltern um sich hatten. Wenn ich es aus dieser Perspektive betrachte, bin ich froh, dass mein Sohn allen Versuchungen widerstanden hat und zu einem guten jungen Mann herangewachsen ist, auf den ich sehr stolz bin. Noch heute vergesse ich mich manchmal und fange an, mich zu verhalten, als ob er noch ein Kind wäre. Dann bremst er mich, aber er ärgert sich nicht, denn er weiß, dass das alles in bester Absicht passiert. Dragoslav ist eine völlig definierte Persönlichkeit mit festen Standpunkten, er ist gebildet und wir haben viele Themen, über die wir reden.

Ich hatte Momente, in denen ich mich von der Sorge und der Verantwortung und von der Arbeit ausgelaugt fühlte. Ich wollte auch einmal etwas für mich tun, um mich weiterzuentwickeln und in der Arbeit voranzukommen, aber dafür gab es weder Möglichkeiten noch Zeit. Ich war 24 Stunden am Tag nur Mutter. Mein Sohn und ich haben es geschafft, eine freundschaftliche Beziehung voller gegenseitigem Respekt aufzubauen und einander zu vertrauen. In all den vergangenen Jahren habe ich mich als Frau vernachlässigt. Vorsichtig, wie ich bin, habe ich mich vor Verletzungen gefürchtet. Ein Versuch ist unrühmlich gescheitert, und ich bin tief verletzt aus dieser Geschichte hervorgegangen. Darum habe ich als Schutz vor Verletzungen die Einsamkeit gewählt. In Zukunft möchte ich mich als Großmutter verwirklichen und meinen Enkeln alles bieten, was ich in meinem Sohn meinem Existenzkampf nicht bieten konnte. Ich möchte auch einige meiner Träume verwirklichen, möchte lesen, lernen, reisen… und ich wünsche mir Seelenfrieden.“

Vera Marjnaovic
Meine Berufung zur Journalistin entdeckte ich bereits als Sechzehnjährige während meiner Gymnasialzeit in Montenegro. Diesem Berufszweig bin ich seither treu geblieben. Nach meiner Ankunft in Wien widmete ich mich der Arbeit mit Mitgliedern der BKS-Gemeinschaft, wodurch ich tiefgreifende Einblicke in die Lebensgeschichten und sowohl die Triumphe als auch die Herausforderungen verschiedener Generationen gewann. Diese vielfältige Palette an Persönlichkeiten prägte meinen journalistischen Weg und festigte mein Engagement für soziale Themen.