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FLUCHTGESCHICHTE

„Wir Flüchtlinge sind keine Tiere“

Omer Amanzada lebt und arbeitet seit vier Jahren in Wien. Er möchte als Vorbild für andere Flüchtlinge wirken. Foto: Diva Shukoor

Ohne Sprachkenntnisse und ganz alleine in einem fremden Land: Omer Amanzada kennt die Situation vieler Flüchtlinge aus persönlicher Erfahrung. Als Teenager hat er sich aus Afghanistan nach Österreich begeben. Heute ist er sprachlich und beruflich integriert.

Omer Amanzada hat einen kräftigen Händedruck und smaragdgrüne Augen. Seine Gelassenheit und Ruhe wirken ansteckend. Sein Äußeres täuscht eine Leichtigkeit vor, die man dem 21-jährigen auf Anhieb abkaufen könnte. Dann beginnt er über seine Flucht zu erzählen. Mit 13 Jahren ist er aus einem kleinen afghanischen Dorf in den Iran geflüchtet. „Noch heute habe ich Alpträume von den iranischen Bergen, die wir durchqueren mussten. Es war Winter und der Schnee reichte mir bis über die Knie“, erzählt Omer. Wegen der Taliban musste er seine Heimat verlassen. Seine Mutter habe alles verkauft, um ihm ein Ticket in die Freiheit zu ermöglichen. Wie viel genau sie den Schleppern bezahlen musste, weiß Omer nicht mehr.

In die Welt hinaus

An die Schlepper und die Menschen, die mit ihm geflüchtet sind, erinnert sich Omer jedoch genau. „Schlepper sind keine guten Menschen, sie versprechen viel aber halten nichts. Da ich der Jüngste war, haben sie sich um mich gekümmert“, so der junge Afghane. In einer Gruppe von 30 Leuten schlug sich Omer Amanzada aber meistens alleine durch. Seine größte Angst war, nicht zu wissen wo er hinkommen wird oder an wen er sich wenden muss. Auf seiner Reise hat er verschiedene Kulturen und Menschen kennengelernt. „Afrikanern bin ich erst auf meiner Flucht begegnet. Das war das erste Mal, dass ich Menschen mit dunkler Haut gesehen habe“, fährt er fort. Während Burschen in seinem Alter spielen und sich die Zeit mit Freunden vertreiben, war Omer auf sich gestellt und musste in sehr jungen Jahren viel Verantwortung übernehmen.

Keine Hoffnung auf Glück

„Ich wollte nicht von zu Hause weg. Alles was ich wollte, war mit meinen Freunden zu chillen und mich nicht damit auseinandersetzen zu müssen, wie ich mit 13 Jahren mein Leben aufbauen soll“, erzählt Amanzada, mit leichtem Wienerischen Einschlag. Nach einem neun-monatigen Aufenthalt in Italien, brach Omer, wegen den besseren Bedingungen, mit anderen Flüchtlingen, nach Österreich auf. In seiner Heimat habe er über Österreich, die Berge und die netten Menschen gelernt. Als er nach Wien kam, verspürte er das erste Mal Sicherheit. Doch dieses Gefühl hielt nicht lange an, denn Omers Asylantrag wurde abgelehnt. Damit wurden die Hoffnungen des jungen Mannes auf eine gute Ausbildung und einen guten Job auf einen Schlag zerstört. Doch aufgeben wollte Omer Amanzada nicht. Es verschlug ihn nach Großbritannien.

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In den 90er Jahren kamen zehntausend Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Österreich. Heute scheinen sie eher in den Hintergrund gerückt zu sein. Ist damit ihre Integration abgeschlossen.

 

Neuer Plan, Neues Ziel

In England versuchte er erneut sein Glück. Omer lernte Englisch und versuchte sich als Automechaniker. Mit Österreich fast abgeschlossen, erreichte ihn nach einigen Monaten ein Anruf. Diesmal mit guten Nachrichten: Sein Asylantrag wurde positiv entschieden. „Ich hatte wieder Hoffnung auf ein gutes Leben, also bin ich nach Wien zurück gekehrt“, so Amanzada. Hier widmete er sich erneut der Deutschen Sprache und feilte an seiner Karriere. Er holte den Pflichtschulabschluss nach und bestand die Aufnahmeprüfung an einer HTL. Seit Juni arbeitet er als Betreuer für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

Omer Amanzada möchte als Vorbild für andere wirken. Neben seiner Arbeit als Flüchtlingsbetreuer ist er auch als Freiwilliger beim Roten Kreuz tätig. „Nicht alle Flüchtlinge sind gleich. Es gibt gute und schlechte Menschen überall auf der Welt. Ich möchte die Vorurteile, die Menschen gegenüber Flüchtlingen haben, abbauen“, sagt Omer. Oft versteht er nicht, warum Menschen negativ auf ihn wirken. Er sei hilfsbereit und kontaktfreudig und wolle niemandem etwas wegnehmen. „Flüchtlinge sind auch Menschen, wir sind keine Tiere“, so Amanzada. Derzeit macht er seinen Führerschein. Irgendwann in Zukunft möchte er seinen Traum verwirklichen und Flugbegleiter werden.