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THEATER

Balkan-Theater in Wien: „Akademija glume Stanislavski”

(Foto/Ana Leko Nikolic/Nenad Krnjaic)

Eine Funktion der Kunst ist die Bewahrung der Tradition, Kultur und Sprache eines Volkes, und wenn dieses Volk außerhalb der Grenzen seiner Heimat lebt, dann ist das Theater eine der ersten Verteidigerinnen der kulturellen Identität. Wie der Prozess der Entwicklung künstlerischer Werte im Ausland aussieht, hat KOSMO die Direktorinnen der drei Balkan-Theater gefragt, die ihren Sitz in Wien haben.

Die erste offiziell anerkannte Schauspielakademie, die ihre Stücke in den BKS-Sprachen aufführt, die Schauspielakademie „Stanislavski“, fördert bereits seit achtzehn Jahren junge Talente und ermöglicht es ihnen, in ihrer Muttersprache Theater zu spielen.


„Als ich mein Schauspiel-Diplom in London erwarb, habe ich nicht einmal im Traum daran gedacht, dass mein Weg mich nach Wien führen könnte und dass ich dank ungewöhnlicher Umstände Theaterdirektorin, Schauspiellehrerin und Regisseurin werden würde. Heute, fast zwei Jahrzehnte später, kann ich sagen, dass das eine der besten Entscheidungen war, die ich je getroffen habe. Das Leben im Theater, die Arbeit, die Kontakte, die Szene, die Premieren, das Publikum, diese begabten jungen Menschen… – das ist das schönste Leben eines Bühnenkünstlers und Pädagogen”, sagt Violeta Veljović, Direktorin dieser Bühne, gegenüber KOSMO.

(Foto/Ana Leko Nikolic/Nenad Krnjaic)


Wie Violeta erläutert, war mit der Gründung der Akademie das Ziel verbunden, jungen Menschen aus unserer Region, die in Wien leben, eine Plattform zu bieten, auf der sie ihre Talente entwickeln und präsentieren können. Mit diesem Ziel haben inzwischen mehr als fünfhundert junge Schauspieler die Schauspielakademie „Stanislavski“ durchlaufen und das ständige Ensemble zählt heute achtzig Mitglieder.

„Die Mitglieder unseres Ensembles sind begabte junge Schauspieler und Schauspielstudenten, daher ist diese Klassifikation ein bisschen schwarz-weiß. Unsere Akademie bietet ihnen eine gute Grundlage für ihren professionellen Werdegang, denn hier werden sie von Profis betreut. Da das Interesse an einer Aufnahme hoch ist, organisieren wir regelmäßig Castings für neue Klassen”, erklärt Violeta und betont, dass die Tore der Akademie auch neuen Mitgliedern offenstehen und dass alle Interessenten per E-Mail Informationen über die Aufnahme in die neuen Klassen anfordern können.

Mit engagierter Arbeit zu besten Ergebnissen

Die vergangenen beiden Jahre waren für die ganze Welt ausgesprochen herausfordernd, vor allem aber für Künstler, deren Arbeit so sehr von dem Kontakt mit Menschen lebt.


„Während all dieser Monate haben uns die Umarmungen, der Geruch der Bühne und unser treues Publikum gefehlt. Aber auch wenn wir nicht auf die Bühne konnten, haben wir mit unserem Schaffen nicht aufgehört. Da unser Autorenteam sehr eng mit dem Ensemble verbunden ist, haben uns die Online-Proben während der Pandemie sehr inspiriert. Wir haben mehr gearbeitet als nötig. Während der Pandemie sind tatsächlich zwei Vorstellungen entstanden.”

Jetzt, wo die Pandemie langsam zurückweicht, arbeiten die Absolventen der Akademie Stanislavski fleißig an der Entwicklung ihrer Talente und am Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten. Sie besuchen ein- bis siebenmal pro Woche Stunden, je nach dem derzeitigen Stoff und dem Arbeitsprozess an der Vorstellung, die gerade vorbereitet wird. „Von dem Projekt und davon, welche Gruppe daran arbeitet, hängt auch die Dauer des Vorbereitungsprozesses ab, der manchmal zwei Monate dauern kann”, erklärt Violeta.

(Foto/Ana Leko Nikolic/Nenad Krnjaic)

Was bietet die Akademie dem Publikum?


Fast jedes Bühnengenre ist auf der Bühne der Akademie Stanislavski vertreten und einige der letzten Titel lauteten „Das Zigeunerlager zieht in den Himmel”, „Aschenputtel”, „Lajanje na zvezde” und „Die kahle Sängerin”.


„Da wir in der Diaspora leben und arbeiten, freuen wir uns sehr, wenn wir unserem Publikum Genres näherbringen können, die ihm neu sind. Ebenso wichtig ist uns, eine starke Botschaft zu vermitteln, und jede unserer Vorstellungen trägt so eine Botschaft. Das nächste Stück, das wir einstudieren, ist der ’Menschenfeind’ von Molière, bei dem ich Regie führe. Außerdem werden wir in den nächsten Monaten die ’kahle Sängerin’ von Eugen Ionescu in der Regie von Marina Đorđević spielen.”

Die Mitglieder der Akademie Stanislavski wollen nicht nur ihrem Publikum die Vorstellungen schenken, an denen sie derzeit mit großem Engagement arbeiten, sondern haben noch ein zweites sehr wichtiges Ziel.


„Da die Schauspielakademie Stanislavski und seit neuerem auch die Jugendbühne ’Omladinsko pozorište’ in Wien offiziell anerkannte Bildungseinrichtungen sind, wünschen wir uns, dass aus unserer Bühne möglichst viele diplomierte Schauspieler hervorgehen, auf die wir stolz sein können”, betont Violeta.