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KOLUMNE

Das riskante Spiel von Vučić

Muamer-Becirovic-Kolumne
(FOTO: zVg.)

Mit größeren Protesten hat der serbische Präsident Aleksandar Vučić, der bekannt dafür ist, gerne alles unter Kontrolle zu haben, wohl am wenigsten gerechnet. Zuvor hat er den Demonstranten gesagt: „Geht ruhig auf die Straße, eine Meile lang, wie ihr wollt. Aber ich werde nicht eine Forderung erfüllen! Selbst wenn sich fünf Millionen von euch versammeln.“ Damit irrt er sich. Dass demonstriert wird, verantwortet er einzig und allein selbst.

Kein Regierungschef oder Präsident konnte nach Milosevic so viel Macht ansammeln wie Vučić. Seine Partei SNS hat im Parlament eine absolute Mehrheit, die Opposition ist zerstritten und schwächelt dahin und den Einfluss über die staatsnahen Medien hat sich der vormalige Informationsminister Vučić ebenfalls sichern können. Einige meinen, dass Serbien mit solch einer Machtkonzentration autokratisch regiert werde. Vučićs Regierung muss man allerdings differenziert sehen.

Lässt man die nackten Zahlen sprechen, dann sieht der Reformkurs nicht schlecht aus. Vor der Finanzkrise 2008 lag das durchschnittliche Pro-Kopf Einkommen in Serbien bei 6.686 Dollar. Elf Jahre nach der Krise liegt es bei 6.895 Dollar. Gerade mal zweihundert Dollar mehr in ganzen Elf Jahren. Das ist gering. 2008 lag die Staatsverschuldung bei 32,38 Prozent heute liegt sie bei 58,53 Prozent. Man muss Vučić zugutehalten, dass er erst seit 2014 an der Macht ist und die Schulden seitdem auch sinken. Seit er regiert gibt es ein konstantes Wirtschaftswachstum von 1-3 Prozent. Ökonomisch hat er einen Reformkurs eingeleitet, der in die richtige Richtung geht, aber für die Machtfülle, die er hat, vieles schneller gehen könnte.

Lediglich 1,4 Millionen Menschen sind im Privatsektor tätig. Im öffentlichen sind es 800.000. Das ist im Verhältnis für eine erfolgreiche Wirtschaft einfach zu viel. Man wird kürzen müssen, viele unpopuläre Entscheidungen müssen folgen. Und Vučić hat die Macht dazu, die bittere Medizin zu verabreichen, damit der Körper heilt. Allerdings sollte er dafür in einem fairen, demokratischen Rahmen kämpfen. Die Methodik, die er derzeit anwendet, schadet ihm mehr, als sie ihm nutzt. Wenn er die demokratischen Spielregeln nicht einhält, werden die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union auf Eis gelegt werden.

Er muss die Jungen, die demonstrieren, auch verstehen lernen. Diese jungen Demonstranten blicken nach Europa und wollen dieselben Freiheiten, denselben Lebensstandard auch in Serbien genießen. Vučić sollte vor lauter Kontrollwillen der kämpferischen Auseinandersetzung nicht aus dem Weg gehen, sondern diese Jungen in die Debatte miteinbeziehen und auf ihre Forderungen eingehen. Es kann Serbien nur was nutzen. Alles andere endet in Verwerfungen.