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KOMMENTAR

Demokratie in Serbien: Eine One-Man-Show

Vucic_Superman
Foto: Youtube

Er hat so viel Stimmen gewonnen, dass es ihm ja eigentlich sogar selbst Sorgen machen sollte.

Die Rede ist vom serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić und seiner Fortschrittspartei (SNS), die bei den gestrigen Wahlen sogar 62,6 Prozent der Stimmen gewonnen hat. In Zukunft wird die Lautstärke des Applauses im serbischen Parlament für die dortige Regierung, die sowieso auch vor dieser Wahl rekordverdächtig war im Vergleich zum Rest Europas, eher an Pjöngjang als an eine europäische Demokratie erinnern.

Und genau genommen hat eigentlich – auch wenn die KandidatInnen aus ihren Strukturen kommen – nicht seine Partei, sondern nur er, Vučić selbst, gewonnen. Denn auf den offiziellen Wahllisten stand nicht einmal mehr der Name seiner Partei, sondern „Aleksandar Vučić – für unsere Kinder“. Also haben, wenn man dem Listennamen wie 62,6 Prozent der Serben glauben mag, eigentlich Vučić und die Kinder Serbiens gestern gewonnen. Gewonnen hat jedenfalls nicht die Demokratie: Eine Wahlbeteiligung von nur 42 Prozent der BürgerInnen bei einer Parlamentswahl sagt wohl auch viel über die Politikverdrossenheit im Land aus. In Belgrad gingen gar nur 36 Prozent zu den Urnen.

Nicht einmal eine Deko-Opposition

Aber nicht nur der Listenname und die niedrige Wahlbeteiligung sind eine Farce. Dass Vučić mit seiner Partei im größten Nachfolgestaat des ehemaligen Jugoslawiens „alles unter Kontrolle“ hat, ist ja eigentlich nichts Neues. Aber eines ist nach der Wahl wohl auch denen klar geworden, die sich in der politischen Landschaft Serbiens gar nicht bis wenig auskennen: Von Pluralismus oder Balance, eigentlich zwei fundamentale Grundgedanken einer Demokratie, weit und breit keine Spur. Auch eine ernstzunehmende Oppositionspartei ist nicht in Sichtweite – nicht einmal als Dekoration.

Die Hoffnungen des einst liberal-demokratisch orientierten Serbiens, welches vor allem der 2003 ermordete Ex-Premierminister und einstige Heidelberger Habermas-Student Zoran Đinđić symbolisierte, sind heute die größten Wahlverlierer überhaupt. Genau genommen sind sie ja nicht einmal am Rande irgendwo präsent, geschweige den im Parlament.

Mehr Kontrolle als Milošević

„In Serbien gibt es keine Demokratie. Nehmt euch lieber was vom Grill“, schrieb ein anonymer „politischer Kommentator“ mit einer Spraydose auf eine Wand in Belgrad einen Tag nach der Wahl. Besorgte BeobachterInnen, die in Serbien langsam genauso verschwinden wie ernstzunehmende oppositionelle PolitikerInnen, betonen vor allem die Tatsache, dass sogar Slobodan Milošević zu seiner populärsten Zeit nicht eine derartige Zustimmung und Kontrolle über das politische System des Landes hatte. Ja, sogar Milošević hatte zumindest eine Opposition. Ein Umstand der jedem, dem die Zukunft Serbiens und „seiner Kinder“ wahrlich am Herzen liegt, eigentlich in Sorge versetzen sollte.