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TRANSGENDER

Der Weg vom Mann zur Frau: Jelena und Sarah erzählen

Jelena Kleinschnitz

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„All jenen, die derzeit ähnliche Herausforderungen durchleben, kann ich nur sagen, dass ich durch die Transformation viel mehr bekommen habe, als ich jemals zu träumen wagte“, erzählte uns Jelena. (Foto: Boris Ristić, Styling: Darko Kostić, Hair: Total studio Todorović)

„Auch wenn ich mich von anderen unterscheide, so verlief vieles bei mir ganz normal. In jenem Moment, in welchem wir uns stark zu verändern beginnen, d.h. in der Pubertät, habe ich meinen eigenen Körper als falsch empfunden. Bereits mit sechs Jahren habe ich mit den Schuhen meiner Großmutter gespielt und meine ersten Schritte in Richtung Lebens als Frau gemacht. Während ich ihre Stöckelschuhe kaputt gelaufen habe, fühlte ich mich wie Dorothy, die nicht nur die Erde, sondern eine Wunderwelt für sich entdeckt Egal wie das für andere klingen mag, für mich war das einfach ein erleichternder Umstand.

Meine Großmutter ist eine weltoffene Frau und sehr gut informiert, weshalb ich in ihren Armen auch meine Last als Frau im männlichen Körper ertragen konnte. Eines der ersten Beispiele aus meiner Kindheit, welches zeigt, wie sehr ich mit meinem eigenen Körper am Ringen war, ist das Kommentar einer Kassiererin in einem Geschäft. Damals war ich circa 10 Jahre alt und nach meinem Einkauf sagte mir die Frau: „Hier, kleines Mädchen, das Restgeld!“ Für mich, die sich bereits damals als Mädchen fühlte, war das ein Zeichen des Himmels und eine Geschichte, an welche ich mich heute mit großer Freude zurückerinnere. Mein Problem wurde mit einem langjährigen Prozess, d.h. einer Hormontherapie gelöst, die auch regelmäßige psychologische Therapien umfasste. Es ist nicht nur eine reich psychische, sondern auch psychische Transformation. Der Prozess an sich ist schmerzhaft und anstrengend. Auch wenn es nicht einfach war, so haben die Medizin, sowie meine Hartnäckigkeit und Ausdauer diesen Fehler der Natur behoben.

AUSSEHEN:
„Was Gott dir nicht gegeben hat, verschafft dir der Arzt.“

In diesem komischen Prozess übernahm meine Mutter die schwerste Rolle, auch wenn sie damals selbst gegen Krebs kämpfte. Sie war die erste, der ich von meiner Selbsterkenntnis erzählte. Auch mein verstorbener Bruder gab mir grenzenlose Liebe und Unterstützung, ohne sich um die Vorurteile und Vorwürfe der Anderen zu scheren. Der Verlustschmerz ist auch heute genauso präsent, wie die Erinnerung an seine bedingungslose Liebe und Unterstützung, auch wenn er nicht mehr am Leben ist. Hinsichtlich der Operationen kann ich nur sagen, dass dir der Doktor das verschafft, was dir Gott nicht gegeben hat. Von Nasen- und Brustoperationen, über die Entfernung von Rippen und anderer Knochen bis hin zu Stimmbandoperationen – einige lassen denselben Eingriff zwei oder drei Mal durchführen. Jeder lässt so viel machen, wie sein Portmonee erlaubt.

Ich erinnere mich gut daran, dass es am Anfang meiner Transformation zu Diskriminierung und blöden Zurufen kam. Es gibt jedoch auch Beispiele aus nicht allzu weiter Vergangenheit: Ich arbeite in einer Drogerie in Wien und war an diesem Tag an der Kasse. Diesen Job mach ich bereits seit 12 Jahre, solange ich schon Frau bin, und so etwas ist mir noch nie passiert. Eine Mutter und ihre Tochter, aus denen AMS Wien förmlich schreit, stellen komplett desinteressiert, mit einem „Der Kunde ist König“-Auftreten und voller Komplexe ihren Einkaufskorb auf das Förderband. Nachdem ich die Ware über die Kasse gezogen habe und den Rechnungspreis gesagt habe, sagt die Tochter: „Das ist der eine Mann aus den serbischen Zeitungen“. Die Frau antwortete darauf mit sehr schlechtem Deutsch: „Das ist DAS DING“. Selbstverständlich habe ich ein Lächeln aufgesetzt und einen schönen Tag gewünscht. Glücklicherweise unterstützten mich die anderen Kunden.

ÖSTERREICH & BALKAN:
„Weder ich, noch meine mir ähnlichen Freundinnen hatten grobe Probleme“

Ich bin der Meinung, dass die Diskriminierung nicht von den Österreichern, sondern von Ausländern ausgeht, die es nicht geschafft haben, sich zu integrieren und von der Gesellschaft akzeptiert zu werden. Weder ich, noch meine mir ähnlichen Freundinnen hatten grobe Probleme – weder in Österreich noch am Balkan. Grund hierfür ist, dass wir uns in die Gesellschaft eingegliedert haben, in der wir leben und ein ganz normales Leben führen, so wie alle durchschnittlichen Mädchen auch. Wichtig ist es, anständig und respektvoll zu sein. Dann werden dich auch die Menschen akzeptieren.

All jenen, die derzeit ähnliche Herausforderungen durchleben, kann ich nur sagen, dass ich durch die Transformation viel mehr bekommen habe, als ich jemals zu träumen wagte. Ich rate allen Transgender-Personen, ihren Transformationsprozess so früh wie möglich zu beginnen. Mein Kampf Frau zu werden dauerte 10 Jahre und heute erlaube ich es nicht, dass jemand egal ob er zu meinem Freundeskreis gehört oder nicht, erniedrigt oder beleidigt wird. Mich kümmert es nicht, was andere sich bei diesen interview oder über mich denken – ob sie mich verurteilten oder nicht. Ich lebe mein Leben so wie ich es will! Würde ich auf der Meinung der anderen achten wäre ich jetzt nicht hier also – who cares!“

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