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REPORTAGE

Die Geheimnisse der Wiener Bordelle

Reform der Rotlicht-Szene
Nach großen Skandalen im Prostitutionsmilieu, aber auch unter den damit in Verbindung stehenden Leuten der Wiener Polizei erließ die Regierung ein neues Prostitutionsgesetz, das das Funktionssystem der Wiener Rotlichtzone fundamental veränderte: Bordelle müssen demnach 150 Meter von Schulen, Kirchen und ähnlichen Institutionen entfernt sein. Damit ist es fast unmöglich, in einer Straße Bordell an Bordell zu haben, wie das in den neunziger Jahren der Fall war und wie es in vielen europäischen Metropolen noch heute ist.

Der Kampf um den Gürtel war das Hauptthema der 90-er Jahre.

„Wir haben damals zwei Jahre und über drei Millionen Euro verloren, aber es war klar, dass die Geschichte weitergehen musste“, sagt Laskaris, der heute das Laufhaus „Rachel“ im 23. Bezirk betreibt. Dort sind die Bordsteinschwalben ihre eigenen Chefinnen bzw. selbstständige Unternehmerinnen, die von Laskaris nur die Räume und die Plattform „Laufhaus Rachel“ mieten. Im Unterschied zu den „goldenen Neunzigern“, als der Gast vor seinen erotischen Abenteuern eine teure Flasche Champagner für die Mädchen spendierte, sind die Preise heute auch für Männer mit schmalerer Geldbörse erschwinglich.

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TRAGÖDIE. Der Menschenhandel ist ein Problem von globalem Ausmaß und betrifft Länder in Postkonfliktsituationen bzw. in Zeiten ökonomischen und gesellschaftlichen Umbruchs ebenso wie den industriell entwickelten Teil der Welt.

 

 

Im größten Wiener Sex- und Saunaclub, dem Funpalast im 23. Bezirk, den der ehemalige PR- und Marketing-Guru Christoph Lielacher führt, wurde kürzlich der Eintrittspreis von stolzen 90 Euro abgeschafft. „Jetzt zahlt der Gast 60 Euro, die ihm auf die sexuelle Dienstleistung, die er in Anspruch nimmt, angerechnet werden. Jetzt haben wir 2017 und die Menschen wollen nichts zahlen, bevor sie überhaupt mit einer Dame in Berührung kommen. Seitdem wir das Eintrittsgeld abgeschafft haben, hat sich die Zahl der Mädchen von 35 auf 70 erhöht und bald werden wir die Hundert erreichen“, sagt uns Lielacher, der den Club mit der enormen Fläche von 8.000 Quadratmetern bereits seit acht Jahren leitet.

10.000 € verdient eine Edelprostituierte in Wien monatlich.

Tatsache ist, dass die Prostituierten in den Bordellen früher ein Angebot für eine ausgewählte Gesellschaft mit guter finanzieller Ausstattung waren, dass sie aber heute aufgrund ihrer Preise auch für die breite Mittelschicht erschwinglich sind. Das hat das ganze Funktionssystem der Branche erheblich verändert. Ausnahmen sind die „legendären Clubs“ wie das Maxim im Herzen der Stadt, das seit 1985 von Josef „Pepi“ Stern (77), einem „Grandseigneur“ der Szene, geführt wird, der nicht verbirgt, dass er dank der reichen Touristen, aber auch dank seiner überdurchschnittlich hübschen Mädchen noch immer gut verdient. In der Szene kursieren Geschichten, dass russische Touristen manchmal über tausend Euro für eine Nacht dalassen…

VATER UND SOHN: Pepi Stern (77) ist auch weiterhin der Chef des Bordells „Maxim“, aber sein Sohn Roman schmeißt den Laden, während sein alter Herr weitere Bordelle eröffnen möchte. (FOTO: Igor Ripak)

„99 Prozent sind Rumäninnen“
Egal, ob es sich um die exklusive Zahl der Clubs mit Luxusprostitution, um die großen Saunaclubs oder um kleine Bordelle handelt: Die meisten Liebesdienerinnen in Wien stammen aus Rumänien. Warum? „Das ist ein Resultat der Erweiterung der Europäischen Union. Rumänien ist nahe und die Arbeitslosigkeit beträgt unter den jungen Leuten dort 70 Prozent, während die Lebenshaltungskosten fast so hoch sind wie in Wien. Mit 300 Euro Lohn kann man dort kaum überleben“, erklärt Laskaris. Auf unsere Bemerkung hin, dass die Situation in den Ländern Ex-Jugoslawiens ähnlich ist, hat Laskaris eine schnelle Antwort: „Ja, aber Sie haben eine andere Kultur. Bei Ihnen hat die Prostitution einen schlechten Ruf und wir hatten ganz selten überhaupt Prostituierte aus dem ehemaligen Jugoslawien. Einmal hatte ich eine Serbin, aber die hat das auch mehr verheimlicht als alle anderen.