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SPIELSUCHT

Geschichte eines Spielers: Ich vergaß mein Baby im Auto vor dem Wettlokal

Spieler
FOTO:(iStock/g-stockstudio/Talaj)

Alkoholismus und Drogenabhängigkeit sind die häufigsten Suchtformen. In Serbien wurde Anfang dieses Jahres allerdings ein plötzlicher Anstieg (um bis zu 30%) bei einer weiteren Sucht – der Spielsucht – registriert. Die Sonderklinik für Suchtkrankheiten in Belgrad verzeichnet einen großen Zustrom von spielsüchtigen Patienten. Die Spielsucht entwickelt sich schleichend, alles beginnt mit einer harmlosen Wette, auf die weitere folgen, bis die Betroffenen eine krankhafte Sucht entwickeln und keine Kontrolle mehr über ihr Verhalten haben.

„Ich habe in der zweiten Klasse Gymnasium angefangen. Meine Freunde und ich haben aus Spaß hin und wieder ein Ticket ausgefüllt. Dafür gab ich 1 bis 2 Euro von meinem Taschengeld aus. Dabei ist es allerdings nicht geblieben. In der Oberstufe beschloss ich, mein Glück an den Automaten zu versuchen und geriet so in einen Teufelskreis. Spielsucht ist eine Krankheit, die einen völlig besesssen macht, man kann an gar nichts anderes mehr denken. Alles dreht sich darum, wann die nächste Gelegenheit zum Spielen sein wird“, erzählt der dreißigjährige M.J., der wegen Spielsucht in Behandlung ist, seine Geschichte gegenüber der Nachrichtenagentur RINA, berichtet das Portal Telegraf.

Wie die serbischen Medien berichten, geriet dieser junge Mann in einen Teufelskreis, aus dem er nicht mehr herausfand. Er war Stammgast in Casinos. Ab und zu machte er kleine Gewinne, die Verluste waren jedoch viel größer. Seine Schulden stiegen ins Unermessliche, aber er glaubte immer, dass er beim nächsten Spiel den großen Gewinn machen würde, was natürlich nie geschah. Wie er selbst zugab, konnte er die Spielsucht gut unter einer Maske verstecken, so dass seine Familie lange Zeit nicht ahnte, dass er ein ernsthaftes Problem hatte.

FOTO: (iStock/Sinenkiy)

„Wie krank man in solchen Momenten denkt, beweist am besten das Beispiel, als ich mein sechs Monate altes Baby allein im Auto gelassen hatte, um spielen zu gehen. Ich hatte völlig auf das Baby vergessen, ich war stundenlang im Casino geblieben. Erst als ich wieder hinausging, wurde mir bewusst, dass das Baby die ganze Zeit allein im Auto war. Es war völlig aufgelöst vom Weinen. Ich danke Gott, dass damals nichts Schlimmeres passiert ist. Das war das Ereignis, das meine Familie alarmierte. Ich war gefühllos geworden, hatte keine Lebenslust. Ich war am Boden“, sagt M.J. und ergänzt: „Spielsucht ist eine seltsame Krankheit, sie hat mich völlig vereinnahmt, ich konnte an gar nichts mehr denken, nichts Anderes interessierte mich. Körperlich war ich zuhause bei meiner Familie, aber in Gedanken war ich beim Spielen. Ich schaute ununterbrochen auf mein Handy, überprüfte Ergebnisse, Tickets und Spiele. Wenn meine Frau mit mir sprach, hörte ich überhaupt nicht zu.“

Auf Drängen seiner Eltern und seiner Frau begab er sich in die Klinik, allerdings nicht aus Überzeugung, sondern um sie zu beruhigen. Dass er ein ernsthaftes Problem hatte, erkannte er erst, als Experten ihn mit der Realität konfrontierten. Die ersten Tage seines Aufenthalts in der Klinik waren die Hölle, aber danach war er wie neu geboren. Während der Behandlung hatte er keinen Kontakt zur Außenwelt. Ich dachte ständig an seinen Vater, seine Mutter und seine Frau, berichtet das Portal Telegraf.

„Ich wusste nicht, ob meine Frau mich verlassen hatte, wie es meinem Kind ging. Ich machte mir Sorgen um sie, dass Leute, denen ich Geld schuldete, sie verfolgen oder plötzlich vor der Wohnungstür stehen könnten. Eine solche persönliche Krise und solche Qualen, wünsche ich niemandem auf dieser Welt. Ich wollte nur noch spielen. Im ersten Monat meiner Behandlung träumte ich buchstäblich davon, wie Tickets ausfüllte oder Roulette spielte. Mit Hilfe hervorragender Ärzte schaffte ich es, diese Zeit zu überwinden. Ich gab mein Bestes in diesem schmerzhaften Kampf, und schaffte es, wieder gesund zu werden. Ich konnte meine Eltern und meine Frau, die nach all dieser Zeit noch zu mir hielt, nicht enttäuschen“, gibt der junge Mann ehrlich zu.

Für alle jungen Menschen hat der ehemalige Spieler eine Botschaft, von der er hofft, dass sie alle erreichen wird, die in die Spielsucht schlittern könnten.

„Glücksspiel ist keine Einkommensquelle. Spielsucht zerbricht dich in kleine Stücke, sie ist schlimmer als Drogen oder Alkohol. Eine der schwersten Krankheiten überhaupt. Die kleinen Gewinne sind vorübergehend, rechnet man einen Monat oder ein-zwei Jahre zusammen, ergibt das ein anderes Bild. Man macht nur Verluste und ruiniert sein eigenes Leben. Spielsucht zerstört deine Vergangenheit, niemand weiß, wer du früher warst, und deine Gegenwart verwandelt sich in Hölle, deine Zukunft ist dahin“, das ist die Botschaft des ehemaligen Spielers, der seine Spielsucht nach der Behandlung überwunden hat. Der Weg zur vollständigen Genesung wird schwer und langwierig sein, aber mit Hilfe seiner Liebsten kann er es schaffen.