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KPH WIEN/KREMS

Orthodoxe Religionslehrer: „Unterschiedliche Muttersprachen, jedoch ein gemeinsamer Glaube“

KPH-Wien-Krems-Interview
(v.l.n.r) Nicolae Dura; Irina Nicoleta Dura-Nitu; Sylvia Inou; Theodoros Alexopoulos und Marija Jandrokovic (FOTO: Manuel Bahrer) (FOTO: Manuel Bahrer)

Religion zählt erfahrungsgemäß zu jenen Unterrichtsgegenständen, die im Schulalltag eher in den Hintergrund rücken. Einige der Schüler melden sich auch am Anfang des Schuljahres von diesem Fach ab. Dass der Religionsunterricht jedoch mehr als nur reine Wissensvermittlung über den Glauben ist, und warum dieser ein wichtiges Gerüst darstellt, um in einer pluralen Welt mit allen Menschen in einen Dialog treten zu können, erklärten uns orthodoxe Lehrende und die Leiterin des Instituts Religiöse Bildung – christliche Konfessionen der Kirchlich-pädagogischen Hochschule (KPH) Krems/Wien im Interview.

 „Die Orthodoxie zeichnet Vielfalt in der Einheit aus!“

Der Religionsunterricht stellt laut österreichischem Gesetz ein Pflichtfach dar. Neben dem katholischen Unterricht, der in sehr vielen Schulen am Vormittag angeboten wird, haben jedoch andere Glaubensrichtungen mit Problemen zu kämpfen:

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Menschen die nach Österreich in den vergangenen Jahrzehnten zugewandert sind haben wesentlich zu Wohlstand und Lebensqualität in Österreich beigetragen.

Nicht römisch-katholischer Religionsunterricht wird so gut wie immer nachmittags angeboten. Familien mit mehreren Kindern werden damit oftmals vor Probleme hinsichtlich der Organisation gestellt“, so Marija Jandrokovic.

In erster Linie liege es an der ungünstigen Unterrichtszeit, sowie daran, dass viele der berufstätigen Eltern ihr/e Kind/er zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Standorten zum Unterricht bringen müssen. Dies führe dazu, dass sich einige Eltern bzw. Schüler dazu entscheiden, sich gänzlich vom Religionsunterricht abzumelden. Es gibt allerdings auch ein Informationsproblem: „Eltern melden ihre Kinder ab, da sie gar nicht wissen, welche Möglichkeiten bestehen, den orthodoxen Religionsunterricht am Schulstandort zu besuchen“, fügte Irina Dura-Nitu. hinzu.

„Griechisch-orientalisch? – Nein, das bin ich doch gar nicht“
In Österreich sind insgesamt 15 Kirchen- und Religionsgesellschaften (exklusive Untergruppen) anerkannt. Dies bedeutet, dass jeder Schüler in Österreich auch das Recht hat, Religionsunterricht gemäß seiner jeweiligen Konfession und Religion zu besuchen. Im Alltag stellt sich das jedoch oftmals schwieriger heraus als gedacht. Eine Kombination aus Problemen hinsichtlich der Informiertheit der Eltern, sowie alter, fremdzugeschriebener Namen macht es den Orthodoxen schwer, genügend Schüler für den Unterricht zusammenzutrommeln.

Bis 2005 wurde in den österreichischen Schulen nur rumänisch- und serbisch-orthodoxer Religionsunterricht erteilt. Griechen besuchten bis dato sogenannte eine „nationale Schule“ in ihren Kirchen. Erst ab diesem Zeitpunkt, wurde der Unterricht für alle orthodoxen Gläubigen, die fünf in Österreich anerkannten orthodoxen Kirchen des byzantinischen Ritus zusammengefasst“, erklärte Nicolae Dura. Dies sei auch der Grund dafür, dass in vielen Schulen und leider auch einigen Texten der jeweiligen Stadtschulräte immer noch alte bzw. nichtzutreffende Bezeichnungen für den Unterricht geführt werden. Gesetzlich hat es immer griechisch-orientalischen Unterricht gegeben, allerdings wurde dieser, aufgrund der Herkunft der Schüler, dann der Einfachheit halber serbisch-, griechisch- oder rumänisch-orthodox genannt“, ergänzte Marija Jandrokovic.

KPH-Wien-Campus
An der KHP Krems/Wien werden Studierende zu Primarstufenlehrenden, also Volksschullehrer ausgebildet, die sich im Rahmen ihres Studiums für einen von zahlreichen Schwerpunkten entscheiden. Dazu zählt unter anderem Religion. (FOTO: KPH Wien/Krems Presse)

Dies sorgte über die Jahre dafür, dass viele orthodoxe Gläubige und ihre Kinder dachten, der orthodoxe Religionsunterricht sei an die ethnische Zugehörigkeit gekoppelt. Hier bestehe laut Irina Dura-Nitu Nachholbedarf, sowie engagierte proaktive Arbeit der Lehrenden. „Nichtsdestotrotz darf man jedoch nicht vergessen, dass die Missio canonica (Die Lehrerlaubnis für Religionsunterricht – Amn. d. Red.) schon seit jeher von einem zuständigen Metropoliten für alle orthodoxen Religionslehrer erteilt wird. Hierbei gibt es keine Teilung innerhalb der orthodoxen Kirchen in Österreich. Die einzige Instanz, an welche sich Österreich bezüglich des orthodoxen Religionsunterrichtes wendet, ist seine Eminenz Metropolit Arsenios Kardamakis “, unterstrich Theodoros die Einheit der orthodoxen Kirchen in Österreich.

Orthodoxie: Unterschiedliche Muttersprachen, jedoch ein Glaube
Alle Mitarbeiter waren bereits mehrfach mit einer Zurückhaltung vonseiten der Eltern konfrontiert, wenn der Religionslehrer nicht denselben ethnischen Hintergrund aufweist. „Aus diesem Grund praktiziere ich in meinem Unterricht, dass die Schüler einige Sätze in der anderen Sprache lernen. Ich bestehe auch darauf, dass die Studierenden der KPH zumindest fünf Sätze in den jeweiligen anderen Sprachen können, um diese vielleicht vorherrschende Barriere sofort durchbrechen zu können. Dies funktioniert in den Schulen sensationell, und das Feedback ist mehr als positiv“, so Marija Jandrokovic.

„Wir sind keine homogen katholische Gesellschaft, was besonders wertvoll dafür ist, ein Gefühl für Pluralität zu bekommen“

Auch die Lehrmittel für den orthodoxen Unterricht haben sich dieses „Problems“ angenommen, da im ersten großen orthodoxen großen Religionsbuch „Die Bibel in kurzen Erzählungen“ (2009) nicht nur die biblischen Erzählungen auf Deutsch, sondern die wichtigsten Gebete der Orthodoxie in den jeweiligen Muttersprachen als Anhang abgedruckt zu finden sind. „Der Religionsunterricht darf unsere ethnischen Wurzeln auf keinen Fall groß schreiben, sondern muss die orthodoxe Zugehörigkeit hervorheben. Vor allem auch angesichts der Tatsache, dass wir alle hier leben und die deutsche Sprache als Kommunikationsmittel absolut notwendig ist“, betonte Bischofsvikar Dura.

Mehr als „nur“ religiöse Inhalte und mehr als zeitgemäß
Wir mir erklärt wurde, ist im Lehrplan für den Religionsunterricht explizit festgehalten, dass dieser einen Rahmencharakter hat. Dies bedeutet, dass im Unterricht genügend Raum bleibt, aktuelle Fragen der Schüler, der Welt und der Gesellschaft zu behandeln. „Religionsunterricht ist sehr offen: man sagt nicht umsonst, dass wir ‚über Gott und die Welt‘ reden. Die Welt spielt auf jeden Fall eine Rolle“, so der griechisch-orthodoxe KPH-Mitarbeiter Theodoros Alexopoulos. Einig sind sich jedoch alle darin, dass religiöse Inhalte im Fokus stehen sollten – jedoch nicht isoliert, sondern immer in Verbindung zum Leben.  „Ich spreche gerne von Beheimatung und Begegnung: Als Lehrer muss man seine Schüler dazu zu bringen, dass sie in ihrem Glauben richtig beheimatet sind. Denn wenn sie das können, dann kann man auch Anderen richtiger begegnen. Dann habe ich keine Angst und fühle mich nicht bedrängt, sondern stehe Neuem und Anderem viel offener gegenüber“, so Irina Dura-Nitu. Generell stelle der Glaube für Menschen in der Diaspora einen wichtigen Baustein für ihre Identität dar.

 „Gebetet wird in der Muttersprache, allerdings lernen Kinder alle Sprachen ein bisschen.“

Im Unterschied zu den Menschen in den jeweiligen Herkunftsländern, definieren sich Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich viel mehr über die Religion. Aus diesem Grund sei diese auch für das Selbstverständnis von überaus großer Wichtigkeit. „Der Beruf des Lehrers ist in einer Community von besonders großer Wichtigkeit, wenn es darum geht, in der Mehrheitsgesellschaft richtig anzukommen – damit die Vertrautheit wächst und damit es „normal“ wird, dass die Frau Lehrerin einen Migrationshintergrund hat. Ein hoher Stellenwert des Volksschullehrers ist für das Gelingen einer pluralen funktionierenden Gesellschaft von enormer Bedeutung“, so die Institutsleitung für christliche Konfessionen, Sylvia Inou.

Geistlicher oder ausgebildeter Religionslehrer?
Die KPH stellt eine ausgezeichnet gute Symbiose zwischen theoretischem und praktischem Wissen dar. Man hat die Möglichkeit, sich je nach Affinität zu spezialisieren. Lehrkräfte der KPH verbinden beide Bereiche, ohne in einem Mangel aufzuweisen“, führte Theodoros Alexopoulos fort.

KPH-Wien-Krems-Bibliothek
„Lernen im Angesicht des Anderen“ erleben – sowohl Lehrer als auch Studierende, so lautet das Motto der KPH Wien/Krems (FOTO: KPH Wien/Krems Presse)

Ausbildung an der KPH Wien/Krems
An der KHP Krems/Wien werden Studierende zu Primarstufenlehrenden, also Volksschullehrer ausgebildet, die sich im Rahmen ihres Studiums für einen von zahlreichen Schwerpunkten entscheiden. Dazu zählt unter anderem Religion, welche wiederum in unterschiedliche Konfessionen und Religionen geteilt ist. Insofern man sich für diesen Schwerpunkt entscheidet, ist man mit einem KPH-Abschluss demnach nicht nur Volksschullehrer, sondern auch dazu befähigt Religion in der Primärstufe zu unterrichten. „Für katholische Lehrer gibt es mehrere Ausbildungsmöglichkeiten für die Primärstufe. Für die kleineren christlichen Gemeinschaften gibt es nur in Wien die Möglichkeit, sich ausbilden zu lassen. Im Grunde ist es immer die KPH, die auf die eine oder andere Weise involviert ist. Theoretisch kann ein Innsbrucker Student in Wien den Schwerpunkt ‚Orthodoxer Religionslehrer‘ absolvieren“, so die Institutsleiterin Inou weiter.

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Interkonfessioneller Dialog im Fokus
Eine weitere, europaweite Besonderheit der KPH Wien/Krems ist jene, dass verschiedene Christen, bzw. Konfessionen und Religionen hier ihre eigenen Religionslehrer aus- und, oder diesen gerade aufbauen. „Lernen im Angesicht des Anderen“ erleben – sowohl Lehrer als auch Studierende, so lautet das Motto. Da hier die unterschiedlichsten Konfessionen und Religionen aufeinandertreffen handle es sich hier auf keinen Fall um ein staubtrockenes, sondern vielmehr um ein dynamisches und modernes Lernen der Religion. „Wir sind keine homogen katholische Gesellschaft, was besonders wertvoll dafür ist – vor allem für zukünftige Primarstufenlehrer – ein Gefühl dazu zu bekommen, was es bedeutet, unterschiedlichste Menschen zu treffen und wie man richtig und konstruktiv mit Pluralität umgeht und diese als Normalität ansieht.  Es ist ein besonderer Schatz, den die KPH hier bietet“, zeigt sich Sylvia Inou stolz.