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INTERVIEW

Porno-Star Stoya in serbischem Spielfilm: „A. I. Rising“ kommt in Heimkinos

(FOTO: zVg.)

Der US-Pornostar mit Balkanwurzeln präsentierte 2018 seinen ersten Spielfilm “Ederlezi Rising” beim LET’S CEE Film Festival in Wien. Nun kommt der Film in Kürze auf DVD und Blu-ray raus – allerdings unter einem anderem Namen „A. I. Rising“. Wir haben mit Stoya damals über ihr Projekt, sowie über ihre Verbindung zum Balkan und die schauspielerischen Unterschiede zwischen Pornographie und Kinofilmen gesprochen.

„A. I. Rising“ erscheint hierzulande am 27. August 2021 mit FSK-16-Freigabe auf Blu-ray und DVD. Bereits ab dem 12. August könnt ihr den Film in digitaler Form kaufen und dann sofort streamen. Noch 2018 trafen wir Stoya vor der Filmpräsentation in Wien zum Gespräch. Hier das Interview:

Du warst in Wien als Gast beim LET’S CEE Film Festival. Was können wir von diesem Film erwarten und was macht ihn speziell?
Es ist ein Science-Fiction-Film, der in Serbien gedreht wurde. Ich weiß nicht, ob es sich dabei um den ersten Sci-Fi-Film aus diesem Land handelt, aber er ist mit Sicherheit einer der neuesten, wenn nicht der neueste. Auch wenn „Ederlezi Rising“ über viel Surrealismus und total abgedrehte und wunderschöne Bilder verfügt, so liegt der Hauptfokus auf der Frage, was eine Person überhaupt zu einer Person macht und wie künstliche Intelligenz da hineinspielt.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Regisseur Lazar Bodroza und wieso hast du eine Rolle außerhalb deines bisherigen Genres angenommen?
Ich kam ganz zufällig zu „Ederlezi Rising“. Einer meiner Freunde erzählte mir davon, dass wiederum einer seiner Freunde plant, einen Film zu drehen und dafür noch Darsteller sucht. Ich weiß gar nicht, ob es zu diesem Zeitpunkt bereits ein komplett fertiges Drehbuch gab. Nichtdestotrotz habe ich bereits nach einer kurzen Filmbeschreibung zugesagt, da mir das gesamte Projekt bereits auf den ersten Blick sehr gut gefallen hat. Bevor wir mit dem Dreh begonnen haben, war ich bereits vier Jahre Teil des Projektes. In „Ederlezi Rising“ hatte ich auch meine „erste echte“ Schauspielrolle, in der es um mehr als zum Beispiel Lust und Begierde ging. Gleichzeitig hatte ich mehr als genug mit meiner Schauspielerei zu tun und war nicht in andere Tätigkeiten, wie das Kreieren von Charakteren oder ähnliches verwickelt. Aber ich finde es mehr als schmeichelnd, dass die Menschen glauben, dass ich so tief in die Materie eingetaucht bin.

„Persönlich kann ich sagen, dass ich mit Balkanmännern nur positive Erfahrungen gemacht habe.“

Nimani wird oftmals als Spielzeug für die sexuellen, psychologischen und alle anderen Bedürfnisse des zweiten Hauptcharakters Milutin beschrieben. Kann man daher von einer Objektivierung der Frau sprechen?
Was ich aus der bisherigen Reaktionen herauslesen konnte, war, dass es eine ziemlich binäre Reaktion bezüglich Nimani gibt. Während Männer in ihr oftmals ein Sexspielzeug sehen, so interpetieren Frauen die Figur auf eine komplett andere Weise. Ich persönlich finde nicht, dass die künstliche Intelligenz Nimani nur darauf reduziert werden sollte, allerdings möchte ich auch nicht zu viel von der Handlung preisgeben. Bezüglich der Objektivierung kann ich nur sagen, dass viele der Reaktionen sich auf Nimanis Nacktheit bezogen und interpretierten diese auf eine moderne feministische Art und Weise. Allerdings habe ich ihnen immer nur geantwortet: „Leute, sie ist und bleibt ein Roboter. Von diesem Punkt muss man ausgehen und nichts hineininterpretieren, dass nicht da ist.“ In anderen Worten: Nimani verfügt über total unterschiedliche Voraussetzungen als eine echte Frau. Ihr kann zum Beispiel nicht kalt werden, sie hat keine Tabus, wenn es um Nacktheit geht und so weiter… Das Schöne an Kunst ist auf jeden Fall, dass sie unterschiedlichste Reaktionen und Fragen aufwirft. Und „Ederlezi Rising“ gehört genau zu jener Art Kunst. Daher geht man am besten in den Film und macht sich selbst ein Bild (lacht).

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“ In „Ederlezi Rising“ hatte ich auch meine „erste echte“ Schauspielrolle, in der es um mehr als zum Beispiel Lust und Begierde ging“, erzählte uns Stoya. (FOTO: zVg.)

Ist Milutin ein typischer Balkan-Mann mit Machogehabe, oder wie würdest du seine Figur beschreiben?
Ich bin nicht besonders gut mit dem Stereotyp des „Balkan-Machos“ vertraut. Ich würde auch sagen, dass man Machomänner überall auf der Welt treffen und diese nicht auf eine gewisse Region eingrenzen kann. Persönlich kann ich nur sagen, dass ich mit Balkanmännern nur positive Erfahrungen gemacht habe – vor allem, wenn ich ihr Verhalten mit jenem der Männer des Westens vergleiche. Männer vom Balkan handeln überlegter und sehen in Frauen gleichwertige und gleichberechtigte Menschen mit vollständiger Autonomie. Am Balkan wurden mir nicht einfach die Kopfhörer aus den Ohren gezogen, in meinen Bewegungen behinderte oder einfach so berührt, nur um mir mitzuteilen, dass man mich für schön empfinde oder um mich darum zu bitten, zu lachen. All diese negativen Dinge sind mir in Serbien nicht widerfahren.

Wie hast du dich gefühlt, nachdem du „Ederlezi Rising“ zum ersten Mal im Kino gesehen hast?
Revuepassierend kann ich sagen, dass ich damals mein Bestes gegeben und meine bestmögliche Performance abgeliefert habe. Während der Dreharbeiten habe ich sehr oft die Playback-Funktion in Anspruch genommen, um die Szene zu sehen und sie bei Bedarf abzuändern. Es war nicht nur einmal der Fall, dass meine Körpersprache meinen gesprochenen Worten widersprochen hat. Mit meinem heutigen Wissen, würde ich die Rolle der Nimani vielleicht schauspieltechnisch besser umsetzen können, aber auf der anderen Seite, wäre der Charakter dann nicht mehr, jener, der heute im Film „Ederlezi Rising“ zu sehen ist.

Wo liegen die schauspielerischen Unterschiede zwischen Pornographie und Spielfilmen?
Ich würde sie als unterschiedliche Arten der Performance bezeichnen. In Pornographie hat man eine relativ kleine Bandbreite an Emotionen und menschlichen Erfahrungen zur Verfügung, während diese in Spielfilmen um einiges größer und reicher ist. Zu den Gemeinsamkeiten zählen, auf jeden Fall, die totale Präsenz des Schauspielers und auch die „Blase am Set“, in der man sich während der Dreharbeiten befindet. Viele haben Vorurteile, wenn es um Porno und Pornoschauspieler geht. Es gibt in dieser Industrie genauso viel Dreck und Schund wie in allen anderen Kunstrichtungen auch, allerdings sollte man jene Pornoproduzenten und -darsteller nicht außer Acht lassen, die sich als Ziel gesetzt haben, wirkliche und ehrliche Intimität zwischen Menschen zu zeigen. Ich sehe Pornographie als unkritische körperliche Arbeit – so wie zum Beispiel das Tanzen auch. Der Köper ist ein Werkzeug, mit welchem man Dinge ausdrücken kann, die für gewöhnlich nicht alltäglich, durchschnittlich und „normal“ sind. Dies sieht man sehr gut am Beispiel der durchschnittlichen Sexdauer in Amerika, die etwas über 7 Minuten beträgt. In der Pornographie ist diese offensichtlich deutlich länger und wir tun dies, um unsere Körper an ihre Grenzen zu bringen und um damit zu spielen, was Sex alles sein kann.

Es gibt in der Pornographie genauso viel Dreck und Schund wie in allen anderen Kunstrichtungen auch.

Dein Stage-Name “Stoya” lässt darauf schließen, dass du Wurzeln am Balkan hast. Welche Verbindung hast du zu dieser Region?
Meine Urgroßeltern wanderten zwischen den Weltkriegen von Svilajnac in die USA aus. Und mein Künstlername ist der Deminutiv des Mädchennamens meiner Großmutter. Da ich die dritte Generation bin, ist leider vieles meiner serbischen Wurzeln verloren gegangen. Vor allem auch angesichts der Tatsache, dass die USA ein Problem mit Menschen hat, die anders sind. Heute haben wir diesen Mega-Rassismus gegenüber Muslimen und damals, als meine Vorfahren eingewandert sind, war es nicht anders. Allerdings vergessen die Amerikaner nur zu gerne, dass sie und ihre Nation durch Migration erst entstanden ist.

Sprichst du eigentlich Serbisch?
Die meisten sprechen Englisch mit mir und wissen eigentlich, dass in den USA aufgewachsen. Ich versuche schon hier und da Serbisch zu sprechen, allerdings habe nur Grundkurse besucht und meine Kenntnisse sind eher mäßig. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob ich die Sprache jemals wirklich lernen kann. Ich kann selbstverständlich die wichtigsten Phrasen, wie „Drago mi je“ („Es freut mich“) und ähnliches, aber wenn mein Gegenüber dann auf Serbisch loslegt, komme ich gar nicht mehr hinterher. Ich versuche es dann immer mit „sporije, molim“ („langsamer, bitte“), aber das hilft auch meistens nichts und wir switchen auf Englisch.

Du hast sehr viel in Serbien gedreht. Hast du auch den Geburtsort deiner Vorfahren besucht?
Ja, das war eine sehr aufregende Erfahrung für mich. Vergangenen Dezember bin ich mit meinem Freund Jovan nach Svilajnac gefahren. Dank einiger Briefe, die meine Urgroßmutter von ihren Freunden bekommen hat und ähnliches, konnten wir die Adresse des Hauses meiner Familie herausfinden. Anscheinend wuchsen mein Urgroßvater und meine Urgroßmutter in der unmittelbaren Nachbarschaft auf. Die früheren Häuser meiner Familie sahen verlassen aus, weshalb ich mich nicht getraut habe, anzuklopfen. Aber wir sprachen zu den Nachbarn und diese erzählten uns, dass es heute keine lebenden Verwandten mehr in der Stadt gibt. Wir wollten auch herausfinden, welche Slava meine Familie gefeiert hat. Dies hat sich jedoch als nicht besonders einfach herausgestellt und weder der derzeit tätige Priester des Ortes, noch sein Vorgänger konnten uns weiterhelfen. Daher werde ich vielleicht einen Aufruf im Facebook starten, um herauszufinden, welche Slava die Stojadinovićs aus Sviljanac feierten.

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„Auch wenn „Ederlezi Rising“ über viel Surrealismus und total abgedrehte und wunderschöne Bilder verfügt, so liegt der Hauptfokus auf der Frage, was eine Person überhaupt zu einer Person macht und wie künstliche Intelligenz da hineinspielt.“ (FOTO: zVg.)

Welche Dinge am Balkan haben den größten sowohl positiven als auch negativen Eindruck bei dir hinterlassen?
Was mir auf jeden Fall positiv in Erinnerung bleibt ist, dass ich am Balkan eine viel größere Freiheit, Sicherheit und Autonomie verspürte habe. Ich musste nicht darüber nachdenken, ob ich geschminkt aus dem Haus gehe, oder ob mich jemand ungewollt anquatschen wird. Ich denke oftmals darüber nach, was ich am Balkan getan oder erlebt habe und was ich hier in New York auch umsetzen kann. Außerdem muss ich sagen, dass ich eine ziemlich große Verbindung zu Serbien verspüre, auch wenn ich bis dato nicht viel Kontakt mit dem Land hatte. Als ich meinen ersten Schritt in Serbien gemacht habe, dachte ich nur „Wow, das ist ein Fenster zu einer ganz neuen persönlichen Erfahrung.“ Ich habe dank meiner Aufenthalte am Balkan auch gelernt, Nationalismus besser zu verstehen und weshalb Orte für Menschen so große Wichtigkeit haben. Und die zerstörerischen Folgen von Nationalismus sind auch bis heute noch überall am Balkan zu sehen…