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MEIN SCHICKSAL

Zeliha Cicek: Mein Kampf gegen Diskriminierung

(Foto: KOSMO)

Sie ist eine charmante Dame, sieht sehr ansprechend aus, ist gebildet, selbstbewusst und emotional und besitzt einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Hinter ihr liegt sowohl privat wie auch beruflich ein schwerer Weg. In der Hoffnung, dass ihre Geschichte anderen Frauen helfen kann, hat sie uns ihr Herz geöffnet.

Zeliha Çiçek ist Österreicherin türkischer Herkunft. Sie ist 46 Jahre alt, ausgebildete Islampädagogin und Mutter dreier Kinder. Sie strahlt Lebensfreude aus, obwohl ihre Lebensgeschichte eher traumatisch ist. Hier das Gespräch, das wir in der KOSMO-Redaktion mit ihr geführt haben.

KOSMO: Wie war Ihre Kindheit?

Zeliha Cicek: „Meine Eltern sind in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts aus Anatolien (Türkei) nach Wien gekommen, wo ich geboren wurde. Aufgewachsen bin ich wie alle anderen österreichischen Kinder. Meine früheste Kindheit verlief ungetrübt, ich habe mit meinen Brüdern und den anderen Kindern aus der Nachbarschaft gespielt. Wir kannten uns alle und ich habe mich in keiner Weise anders gefühlt als die anderen Kinder. Ich bin in die Schule gegangen und habe gerne Sport gemacht. Vor allem bin ich gerne in der Donau geschwommen, während meine Brüder lieber Fußball spielten. Ich trug gerne Verantwortung, darum habe ich oft, wenn meine Eltern in der Arbeit waren, auf die jüngeren Kinder aufgepasst, wie es damals normal war. Ich kann sagen, dass mein Leben, bis ich 12 war, wirklich glücklich war.“

Was hat sich dann verändert?

Zeliha Cicek: „Alles hat sich verändert, als mein Vater, der damals 40 war, begonnen hat, regelmäßig eine Moschee im 16. Bezirk aufzusuchen, wo er sich sehr schnell religiös radikalisierte. Das ging so weit, dass ihm nur noch wichtig war, was der Imam predigte. Mit zwölf Jahren musste ich anfangen, Kopftuch zu tragen, was eine Seltenheit war, vor allem bei Mädchen. In unserer großen Familie in Wien war ich das erste Mädchen mit Kopftuch. Auf einmal wurde mir das Schwimmen verboten, meine Brüder durften nicht mehr Fußball spielen, alles, was normal gewesen war, wurde plötzlich verboten (Haram). Wir Kinder mussten regelmäßig beten gehen, was mich nicht glücklich machte, aber ich begriff, dass ich nichts ändern konnte.“

,,In unserer großen Familie in Wien war ich das erste Mädchen mit Kopftuch. Auf einmal wurde mir das Schwimmen verboten, meine Brüder durften nicht mehr Fußball spielen, alles, was normal gewesen war, wurde plötzlich verboten (Haram).“, so Zeliha.

Was hat sich damals in Ihrem Leben noch verändert?

Zeliha Cicek: „Ich war erst 14 Jahre alt, als man mich mit einem Verwandten verlobte. Mit 16 war ich verheiratet und mit 18 wurde ich Mutter. Aufgrund der religiösen Erklärungen, die man mir als allein richtig aufzwang, glaubte ich, es müsse so sein, und fand mich mit meinem Schicksal ab. Ich liebte meinen Mann nicht, aber ich hatte drei Kinder und damit war mein Leben endgültig definiert und unveränderlich.

Mein Sohn, der heute 28 Jahre alt ist, meine Tochter, die 22 ist, und mein jüngster Sohn, der erst 15 ist, waren für mich das Zentrum der Welt und der Grund meiner Existenz. Tief in meinem Inneren war ich nicht glücklich, aber der Imam sagte, dass Frauen auf die Welt kämen, um unglücklich zu sein. Ich schwieg unterwürfig.“

Aber Sie haben dennoch Ihre Ausbildung weitergemacht.

Zeliha Cicek: „Ja. Ich bin der islamischen Milli Görüs-Bewegung beigetreten und habe mich später im Islamischen Institut Österreich, einer Einrichtung für Frauen, eingeschrieben und dort vier Jahre lang in türkischer Sprache Theologie studiert. Nach Abschluss des Studiums unterrichtete ich in dieser Schule ein Jahr lang politische Bildung.

;;Ich liebte meine Arbeit in der Schule und in der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ)“ (Foto: zVg.)

Anschließend wurde ich Lehrerin der islamischen Religion in einer Wiener Schule. Die Ausbildung zur Religionspädagogin, die drei Jahre dauerte, setzte ich in deutscher Sprache fort. Ich liebte meine Arbeit in der Schule und in der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) genoss ich großes Vertrauen des Leiters. Ohne Übertreibung kann ich sagen, dass ich zur Elite gehörte, denn ich war als Frau in allem ein Vorbild. In dieser Zeit war ich in 32 Gebetsorten in der Organisation der Frauen engagiert.

Ich war jung und betrachtete die Welt um mich herum mit offenen Augen, und schon damals wurde mir bewusst, was der politische Islam für Frauen bedeutet. Dennoch wich ich von den bestehenden Regeln nicht ab, denn ich war überzeugt, dass man sein Schicksal akzeptieren müsse. Bei allem, was nicht logisch war und den allgemein akzeptierten gesellschaftlichen Regeln Österreichs widersprach, wurde betont, dass wir das für Allah täten. Ich war sehr unglücklich und ich betete jeden Abend zu Allah mit dem einen Gedanken – ich möchte sterben!“

Wann hat sich Ihre Einstellung zu Ihrer Umgebung zu verändern begonnen?

Zeliha Cicek: „Langsam wurde mir bewusst, dass ich das, was ich meinem Auftrag gemäß in Allahs Namen verbreitete und predigte, nicht mehr vertreten konnte. Die Hände waren mir gebunden, denn alle behaupteten, dass Allah das von mir forderte, aber ich erfuhr später, dass das nicht stimmte. Ich brach zusammen, aber doch war es ein Glück, dass ich die Wahrheit erfuhr.

Den ersten Schnitt setzte ich, als ich entschied, mich nach 19 Jahren schlechter Ehe, in die ich zwangsweise geraten war und der die Liebe fehlte, scheiden zu lassen.

Dass ich in dieser Gemeinschaft drei Kinder bekommen hatte, konnte mich nicht hindern, diese Entscheidung zu treffen und einen Schlussstrich unter diesen Teil meines Lebens zu ziehen. Meine Umgebung betrachtete mich deswegen mit weniger Achtung, denn ich hatte es gewagt, Mut zu zeigen und meinen Kopf zu heben. Jeder meiner Schritte wurde ab da genau beobachtet und man suchte bei mir ständig nach Fehlern.“

,,Den ersten Schnitt setzte ich, als ich entschied, mich nach 19 Jahren schlechter Ehe, in die ich zwangsweise geraten war und der die Liebe fehlte, scheiden zu lassen.“, erzählt Zeliha.

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