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MEIN SCHICKSAL

Zeliha Cicek: Mein Kampf gegen Diskriminierung

Wann und warum begannen Ihre großen Probleme?

Zeliha Cicek: „Ich habe mich verändert. Das war ein langer und nicht gerader leichter Weg, aber ich wurde selbstbewusst und selbstständig. 2016 gründete ich eine Flüchtlingshilfsorganisation. Ich musste viel arbeiten. Ich hatte einen einjährigen Vertrag als Religionslehrerin, denn die Islamische Glaubensgemeinschaft verweigerte mir einen unbefristeten Vertrag, mit dem ich als alleinerziehende Mutter mehr Geld hätte verdienen und meine Kinder hätte ernähren können.

Die Existenz meiner Familie war gefährdet, aber der Grund dafür war mir nicht klar. Denn als ich die Hilfsorganisation für Flüchtlinge gründete, arbeitete ich mit jungen Menschen aus Syrien und Afghanistan zusammen, die mit der ersten Flüchtlingswelle nach Österreich gekommen waren. Sie waren sehr lieb, aber die jungen Afghanen brachten aufgrund der dortigen Taliban und ihrer Politik die Einstellung mit, dass man Frauen mit einem Kopftuch keine Achtung entgegenbringen müsse. Ich musste 14 junge Männer organisieren, die sich um sie kümmerten, denn mich nahmen sie mit meinem Kopftuch nicht ernst. Alles wurde anders, als ich ohne Kopftuch zu ihnen kam, obwohl ich wusste, dass ich Probleme mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft bekommen würde. Meine Ängste erwiesen sich als begründet.“

Wurden Sie wegen des Kopftuchs diskriminiert?

Zeliha Cicek: ,,In dieser Zeit ging ich zu Meetings mit Menschen, die ebenfalls mit Flüchtlingen arbeiteten, und zwischen Hunderten von Ihnen war ich die einzige Frau mit Kopftuch. Niemand brachte mir Respekt entgegen. Ich erhielt nur Instruktionen, die die Regierung gab, ohne weitere Kommunikation.

Auf der anderen Seite erlebst du, wenn du als Muslimin in Österreich Geschäftsfrau sein willst, Diskriminierung von den Mitgliedern deiner eigenen Gemeinschaft, denn der Platz einer Frau mit Kopftuch ist bei den Kindern und in der Küche und du hast einfach kein Stimmrecht. Ab dem Moment, in dem ich mein Kopftuch abnahm, wurde alles anders. Ich stellte fest, dass mich die Menschen achteten, aber mit der IGGÖ bekam ich ernsthafte Probleme.“

,,Auf der anderen Seite erlebst du, wenn du als Muslimin in Österreich Geschäftsfrau sein willst, Diskriminierung von den Mitgliedern deiner eigenen Gemeinschaft, denn der Platz einer Frau mit Kopftuch ist bei den Kindern und in der Küche und du hast einfach kein Stimmrecht. Ab dem Moment, in dem ich mein Kopftuch abnahm, wurde alles anders.“, so Zeliha.

Wie äußerten sich diese Probleme?

Zeliha Cicek: „Damals war meine finanzielle Situation sehr schwer, denn ich schickte Geld an meinen Sohn, der in der Türkei studierte. Meine Tochter maturierte und der jüngste Sohn ging in die Schule. Im September, gerade vor Beginn des neuen Schuljahres, lud mich die IGGÖ zu einer Konferenz der Religionslehrer ein. Der Inspektor sagte, dass ich bis zum Ende bleiben sollte, was nichts Gutes verhieß. Es stellte sich heraus, dass ich damit richtiglag, denn mir wurde gesagt, man hätte Fotos von mir. Ich war überrascht und wusste nicht, was das bedeutete. Aber es ging um private Fotos von meiner Arbeit in der Flüchtlingsorganisation, auf denen ich ohne Kopftuch zu sehen war.

Natürlich sagte ich vor den vier Inspektoren, was der Grund war, und dass ich überhaupt nicht gedacht hätte, dass ich etwas Falsches tat. Sie jedoch betonten, dass ich ein Vorbild sein müsse, was bedeutete, dass ich das Kopftuch tragen müsse. Sie drohten mir, und ich war verzweifelt, dass man mich zu einer schlechten Frau, schlechten Lehrerin und zu einem schlechten Beispiel für die Jugendlichen erklärte, und das alles wegen des Kopftuchs. Sie wollten nicht sehen, wie ich für meine Kinder kämpfte, dass ich meine Arbeit in der Schule gut machte, dass ich Flüchtlingen half…

,,Erst als ich zusagte, dass Kopftuch privat wieder zu tragen, durfte ich in Wien weiterunterrichten.“ (Foto: zVg.)

Alles das war unwichtig für diejenigen, die die Entscheidungen treffen! Als Disziplinarmaßnahme wurde beschossen, dass ich in Zukunft in Niederösterreich Religion unterrichten sollte, und ich fühlte mich erniedrigt. Erst als ich zusagte, dass Kopftuch privat wieder zu tragen, durfte ich in Wien weiterunterrichten. Ich als Frau, Mutter, Lehrerin, geborene Österreicherin mit abgeschlossenem Studium… Die Macht über mein Leben hatte die Islamische Glaubensgemeinschaft.“

,,Sie jedoch betonten, dass ich ein Vorbild sein müsse, was bedeutete, dass ich das Kopftuch tragen müsse. Sie drohten mir, und ich war verzweifelt, dass man mich zu einer schlechten Frau, schlechten Lehrerin und zu einem schlechten Beispiel für die Jugendlichen erklärte, und das alles wegen des Kopftuchs.“

Sind Sie sich selber treu geblieben?

Zeliha Cicek: „Ich bemühte mich, möglichst wenig sichtbar zu sein. Ich war nicht in den sozialen Netzwerken und versteckte mich tatsächlich vor allen Blicken. Aber privat trug ich das Kopftuch nicht. Wenn ich in die Schule fuhr, setzte ich mir das Kopftuch im Auto auf und ging in den Klassenraum. Natürlich wurde das alles protokolliert, und das Gespräch mit den Inspektoren zu Beginn des folgenden Schuljahrs war viel schwerer, erniedrigender. Der Inspektor sagte mir sehr heftige Worte. Das Schlimmste für mich war aber, dass meine damals 16-jährige Tochter, die ebenfalls das Kopftuch abgenommen hatte, sehr litt.  

Ich kann alle Ungerechtigkeiten und Beleidigungen ertragen, denen ich ausgesetzt bin, aber was meinem Kind angetan wurde, traf mich wirklich. Zudem hatte sie mir davon nichts gesagt, um mir zusätzlichen Stress zu ersparen. Ich bemerkte, dass sie sich immer mehr zurückzog, aber ich hatte das auf ihr Alter geschoben und nicht geahnt, was ihr passiert war. Meine Tochter war in einem schrecklichen Zustand, als sie mir erzählte, wie  schlecht sie behandelt wurde, weil sie das Kopftuch nicht mehr trug, das man ihr aufgezwungen hatte, als sie sechs war! Und stellen Sie sich vor, das passierte in einer öffentlichen Schule in Wien, einer Stadt, die sich ihrer Multikulturalität und Freiheit rühmt! Wieder wurde mir die Tatsache bewusst, dass die Frau im politischen Islam ohnmächtig ist gegenüber rüden Männern.“

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