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Katastrophenwarnung

Istanbul auf tickender Zeitbombe – Experten rechnen mit 7,4-Beben

Erdbeeben Instanbul
(FOTO: iStock)

Unter Istanbul braut sich eine seismische Katastrophe zusammen. Experten warnen vor einem Beben der Stärke 7,4 – mit verheerenden Folgen für die Millionenmetropole am Bosporus.

Nach den jüngsten Erderschütterungen in der Region Istanbul, die über 359 Menschen verletzten – deutlich mehr als zunächst angenommen – warnen Wissenschaftler vor einem weitaus gefährlicheren seismischen Ereignis. Der Geophysiker Marco Bohnhoff vom Potsdamer GFZ Helmholtz-Zentrum prognostiziert ein mögliches Beben der Stärke 7,4, das erhebliche Verwüstungen anrichten könnte. Die bisherigen Erschütterungen erreichten maximal 6,2 auf der Richterskala.

Ein Beben der vorhergesagten Intensität würde die bisherigen Erschütterungen um das 60-fache übertreffen und sich in unmittelbarer Nähe zur Metropole ereignen. In türkischen Medien äußern sich einige Experten sogar noch pessimistischer und rechnen mit einer Magnitude von 7,7. Trotz jahrzehntelanger Warnungen gilt die 16-Millionen-Einwohner-Stadt am Bosporus nach wie vor nicht als erdbebensicher.

Eine Untersuchung der Istanbuler Stadtverwaltung kommt zu dem Schluss, dass bei einem Beben der Stärke 7,5 etwa 14.500 Todesopfer zu beklagen wären. Andere Fachleute rechnen mit deutlich höheren Opferzahlen – manche befürchten sogar hunderttausende Tote.

Geologische Gefahrenzone

Die Region am Marmarameer zählt laut GFZ zu den geologisch gefährlichsten Zonen weltweit. Hier verläuft die nordanatolische Verwerfung – ein unterirdischer Gesteinsriss, der sich über mehr als 1.000 Kilometer vom östlichen Teil der Türkei bis in den Westen erstreckt. Diese Verwerfungslinie markiert die Grenze zwischen der Anatolischen und der Eurasischen Erdplatte.

Besonders kritisch: Im Abschnitt unter dem Marmarameer südlich von Istanbul hat sich seit über 250 Jahren kein starkes Erdbeben mehr ereignet. Dadurch hat sich dort besonders viel Energie angesammelt, wie Bohnhoff erläutert. „Diese Energie wird sich in absehbarer Zukunft in Form eines noch stärkeren Bebens der Magnitude bis zu 7.4 entladen.“

Erhöhtes Risiko

Die Erderschütterungen vom Mittwoch haben die Wahrscheinlichkeit eines solchen Starkbebens weiter erhöht, da sie einen Übergangsbereich der bereits kritisch belasteten Verwerfung unterhalb Istanbuls aktiviert haben. Zudem hat sich das Epizentrum im Vergleich zum letzten größeren Beben von 2019 näher in Richtung Istanbul verlagert.

Während die Verwerfung westlich des aktuellen Bebens laut Bohnhoff „still und leise“ weiterkriecht, ist sie östlich in Richtung Istanbul blockiert – was zu einer noch stärkeren Energiespeicherung im Untergrund führt.

„Dennoch bleibt eine Aussage über den genauen Zeitpunkt eines solchen Starkbebens unmöglich nach heutigem Stand der Wissenschaft.“

Unzureichender Katastrophenschutz

Das türkische Städtebauministerium bestätigt, dass etwa 1,5 Millionen Gebäude in Istanbul als erdbebengefährdet eingestuft sind. Trotz dieser alarmierenden Zahlen hat die Stadtverwaltung bisher nur unzureichende Schutzmaßnahmen umgesetzt, obwohl Experten seit Jahren auf die Dringlichkeit hinweisen.

Der renommierte türkische Geologe Celâl Şengör von der Technischen Universität Istanbul hat nach den jüngsten Beben sogar öffentlich dazu geraten, „Istanbul zu verlassen“. Diese drastische Warnung löste in der Bevölkerung große Verunsicherung aus und führte zu spontanen Abreisewellen aus der Metropole. Angesichts der geologischen Realität und der mangelhaften Bausubstanz vieler Gebäude erscheint diese Reaktion für viele Bewohner als einzige Möglichkeit, sich vor der drohenden Katastrophe zu schützen.