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KOALITIONS-KRISE?

Keine Aufnahme von Moria-Kindern: Werden Grüne dem ÖVP-Kurs folgen?

(FOTOS: Drago Palavra; Facebook/Werner Kogler)

Die NEOS bringen im heutigen Nationalrat einen Antrag zur Aufnahme von Kindern aus dem abgebrannten griechischen Lager Moria ein. Dieser droht jedoch die Koalition zu spalten.

In der heutigen Sondersitzung des Nationalrats bringen die NEOS gleich zwei Entschließungsanträge aufs Tapet, in denen gefordert wird, sich an einer europäischen Verteilaktion zu beteiligen. Die Grünen wollen ebenfalls, dass minderjährige Flüchtlinge aus dem Lager auf der Insel Lesbos nach Österreich kommen, während die ÖVP das strikt ablehnt.

Bei der heutigen Abstimmung wird sich zeigen, ob sich die gesamte Fraktion der Grünen aus Koalitionsräson zu einer Ablehnung durchringt – und damit gegen ihre Überzeugung stimmt. Dass sich der ganze Klub dem Antrag anschließt, gilt als sehr unwahrscheinlich, gibt es doch im Vorhinein bereits starke Kritik an der ÖVP-Linie.

Kurz gegen Aufnahme und für Vor-Ort-Hilfe
Am Sonntagabend machte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) seine Haltung noch einmal unmissverständlich klar: Österreich wird keine Flüchtlinge aus dem abgebrannten Lager Moria aufnehmen – auch keine unbegleiteten Kinder, so der Kanzler im „ZIB 2“-Interview. „Wenn wir diesem Druck nachgeben, riskieren wir, dass wir dieselben Fehler wie 2015 machen“, sagte Kurz. Er könne das nicht mit seinem Gewissen vereinbaren.

Stattdessen setzt man auf Hilfe an Ort und Stelle: Die Regierung hat bereits eine Aufstockung der Hilfsgelder auf 50 Mio. Euro vereinbart und will Flüchtlingsunterkünfte, Hygienepakete sowie medizinisches Personal zur Verfügung stellen. Der Streit um die Aufnahme von Flüchtlingen geht aber weiter.

Maurer (Grüne): „Wir beißen auf Granit“
Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer hielt sich mit ihrer Kritik am türkisen Regierungspartner nicht zurück. Die ÖVP habe in dieser Frage die Mitte verloren, so Maurer. Selbstverständlich müsse man dafür sorgen, dass die Situation in Griechenland verbessert wird, was aber nicht dagegen spreche, unbegleitete Minderjährige aufzunehmen. Maurer verwies auf diverse ÖVP-Bürgermeister, die bereit wären, Flüchtlinge aufzunehmen. Kurz blockiere dies aber, so Maurer: „Wir beißen hier auf Granit.“

Auch die Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) kritisierte in ihrer Wahlkampfrede den türkisen Kurs stark: „Mir reicht diese Diskussion an Unmenschlichkeit. Wir führen diese Debatte, weil wir Wiener Wahlkampf haben. Der türkisen Partei ist es wichtiger, 100 Stimmen von der FPÖ zu bekommen als 100 Kinder zu retten“, sagte Hebein unter großem Applaus der anwesenden grünen Funktionäre.

„Wenn wir dafür stimmen, begehen wir Koalitionsbruch“
Der grüne Parlamentsklub werde aber dennoch nicht mit etwaigen SPÖ- und NEOS-Entschließungsanträgen stimmen. „Wenn wir dafür stimmen, begehen wir Koalitionsbruch“, so Grünen-Klubobfrau Maurer. Von der ÖVP habe man weiters „unmissverständliche Signale“ empfangen, dass sie in diesem Fall einem bereits angekündigten FPÖ-Antrag zustimmen würde, der die Aufnahme ausschließen will. Und dieser Antrag hätte somit eine Mehrheit.

Edtstadler verteidigte Hilfe vor Ort
Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) verteidigte indes den Ansatz der Hilfe vor Ort. Sie wollte nicht bestätigen, dass die ÖVP angedroht habe, mit der FPÖ zu stimmen. Sie sei aber auch nicht Teil des ÖVP-Parlamentsklubs. Sonst verteidigte sie den von der ÖVP forcierten Ansatz der Hilfe vor Ort.

Parteichef Werner Kogler antwortete unterdessen am Wochenende auf die Frage hin, ob er denn „Bauchweh“ dabei habe, gegen diesen Antrag zu stimmen, pragmatisch: „Wenn ich mir vorstellen würde, was blau-türkis im Flüchtlingsbereich beschließen könnte, ist mir dieser Zugang noch lieber.“

Anschober sieht keine Koalitionskrise
Gesundheits- und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) besänftigt unterdessen nach den jüngsten Reibereien in der türkis-grünen Koalition wegen der Aufnahme von Flüchtlingen aus dem abgebrannten griechischen Lager Moria. Es gebe keine Koalitionskrise, so Anschober in der ORF-„Pressestunde“. Die Lieferung der 400 Unterkünfte und der Ausbau der „Krisenhilfe vor Ort“ seien erste „Teilerfolge“, so Anschober.

Es sei „extrem wichtig“, „Hilfe vor Ort“ zum Schwerpunkt zu machen. Wie sich der grüne Parlamentsklub bei einem etwaigen Antrag für eine Aufnahme von Flüchtlingen im Parlament verhalten und ob man womöglich die ÖVP überstimmen werde, konnte Anschober nicht sagen. Der Parlamentsklub werde das beraten, das sei die Entscheidung des Klubs, so der Gesundheitsminister.

Lage auf Lesbos weiter angespannt
Unterdessen blieb die Lage auf der griechischen Insel Lesbos auch nach Öffnung erster Ersatzunterkünfte angespannt. Die griechische Regierung schickte am Sonntag weitere Polizeieinheiten sowie gepanzerte Geländefahrzeuge auf die Insel. Mehr als 300 Menschen konnten ein provisorisch errichtetes Zeltlager beziehen. Viele wehren sich verzweifelt dagegen, erneut in ein Lager gebracht zu werden. Unter den mehr als 12.000 Menschen, die seit dem Großbrand am Mittwoch im Flüchtlingslager obdachlos sind, finden sich zahlreiche Familien mit Tausenden Minderjährigen.