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SUCHT

Die überaus ernsten Folgen einer Abhängigkeit

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EINTEILUNG: Die erste Gruppe, die weitaus umfangreicher ist als die zweite und die wir Ihnen in dieser Ausgabe von KOSMO vorstellen, umfasst die Abhängigkeit von Substanzen, d.h. von Mitteln, die auf verschiedene Weise konsumiert werden können.

Die Entstehung von Suchterkrankungen ist häufig mit Problemen des modernen Menschen verbunden. Allerdings besteht Abhängigkeit in unserer Zivilisation schon seit Jahrhunderten, nur dass die Gesellschaft heute aufgeklärter ist und viel bewusster mit diesen Erkrankungen umgeht. Der Prävention und der Erforschung von Behandlungsmethoden wird viel Aufmerksamkeit gewidmet, da es in erster Linie junge Menschen sind, die diesen Krankheiten zum Opfer fallen. Über grundlegende Richtlinien mit Bezug auf Suchterkrankungen sprach KOSMO mit Dr. Vesna Budić Spasić, Ärztin für Allgemeinmedizin in Wien.

KOSMO: Ist Abhängigkeit wirklich eine Krankheit oder handelt es sich um ein Laster?
Dr. Budić Spasić: Im Grunde entsteht Abhängigkeit durch eine Funktionsstörung der Gehirnregionen, die für das Belohnungsgefühl zuständig sind. Abhängigkeit ist kein Zeichen eines schlechten Charakters, sondern eine Krankheit, die auf dem Niveau des Gehirns nachgewiesen werden kann. Der erste Kontakt entsteht, wenn die Zentren im Gehirn ein Gefühl von Unzufriedenheit, Besorgnis oder Anspannung registrieren, das durch das Lebensumfeld des Menschen ausgelöst wird. Der zukünftige Suchtkranke vertraut sein Problem am ehesten den Personen an, die ihn umgeben. Diese wiederum antworten oder raten ihm häufig, erst einmal ein Gläschen zu trinken oder sich eine Zigarette anzuzünden. Diesen ersten Kontakt registriert das Gehirn, selbst wenn er äußerst unangenehm war, als Belohnung und er wird zum Trigger für die Entwicklung der Erkrankung.

Welche Arten von Abhängig sind am häufigsten bzw. am schwersten?
An erster Stelle steht weltweit das Nikotin gefolgt von Alkohol, dann kommen Medikamente, Genussmittel und am Ende der Pyramide verschiedene Drogen, d.h. Narkotika, die die schwerste Form der Abhängigkeit darstellen, denn der Weg zur Genesung ist lang und schwer.

Achtung. Achtet bei euren Kindern darauf, ob sie die Schule schwänzen.

Was haben Personen gemeinsam, die unter einer Abhängigkeit leiden?
Gemeinsam haben sie Folgendes:
• Einen schrecklichen Drang zum Konsumieren, dem sie sich nicht widersetzen können.
• Den Verlust der Kontrolle über die Menge und Häufigkeit der Anwendung.
• Erhöhte Toleranzen und Konsum immer größerer Mengen.
• Vernachlässigung anderer Dinge im Leben und vollkommene Konzentration darauf, das Objekt des Genusses zu beschaffen.
• Angst vor dem Entzug, d.h. vor dem schlechten Zustand, wenn sie die Substanz nicht bekommen.
• Angst vor einer Veränderung der Gewohnheit und der Routine, die sie sich angeeignet haben.
• Kontinuierlicher Konsum, unabhängig von den Folgen für Leben und Gesundheit, die bereits eingetreten sind.

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Abhängigkeiten resultieren häufig daraus, dass gleich mehrere Drogen miteinander kombiniert werden. (FOTO: iStockphoto)

In welchem Alter beginnt eine Abhängigkeit meistens?
Ein gemeinsames Charakteristikum der Suchtkrankheiten ist ihr Beginn in der Jugend oder sogar schon in der Pubertät. Zur Prävention ist wichtig, dass die Erreichbarkeit des Suchtmittels verhindert wird und dass man jeden Schritt der jungen Leute beobachtet. Von unschätzbarer Wichtigkeit ist, dass die Familien und die Bildungseinrichtungen gut informiert sind. Dass wir uns richtig verstehen: Auch Probleme in der Familie können zum unmittelbaren Auslöser werden, dass jemand in eine Suchterkrankung hineingerät. Wenn ein Teenager mit täglichen Streitereien konfrontiert ist oder sogar mit häuslicher Gewalt, wird er leicht in eine Sphäre abgleiten, die ihm zuerst scheinbare Erleichterung bringt. Eine dysfunktionale Familie wird sein Problem nicht rechtzeitig erkennen, was die Behandlung später erschwert. Eine Suchterkrankung kann aber auch zu Problemen in der Familie führen, die, vom Kampf erschöpft, geschwächt wird.

Welche Symptome sollten Eltern als Alarmsignale sehen?
Zuerst sollte man auf Fehlzeiten in der Schule achten. Das ist kein gesundheitliches Symptom, aber es ist ein sehr verdächtiger Indikator. Der Absturz in die Tiefen ernsterer Probleme, d.h. von Suchterkrankungen, geht schneller, als man meint.

Clean zu werden ist nicht einfach, da der Prozess sowohl psychische als auch physische Folgen hat.

Bleiben Suchtkranke bei einer einzigen Substanz?
Abhängigkeiten sind sehr häufig miteinander verbunden. Die Abhängigen, die Nikotin rauchen, lassen sich leicht auch auf „Gras“ bzw. Marihuana ein, Alkohol wird oft mit Beruhigungstabletten kombiniert und bei denjenigen, die ernsthaft von harten Drogen abhängig sind, sind alle Kombinationen möglich. Die schädliche Wirkung der einzelnen Substanzen sowie ihre Kombinationen haben einen kumulativen Effekt. Das heißt, dass die Folgen für den Organismus mit der Zeit immer ernster und die Behandlung immer schwerer wird.

Welche Erkrankungen treten als Folge von Abhängigkeiten auf?
Die Folgeerkrankungen, die sogar zum Tode des Patienten führen können, sind zahlreich: Infektionen, Schwächung des Immunsystems, Tumore, Organversagen, Überdosierung und Aspiration mit Erstickung, psychische Störungen und Halluzinationen, die zu Selbstmord führen können.

Wie kann das Gesundheitssystem bei der Behandlung helfen?
Das Gesundheitssystem bemüht sich, die Abhängigen einer umfassenden Therapie zu unterziehen, vor allem einer Entwöhnung von den schädlichen Substanzen, der Behandlung organischer Erkrankungen, die durch die Abhängigkeit ausgelöst werden, einer psychologischen Stabilisierung und der Integration in das soziale System. Der Weg zum Erfolg ist nicht leicht, denn Sucht hat eine sehr starke psychische und organische Komponente. Die Psyche und der Körper widersetzen sich dem Entzug des Genussmittels. Das alles führt zum gesundheitlichen, beruflichen, sozialen und emotionalen Verfall des Suchtkranken. Das größte Problem ist, dass im Gehirn immer die Erinnerung bestehen bleibt, denn der menschliche Organismus vergisst genetisch bedingt nichts, mit dem er im Kontakt war. Aus diesem Grund ist der Prozentsatz von Rückfällen, d.h. Rezidiven, sehr groß und es ist unmöglich, sie vorherzusehen und zu verhindern.

An wen können sich Eltern um Hilfe wenden?
Wenn die Kinder noch minderjährig sind, ist die erste Adresse der Schulpsychologe oder die Organisation „Dialog“, die fachkundige Hilfe anbietet. In diesem Alter müssen die Kinder mitwirken, denn andernfalls übernimmt das Jugendamt die Aufsicht über sie. Bei volljährigen Personen hängt alles von ihrem Willen ab. Zur Behandlung gezwungen sind sie nur, wenn sie straffällig geworden sind. In diesem Fall werden sie in einer Behandlungseinrichtung aufgenommen. Aber egal, welche Richtung es nimmt: Am Ende liegt alles an der Familie, die am meisten leidet. Natürlich hat sie alleine keine Macht, das Problem zu lösen, daher müssen Ärzte für eine Substitution und zur Behandlung der Folgeerkrankungen hinzugezogen werden, sowie auch soziale Dienste, die helfen, den Patienten wieder in ein normales Leben zu integrieren.

Vera Marjnaovic
Meine Berufung zur Journalistin entdeckte ich bereits als Sechzehnjährige während meiner Gymnasialzeit in Montenegro. Diesem Berufszweig bin ich seither treu geblieben. Nach meiner Ankunft in Wien widmete ich mich der Arbeit mit Mitgliedern der BKS-Gemeinschaft, wodurch ich tiefgreifende Einblicke in die Lebensgeschichten und sowohl die Triumphe als auch die Herausforderungen verschiedener Generationen gewann. Diese vielfältige Palette an Persönlichkeiten prägte meinen journalistischen Weg und festigte mein Engagement für soziale Themen.