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INTERVIEW

Anderl: „Kündigungen sind für Firmen teurer als das Kurzarbeitsmodell“

Renate Anderl (FOTO: Sebastian Philipp)

Wie gut funktioniert das Kurzarbeitsmodell in der Praxis? Welche Rechte haben Arbeitnehmer, die ihren Job verloren haben? Diese und weitere mit der Corona-Krise verbundene Fragen haben wir der Präsidentin der Bundesarbeiterkammer Renate Anderl gestellt.

KOSMO: Sie und Arbeiterkammer appellieren stets an die Unternehmen, das Kurzarbeitsmodell anzuwenden und somit einer Entlassung der ArbeitnehmerInnen vorzubeugen. Gibt es schon Zahlen dazu, wie viele ArbeitnehmerInnen sich nun in der Kurzarbeit befinden und wie gut funktioniert das System in der Praxis eigentlich?
Renate Anderl: Die Kurzarbeit ist ein sehr gutes Instrument, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Das Modell, das die AK mit den anderen Sozialpartnern jetzt extra für die Corona-Krise entwickelt hat, ist sehr flexibel und für alle Betriebe geeignet – kleine Friseure bis große Industriebetriebe. Es gibt jetzt überhaupt keinen Grund, Menschen zu kündigen. Die Zahl der Kurzarbeitsvereinbarungen steigt ständig – und das ist auch gut so, denn das heißt, dass diese Beschäftigten nicht gekündigt werden. Mitte April hat es von fast 43.000 Firmen Anträge gegeben.

Trotz der Möglichkeit, das Kurzarbeitsmodell in Anspruch zu nehmen, entlassen viele Unternehmen immer noch ihre Arbeitnehmer und beantragen die Kurzarbeit nicht. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Welche Bereiche/Themen sorgen derzeit für die größten Sorgen bzw. Verwirrungen?
Ja, der Anstieg der Arbeitslosigkeit ist wirklich besorgniserregend, und das betrifft nicht nur bestimmte Branchen, sondern geht quer durch. Die Gründe kann ich nicht ganz verstehen – denn bei der Kurzarbeit bekommen Betriebe einen großen Teil der Kosten ersetzt, bei Kündigungen müssen sie Fristen einhalten und sozusagen auch in die Tasche greifen, zum Beispiel Ansprüche ausbezahlen. Ich kann auch hier nur noch einmal appellieren, Kurzarbeit zu nutzen, sie sichert Betriebe und Arbeitsplätze.

Viele ArbeitnehmerInnen haben ihren Job noch bevor das Modell entworfen worden ist wegen der Corona-Krise verloren und eine einvernehmliche Kündigung unterschrieben. Welche Rechte haben diese Menschen und kann ihnen die Arbeiterkammer diesbezüglich Rechtshilfe anbieten?
Hier gilt, was immer gilt, unabhängig von Corona: Eine unterschriebene Vereinbarung zu bekämpfen, ist immer problematisch, und „einvernehmlich“ heißt eben, beide Seiten sind einverstanden. Aber im Zweifel können sich AK Mitglieder natürlich an uns wenden und wir schauen uns das genau an.

„Bei der Kurzarbeit bekommen Betriebe einen großen Teil der Kosten ersetzt, bei Kündigungen müssen sie sozusagen in die Tasche greifen, zum Beispiel Ansprüche ausbezahlen.“

Viele ArbeitnehmerInnen waren in ihren Heimatländern, als die Pandemie in Europa ausbrach und können nicht zurück nach Österreich. Welche Folgen kann das für sie haben bzw. besteht die Gefahr einer Kündigung, weil sie ihrer beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen können?
Diese Frage ist noch völlig ungelöst und das ist wirklich ein Problem. Wir haben das bereits mehrfach beim Gesundheitsminister und bei der Arbeitsministerin deponiert. Ich hoffe sehr darauf, dass die Politik dieses Problem versteht – denn diese Menschen kommen völlig unverschuldet in teilweise existenzbedrohende Lagen.

Was passiert im Fall, dass sich der Arbeitgeber an die Regelungen der Kurzarbeit nicht hält – an wen können sich die ArbeitnehmerInnen für die Rechthilfe wenden?
Mein erster Tipp ist, sich an den Betriebsrat zu wenden, auch Gewerkschaft und Arbeiterkammer können beraten. Wenn sich Unternehmen wirklich nicht an die Spielregeln halten – und davon haben wir auch schon gehört – dann ist das ein Straftatbestand und muss angezeigt und verfolgt werden. Die Finanzpolizei prüft da schon einige Fälle. Wichtig ist für die Beschäftigten auch in der Phase der Kurzarbeit: Arbeitszeiten aufschreiben.

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