Start Aktuelles
INTERVIEW

Magnus Brunner: ,,Grundbedarf an Strom soll für alle leistbar sein“

(Foto: BKA/Wenzel)

Wir sprachen mit Magnus Brunner, Bundesminister für Finanzen und Digitalisierung, über die Strompreisbremse, Energiekrise, finanzielle Hilfe, aber auch Bau des Lobaustunnels.

KOSMO: Werden die Energiekonzerne die Strompreisbremse für sich nutzen und die Preisen erhöhen?
Magnus Brunner:
Die Stromkostenbremse ist sicherlich die zentrale Entlastung für den bevorstehenden Winter. Wir haben uns im Sommer vorgenommen, die Menschen direkt auf der Stromrechnung zu entlasten. Und uns ist es gelungen, die Kosten für Haushalte direkt und automatisch abzufedern. Damit entlasten wir einen Haushalt um durchschnittlich rund 500 Euro pro Jahr. Die Parameter der Stromkostenbremse wurden so gewählt, dass die Energiekonzerne eben nicht die Preise erhöhen. Mit der Stromkostenbremse schaffen wir also ein Instrument, das schnell und unbürokratisch hilft. Für uns ist klar: Niemand in Österreich soll sich seinen Grundbedarf an Strom nicht leisten können.


KOSMO: Österreich ist eines der wenigen Länder in Europa, das seinen Bürgern in der Energiekrise so viel finanzielle Hilfe bietet. Können Sie unseren Lesern erklären, woher das ganze Geld kommt, obwohl das Haushaltsdefizit Österreichs 2021 bei 23,9 Milliarden Euro lag?
Magnus Brunner: Wir wollen auf jeden Fall mittelfristig auf einen nachhaltigen Budgetpfad zurückkehren, weil wir uns auf nationaler Ebene Spielräume schaffen müssen für zukünftige Krisen. Da war Österreich jetzt in einer guten Situation, weil meine Vorgänger zum Teil schon darauf geschaut haben, dass wir diese Spielräume haben, sonst hätten wir uns die intensiven Unterstützungen jetzt nicht leisten können. Auch auf europäischer Ebene ist eine nachhaltigere Fiskalpolitik kein Selbstzweck. Wenn z.B. Italien oder Portugal den Haushalt besser im Griff hätten, hätte die EZB früher handeln können. Wir können es uns jetzt nicht leisten, nicht zu helfen. Die Budgetsanierung kommt später.

(Foto: BKA/Wenzel)


KOSMO: Wie kann die Bundesregierung der Stadt Wien bezüglich der Wien Energie-Krise helfen?
Magnus Brunner: Der Fall wurde uns vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Wien Energie und auch von der Wiener Stadtpolitik sehr dramatisch geschildert. Innerhalb von 24 Stunden waren zwei Milliarden Euro notwendig. Es ging um die Energieversorgung für zwei Millionen Kunden und den Wunsch, den Handel an der Leipziger Börse auszusetzen, was aber nicht möglich war. Nun ist zu klären, ob das Risikomanagement ausreichend war, ob die Vorsichtsmaßnahmen ausreichend waren und ob es eine Anpassung an die Marktsituation gab. Außerdem prüft der Rechnungshof. Wir haben rasch geholfen und vorgesorgt, dass die Stadt im Bedarfsfall einen Kredit von zwei Milliarden Euro innerhalb von zwei Stunden abrufen kann. Damit ist Vorsorge getroffen, dass weitere Liquiditätsengpässe vermieden werden.


KOSMO: Mehrere Schlagzeilen in den Medien besagten, dass Wien Energie für die ÖVP als ein Kampagnen-Thema gegen das Rote Wien steht? Was wäre Ihre Antwort darauf?
Magnus Brunner: Ich sehe das absolut nicht so. Die Dramatik hat nicht die Bundesregierung erfunden, sondern die Wien Energie selbst kommuniziert – wir mussten dann als Bund rasch zwei Milliarden Euro Kredit aufstellen. Sowohl ich als auch die anwesenden Beamten hätten gerne auf diesen Wochenendeinsatz verzichtet. Mit Stadtrat Peter Hanke und Michael Ludwig habe ich mich immer konstruktiv und gut unterhalten, ich schätze beide.

KOSMO: Was sind Ihre Prognosen für das nächste Jahr, gibt es ein Ende der Krise?
Magnus Brunner: Ich bin vorsichtig, die vergangenen drei Jahre haben mich das gelehrt. Mit unseren drei Hilfspaketen haben wir mit 32 Milliarden Euro geholfen – das ist extrem viel Steuergeld. Wir stellen das zur Verfügung, was notwendig ist. Entscheidend wird sein, wann es Entspannung im Ukraine-Krieg gibt und wie schnell wir es schaffen unsere Abhängigkeit von russischem Gas langfristig zu reduzieren.


KOSMO: Sie haben ein Paket in Höhe von 300 Millionen für ­Digitalisierung angekündigt. Wie wichtig ist das Thema Digitalisierung in diesen schweren Zeiten?
Magnus Brunner: Meine Aufgabe als Digitalisierungs- und Finanzminister ist es, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Nur eine strategisch fundierte Digitalisierungspolitik erleichtert den Menschen den Alltag und bietet Chancengleichheit für unseren wirtschaftlichen Standort. Daher haben wir 300 Millionen Euro aus dem bestehenden Budget vorgezogen und investieren heuer 900 Millionen Euro in den Breitbandausbau. Dies löst Investitionen von mindestens zwei Milliarden Euro aus. Mit der ersten Breitbandmilliarde wurden bereits Investitionen von insgesamt 2,5 Milliarden Euro ausgelöst und der Breitbandausbau in über 1.300 Gemeinden erreicht. Mit der zweiten Breitbandmilliarde in der Höhe von insgesamt 1,4 Milliarden Euro wird sich in den kommenden Monaten und Jahren noch viel tun. Als Bundesregierung haben wir uns das ambitionierte Ziel gesetzt, ganz Österreich bis ins Jahr 2030 flächendeckend mit festen und mobilen Gigabitanschlüssen zu versorgen. Durch gute digitale Infrastruktur können wir die Chancengleichheit in den Regionen herstellen und die Chancen der Digitalisierung besser nutzen, um am Ende des Tages zu den Digitalisierungs-Gewinnern zu gehören. Zudem haben wir in der Pandemie gesehen, dass wir Nachholbedarf bei der Vernetzung von Daten haben. Die entsprechenden Schnittstellen würden uns auch die zielgerichtete Auszahlung von Hilfen erleichtern und deshalb werden wir hier Tempo machen.

KOSMO: Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hat das Aus für der Bau des Lobaustunnels bereits Ende 2021 verkündet – nun möchte sie den Lobautunnel auch aus dem Gesetz streichen. Wann wird die Entscheidung fallen?
Magnus Brunner: Die Entscheidung liegt weiterhin bei der zuständigen Ministerin. Das Finanzministerium hat jedenfalls die budgetäre Zusage für die laufenden Bauvorhaben der Asfinag gegeben – dieser Schritt ist eine Notwendigkeit, dass alle Straßenbau-Projekte wie geplant fortgesetzt werden können. Für mich ist klar: Der Standortfaktor Infrastruktur wird im internationalen Wettbewerb um Wachstum und Wohlstand immer wichtiger. Daher ist der weitere Infrastrukturausbau ein zentrales Anliegen dieser Bundesregierung. Auch die Bevölkerung erwartet sich bei zentralen Projekten Verlässlichkeit und Klarheit. Für uns ist wichtig, dass sorgsam mit dem Geld der Steuerzahler umgegangen wird und deshalb haben wir klargemacht, dass etwaige politische Entscheidungen nicht zu Mehrkosten führen dürfen.