Start Politik
INTERVIEW

„Preiserhöhung in der Gastronomie ist längst überfällig“

Peter Dobcak, Obmann der Gastronomie in der Wiener Wirtschaftskammer (FOTO: KOSMO)

Heute darf die Gastronomie nach der Corona-Krise wieder aufsperren. Wir sprachen mit dem Obmann der Fachgruppe Gastronomie in der WKO Peter Dobcak darüber, was die Gastronomen sowie Gäste in der nächsten Zeit erwartet.

KOSMO: Ende 2019. wurde das absolute Rauchverbot in Österreich eingeführt und Anfang 2020. begann die Corona-Krise. Also, kein gutes Jahr für die Gastronomen. Haben Sie Zahlen bzw. Einblicke darin, wie groß die wirtschaftlichen Verluste in diesen Branchen sind?
Peter Dobcak: Es stimmt, dass die letzten Jahre für die Lokalbesitzer sehr schwierig waren. Vor einigen Jahren mussten die Gastronomen Registrierkassen einführen. Das war eine vollkommen neue Umstellung und Herausforderung. Darüber gab es aber nichts zu diskutieren, denn das musste gemacht werden. Darauf kam aber der nächste Schlag mit viel Bürokratie und Aufwand. Das haben wir auch geschluckt. Das Rachverbot letztes Jahr war für uns sehr belastend. Wir mussten uns wieder etablieren und von vorne anfangen. Wir haben alles erfüllt, was man nur erfüllen kann und haben gedacht, dass wir uns jetzt endlich auf das Geschäft konzentrieren können. Dann kam die Corona-Krise, die uns in vollem Lauf erwischt hat. Im Bereich der Gastronomie ist eine ganz brutale Notbremse gezogen worden, auf welche weder die Gastronomen, noch der Staat vorbereitet waren. Eines hat sich gezeigt: wenn man sich die diversen Blogs ansieht, dann merkt man, dass es ein Problem mit der beklagten dünnen Liquiditätsdecke und dem fehlenden Endkapital wegen der Überbrückungskredite oder der Zwischenfinanzierung gibt. Die Gastronomie hat interessanterweise dieses Problem in der ganzen Welt. Ich habe Blogs von Neuseeland, Deutschland und USA gelesen – die haben genau dasselbe Problem aber weniger Bürokratie und zahlen weniger Steuern (Neuseeland und USA) und haben geringere Personalkosten. Trotzdem verzeichnen sie eine dünne Liquiditätsdecke. Das bestätigt die Tatsache, dass wir über viele Jahre hinweg viel zu billig waren.

Heißt das, dass die Preiserhöhung in der Gastronomie nach der Wiedereröffnung eine Maßnahme für die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz wäre?
Das ist DIE Maßnahme. Sie ist nicht nur notwendig, sondern längst überfällig. Und das ist der Schlüssel. Wer jetzt die Chance nicht nutzt, handelt nicht nachhaltig und wirtschaftlich unverantwortlich, was seinen eigenen Betrieb, seine MitarbeiterInnen und die gesamte Branche betrifft. Wenn ein, zwei, drei Lokale wieder anfangen, die Preisspirale nach unten zu ziehen, dann müssen die Anderen gezwungenermaßen mitziehen. Jetzt kommen wir zur Zentralaussage der Umfrage, die vom Marktforschungsunternehmen stratisfaction.at und im Auftrag der WKO durchgeführt und betreut wurde – Preiserhöhungen zwischen 10 und 20 Prozent würden von der überwiegenden Mehrheit der Gäste akzeptiert. Daher mein Appell: bitte keinen Preiskampf anfangen! Gäste wollen das auch nicht. Sie legen viel mehr Wert auf gute Qualität, Regionalität und Nahversorgung.

„Preiserhöhungen zwischen 10 und 20 Prozent würden von der überwiegenden Mehrheit der Gäste akzeptiert. Daher mein Appell: bitte keinen Preiskampf anfangen!“

Können wir weitere Maßnahme für die wirtschaftliche Erholung der Gastro- und Tourismusbetriebe von der Regierung erwarten?
In den nächsten zwei Monaten erwarten wir ein Wirtschaftspaket für die Tourismus- und Gastronomiebranche von der Regierung. In den nächsten 16 bis 18 Monaten werden wir sehen, wie weit es wirklich bei den Gastronomen ankommt. Bisherige Hilfspakete haben sie nur bedingt erreicht, nämlich wirtschaftlich gesunde Betriebe. Es gibt aber sehr viele Betriebe, deren Bilanz letztes Jahr nicht ganz gesund war und im Endeffekt keine Zwischenfinanzierung bekommen haben. Wir leben in einem sehr engen gesetzlichen Korsett, herruntergebrochen von der EU, während Banken von der EU und von der Europäischen Zentralbank ihre Vorgaben haben. Eine dieser Vorgaben ist, dass die Kapitalquote acht Prozent betragen muss. Oder der Betrieb hat eine positive Bilanz für die Jahre 2018 und 2019, die bestätigt, dass er wirtschaftlich gesund war. Dann bekommt man eine Zwischenfinanzierung. Sehr benachteiligt sind gute Betriebe, die wirtschaftlich an sich gesund sind und vielleicht in den letzten Jahren investiert und dafür eine Finanzierung aufgenommen haben. Das vermindert natürlich deren Kapitalquote und jetzt, in der Krise, bekommen sie kein Geld, weil sie schon einen Kredit haben. Diese werden durch die Situation in den Konkurs getrieben, obwohl sie eigentlich gute Betriebe und jedenfalls wert sind, gerettet zu werden.

Was sind die Prognosen für den Sommer – können wir eine Verbesserung der Situation in diesen Branchen erwarten?
Der Schlüssel wird sein, wie das Unterstützungspaket der Regierung aussehen wird. Mit dem Jetzigen fangen wir nicht viel an. Wir erwarten für ca. 30 Prozent der Betriebe vier Konkurswellen, wenn wir keine oder minimale Förderungen bekommen. Die erste Welle ist jetzt beim Aufsperren zu erwarten, weil die Personalkosten hinaufspringen und die Kunden nicht kommen werden. Die zweite Welle kommt wahrscheinlich mit den doppelten Gehältern im Juni, weil die Kurzarbeit ausläuft und die Gastronomen ihre MitarbeiterInnen 30 Tage lang nicht kündigen dürfen. Dann besteht die Gefahr, dass ein Betrieb z. B. 10 MitarbeiterInnen und keinen Gast im Lokal hat. Daher gibt es jetzt die Forderung, das Kurzarbeitspaket anzupassen. Der Mai wird vom gesundheitlichen Standpunkt ganz entscheidend sein und bis Mitte Juni werden wir dann wissen, ob die zweite Welle kommt. Dann kommt es sehr darauf an, wie es mit den Veranstaltungen im Sommer weitergeht. 80 Prozent der Befragten in der genannten Umfrage sagten, sie wollen die Gastronomie unterstützen. Das Problem ist aber, dass 80 Prozent auch sagten, sie trauen sich nicht aus dem Haus. Deswegen muss durch flankierende Maßnahmen Vertrauen geschaffen werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Vertrauen sich nicht wie Licht ein- und ausschalten lässt, sondern wachst langsam. Die dritte Welle wird wahrscheinlich im Herbst stattfinden, wenn die Stundungen auslaufen. Eine volle Granate für die Betriebe könnte die Ratenzahlung der Zwischenfinanzierung sein. Dann kommt die Herbst- und Winter-Saison d.h. wieder die doppelten Gehälter. Durch die hohe Arbeitslosigkeit und, wenn Veranstaltungen nur bedingt erlaubt sind, bleiben die Leute zu Hause und all das zusammen gibt eine Melange, die eine Ausdünnung der Gastronomie mit sich bringt.

War die Situation innerhalb der Gastronomie vor der Corona-Krise bereits unvorteilhaft, weshalb die Folgen der Pandemie noch schwerer ausfallen?
Grundsätzlich war eine Marktbereinigung der Gastronomie längst überfällig. Es sind Leute in die Gastronomie gekommen, die nicht rechnen können, sich unter dem Preis verkaufen und somit die ganze Branche ruinieren. Diese 30 Prozent, die jetzt unter den Umständen ausfallen können, sind aber Familienbetriebe oder Personen, die nicht mehr jung sind und seit Jahrzehnten in der Gastronomie tätig sind. Sie sind unternehmerisch nicht mehr so flexibel und bekommen nie mehr einen Job. Sie haben sich über die Jahre hinweg irgendwie über dem Wasser gehalten. Das Coronavirus hat sie umgeschmissen und sie fallen komplett in das Sozialsystem hinein. Jetzt muss sich der Staat überlegen – was ist billiger? Entweder überlässt sie der Staat ihrem derzeitigen Schicksal und zahlt ihnen ihr ganzes Leben lang aus dem Sozialsystem oder er gibt ihnen eine Direktförderung, egal, wie es dem Unternehmen geht, damit sie irgendwie überleben und wieder ihre Steuer zahlen können: Das sind jetzt, neben den Wirtschaftspaketen, die Überlegungen, die die Regierung anstellen wird.

Auf der nächsten Seite geht´s weiter…