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Abschiebe-Offensive

Stocker fordert härtere Abschiebungen – Koalition blockiert!

Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker spricht mit der Presse beim Eintreffen zu einem EU-Gipfel in Brüssel am 06. März 2025.
EPA-EFE/CHRISTOPHE PETIT TESSON

Während Kanzler Stocker mehr Spielraum bei Abschiebungen fordert, wächst der Widerstand. Seine Initiative zur Neuinterpretation der Menschenrechtskonvention stößt auf scharfe Kritik.

Bundeskanzler Stockers Initiative zur Änderung der EGMR-Spruchpraxis stößt innerhalb der Koalition auf wenig Unterstützung. Der Kanzler hatte sich einem von Dänemark und Italien initiierten Schreiben angeschlossen, das von insgesamt neun EU-Staaten unterzeichnet wurde. Darin wird eine Neuinterpretation der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gefordert, um die Abschiebung straffälliger Ausländer zu erleichtern. Stocker betonte in diesem Zusammenhang: „Wir sollten auf nationaler Ebene mehr Spielraum haben, um zu entscheiden, wann wir kriminelle Ausländer ausweisen.“

Die Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Nationalrat, Petra Bayr (SPÖ), äußerte gegenüber der APA deutliche Bedenken: „Ich finde den Vorstoß sehr problematisch, weil er in letzter Konsequenz die Glaubwürdigkeit von Höchstgerichten unterminiert.“ Die SPÖ-Politikerin räumte zwar ein, dass Diskussionen über die Rechtsprechung grundsätzlich möglich sein sollten, jedoch „im besten Fall nicht öffentlich“.

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Bayrs Bedenken

Bayr unterstrich: „An der Unabhängigkeit der Rechtsprechung ist für mich nicht zu rütteln.“ Sie bezeichnete die EMRK als „Grundbaustein der Menschenrechtsgesetzgebung“ und betonte, dass deren Auslegung „den Gerichten, speziell dem EGMR, vorbehalten“ sei.

Bayr verfügt über besondere Expertise in diesem Bereich, da sie jenen Ausschuss in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates leitet, der die Anhörungen für künftige EGMR-Richter durchführt. Der Straßburger Gerichtshof setzt sich aus je einer Richterin oder einem Richter aus jedem Mitgliedsland des Europarates zusammen, darunter auch Österreich.

Europarat reagiert

Nach Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges kann der EGMR angerufen werden, um über mögliche Verstöße gegen die Menschenrechtskonvention zu urteilen. In Österreich genießt die EMRK Verfassungsrang.

Der Generalsekretär des Europarates, Alain Berset, reagierte mit deutlicher Kritik auf die Initiative. „Der Gerichtshof darf nicht als Waffe eingesetzt werden – weder gegen Regierungen noch von ihnen“, erklärte der Schweizer Sozialdemokrat am Wochenende. Er warnte eindringlich: „In einer Gesellschaft, die von Rechtsstaatlichkeit geprägt ist, sollte keine Justiz unter politischen Druck geraten.

Institutionen, die die Grundrechte schützen, dürfen sich nicht den politischen Zyklen beugen. Wenn sie es doch tun, riskieren wir, genau die Stabilität zu untergraben, die sie gewährleisten sollen.“