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INTERVIEW

Vanja Grbić: „Sport ist immer die beste Wahl!“

FOTO: Zoran Loncarevic

INTERVIEW. Wenn Sie Volleyball sagen, fällt Ihnen sicherlich innerhalb von Sekunden der Name Vladimir Grbić ein. Im Feld war er ein großer Motivator und Kämpfer. Seine unwahrscheinlichen Spielzüge sind in die Annalen des Sports eingegangen und haben es zur Prime Time ins Fernsehen geschafft. Mit KOSMO sprach Vanja über seine Erfolge, die gegenwärtige Situation im Volleyball und über sportlichen Vorbilder.

Der Schlüssel zum Erfolg in den Mannschaftssportarten liegt für Serbien in der Gemeinschaft. Das beste Beispiel dafür ist der Volleyball. Die Herrennationalmannschaft Serbiens hat nach den Sanktionen der 90-er Jahre gezeigt, dass man mit einem starken Teamgeist alle Hürden überwinden kann. Aber dennoch hat jeder Sport auch seine beeindruckenden Indivduen.

KOSMO: Der Volleyball hat in Serbien eine lange und vielfältige Tradition. Ihre Generation hat dazu entscheidend beigetragen. Ein schwindelerregender Aufstieg, dessen Krönung die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Sydney war, hat dem Volleyball, aber auch Ihnen, eine neue Dimension der Popularität verliehen. Was fällt Ihnen zu diesem siegreichen Team ein, wenn Sie heute an diese goldene Zeit zurückdenken?
Vanja Grbić:
Was uns verbunden hat, war das Spielfeld. Außerhalb der Halle sind wir nie miteinander Kaffee trinken oder abendessen gegangen. Wir haben sonst keine Zeit miteinander verbracht und auch die Medaillen nicht gemeinsam gefeiert, aber auf dem Platz waren wir bereit, uns für einander zu zerreißen. Wir wurden von einem Gefühl des Patriotismus und des Kampfes geleitet, um unser Volk und unser Land auf die bestmögliche Weise zu repräsentieren. Dieses Team wurde über Jahre aufgebaut, es gab viele, die über kürzere oder längere Zeit geholfen haben, uns diesen Stempel in der Geschichte des internationalen Volleyballs zu verdienen.

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Die serbische Teamspielerin, Brankica Mihajlović, zählt zu den Volleyballerinnen mit dem größten Karacho und härtesten Angriffen und Services. Dies bewies sie nun auch in Rio!

 

Jede Zeit hat ihre Stars. Gibt es Unterschiede zwischen den damaligen Spielern und den heutigen, aber auch in der Art des Spiels?
Natürlich. So wie die Zeit vor uns anders war als unsere, so ist die heutige wieder anders. Der heutige Volleyball zeigt mehr Kraft und Schnelligkeit, aber weniger Technik. Die Spieler sind heute größer und kräftiger.

„Ich habe beschlossen, meine ganze Erfahrung, mein Wissen und mein Engagement denen zu widmen, die nach uns kommen, damit sie noch besser werden als wir.“, sagt uns das ehemalige Volleyball-Ass. (FOTO: Sanja Rajković)

Unsere Volleyballer haben es nicht geschafft, sich für die Olympischen Spiele in Rio zu qualifizieren. Und das, obwohl sie ausgezeichnet gespielt haben, wie auch der Sieg in der Welt-Liga beweist. Der Trainer Nikola Grbić hat Autorität und Kompetenz. Aber kann sich die Nichtteilnahme in Brasilien negativ auf die Zukunft der Nationalmannschaft auswirken?
Die Qualifikationen im Volleyball sind die schwersten unter allen Sportarten, wenn es um Europa geht. Für den nächsten Zyklus werden die Qualifikationen geändert, aber nur zum Vergleich: Der Europameister, der Weltmeister, der Olympiasieger und die sechs besten europäischen Teams kämpfen darum, der eine zu sein, der weiterkommt. Das gibt es in keinem anderen Sport. Die Qualifikationen für Rio fanden in einem Moment statt, als wir vier verletzte Spieler hatten. Zu diesem Zeitpunkt waren unsere Chancen minimal.

Brasilien ist Olympiasieger im Volleyball, Italien war Zweiter, die USA Dritte. Was sagt uns diese Reihenfolge? Sind die genannten Teams stärker als Serbien und um wie viel?
Der Volleyballverband Serbiens zählt zu den sechs besten des Weltverbands. Unser Budget ist 15-mal kleiner als das der genannten Staaten. Dank unserer Arbeit, unseren Resultaten und unserem Verständnis haben wir es geschafft, das Renommee einer der stärksten Volleyballmächte der Welt zu erwerben. Geld ist nicht alles. Aber es ist wichtig. Denn wenn Sie nichts können, hilft Ihnen alles Geld der Welt nichts. Die Tradition ist sehr wichtig, aber die Tradition muss bewahrt und gepflegt werden, und das war bei uns immer der Fall. 25 Jahre lang kein einziges Problem, kein Skandal, aber Spitzenergebnisse. Wir stehen den genannten Teams um nichts nach, denn unser Engagement ist so, dass wir, obwohl wir kein nationales Zentrum und nicht dieselben Bedingungen haben wie die anderen, doch alles geben, um gegen sie zu bestehen.

EHRLICH.“Ich bin ein Mann des Sports, vor allem des Volleyballs”

Als Ihre Generation ihre Medaillen gewonnen hat, hat ein Teil der Nationalspieler in unseren Clubs gespielt. Heute spielen in unseren besten Teams vorwiegend junge Spieler. Wie wichtig sind stabile Clubs für die Perspektive der Nationalmannschaft und ist die gegenwärtige serbische Liga eine schwache oder eine verlässliche Stütze für den Nationaltrainer?
Da würde ich nicht zustimmen. Zu der Zeit, als wir unsere Medaillen gewonnen haben, haben unsere Spieler im Ausland gespielt. Draußen sind sie stark geworden und haben gelernt, und ihre Kenntnisse haben sie mitgebracht und an die weitergegeben, die arbeiten wollten. Ein System, das Investitionen in den Sport besteuert, bietet keine Perspektive für Investitionen in den Sport. Da ist alles davon abhängig, ob eine kleine Zahl an Enthusiasten, die diesen Sport lieben, etwas zahlt oder ob eine Beziehung zu gewissen Strukturen besteht, die irgendeinen Club außerhalb der regulären Finanzierung unterstützen, meistens über politische Verbindungen. Natürlich ist es schwer, Kinder bei uns zu halten, die vor allem von den Eltern finanziert werden und die es kaum erwarten können, auszufliegen, und die von realistischer sportlicher und emotionaler Reife noch weit entfernt sind. Die Clubs sind die wichtigste Zelle des serbischen Sports, aber ihnen geht die Luft aus. Ohne direkte Intervention des Verbands über die Regionalverbände und ohne Einbeziehung der lokalen Selbstverwaltungen in die Aktivitäten und Projekte kann man eine Verbesserung für die Clubs kaum erwarten. Es gibt nur sehr wenige junge Sportler, die hier herangebildet werden und vor Ort ihr Leben fristen.
Die Amerikaner haben keine Liga, aber ihre Spieler spielen entweder im Ausland oder sind mit den Nationaltrainern in ihrem nationalen Zentrum. Das heißt, man kann das Niveau der Aktivitäten und der Arbeit durch diese beiden Mechanismen stärken.

FOTO: zVg.

Sie und Ihr Bruder Nikola waren die Grundpfeiler der serbischen Nationalmannschaft. Sie sind als Spieler bekannt, die ihre Gefühle niemals verborgen haben, weder im Sieg noch in der Niederlage. Nikola ist heute serbischer Nationaltrainer. Wie erleben Sie die Spiele, wenn er auf der Trainerbank sitzt und Sie das Spiel als Zuschauer betrachten?
Die Spiele unseres Nationalteams erlebe ich immer emotional. Natürlich hat es ein besonderes Gewicht, wenn Nikola auf der Trainerbank sitzt. Ich bemühe mich, die Spieler, ihre Reaktionen und Überlegungen realistisch zu analysieren und zu betrachten. Das sagt viel über das Spiel aus.

Wie sieht das Leben des Vanja Grbić nach seiner Spielerkarriere aus? Gibt es neue Ideen mit Bezug auf den Volleyball?
Ich bin ein Mann des Sports, und vor allem des Volleyballs. Da kann ich nicht heraus. Ich habe beschlossen, meine ganze Erfahrung, mein Wissen und mein Engagement denen zu widmen, die nach uns kommen, damit sie noch besser werden als wir. So wahren wir die Tradition und das Engagement derer, die vor uns gespielt haben. Wie wir es sie lehren, so werden sie sich auch verhalten. Meine Orientierung ist die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Dass sie durch den Volleyball und gesunde körperliche Aktivitäten eine Kultur der Gesundheit und Aktivität erwerben, dass sie reifen und gesunde Persönlichkeiten werden, die auf die künftigen Herausforderungen des Lebens vorbereitet sind, die sie mit einer solchen sozialen Erziehung am besten meistern können.

FAIR PLAY ist die Grundlage des Funktionierens und des Fortschritts.

Die heutige Zeit bietet viel Auswahl. So sitzen die Jugendlichen lieber am Computer oder vor dem Fernseher und sind Programmen mit falschen Botschaften ausgesetzt. Sie gelten als Sportler, der ein Vorbild für die Jugend war. Gibt es heute noch Sportler, die echte Vorbilder sind?
Natürlich. Der Sport bietet die beste Auswahl an Vorbildern für die Jugendlichen und wird das immer tun. Natürlich gibt es im Korn immer auch Unkraut, aber das Engagement, die Entschlossenheit und das Fair Play sind Grundlagen für das Funktionieren und den Fortschritt. So müssen Vorbilder sein. Außerdem ist es sehr wichtig zu wissen, dass nicht alle Olympiasieger werden können. Man muss erkennen, wozu man fähig ist und wo die Grenzen sind. Die müssen wir akzeptieren und uns bemühen, jeden Tag zumindest das zu erreichen, was unser Maximum ist. Solche Menschen sind für mich echte olympische Sieger. Das ist eigentlich eine Lebensphilosophie.

Ihre Botschaft an die jungen Volleyballer und andere Sportler?
Seid die Besten! Was ihr könnt, ist eure olympische Goldmedaille. Kämpft darum jeden Tag und gebt euer persönliches Bestes, eure 100 Prozent, dann werdet ihr sicher zufrieden sein.