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Folter

Balkan-Mafia soll Kroaten in Wiener Hotel mit Handsägen gefoltert haben

Radoje Zvicer
FOTO: BMI

Zwei Männer stehen in Wien vor Gericht, weil sie im Auftrag des berüchtigten Kavac-Clans (montenegrinische Mafia-Gruppierung) gefoltert und erpresst haben sollen. Der montenegrinische und der serbische Angeklagte sollen gemeinsam mit weiteren Komplizen gehandelt haben.

Der Kavac-Clan befindet sich seit 2014 in einem blutigen Konflikt mit dem Skaljaris-Clan (rivalisierende montenegrinische Mafia-Gruppe), nachdem in Spanien eine 200-Kilo-Drogenlieferung verschwunden war. Dieser Mafia-Krieg um die Vorherrschaft im europäischen Drogenhandel hat weltweit bereits 80 Todesopfer durch Schießereien, Folter und Bombenanschläge gefordert.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten vor, in einem Wiener Hotelzimmer zwei Kroaten in eine Falle gelockt zu haben. Mit Handsägen und schallgedämpften Pistolen bewaffnet, sollen sie die 41 und 64 Jahre alten Opfer vier Stunden lang misshandelt, gefesselt und mit dem Tod bedroht haben. Die Erpresser forderten eine Million Euro und drohten, andernfalls die Opfer und deren Familien zu töten. Die Kroaten übergaben schließlich 10.000 Euro an Mittelsmänner in Zagreb.

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Brutale Beweislage

Die Ermittler konnten auf entschlüsselte Sky-Chats (verschlüsselte Kommunikation über spezielle Krypto-Handys) zugreifen, die von Europol geknackt wurden und in denen Kriminelle über Krypto-Handys kommunizierten. Die Nachrichten dokumentieren die Brutalität der Tat: „Ihm geht es nicht gut, K. Bruder hat ihm die Nase mit der Pistole gebrochen“ und „Der Alte ist kaputt, dieser hat ihn geschlagen, Bruder, ins Gesicht. Sein ganzes Gesicht ist geplatzt, Bruder… und er wurde mit einem Messer geschnitten.“

Weitere übersetzte Protokolle belegen die Vorbereitung: „Wir haben Nylon und Säge geholt – wir haben Handsägen gebracht und Nylon und alles, der Mann schreit – ich werde ihn jetzt töten, wenn er kommt, er ist dort und sie foltern ihn.“

Die Entschlüsselung der Krypto-Kommunikation hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Verbindungen zwischen den Balkan-Clans und Gewaltdelikten in Österreich aufgedeckt. Die Sky-ECC-Chats dokumentieren nicht nur den aktuellen Vorfall, sondern zeigen auch ein Muster der gewalttätigen Machtausübung, das für die montenegrinischen Mafia-Gruppen typisch ist.

Verhandlung unter Hochsicherheit

Vor Gericht bestritten beide Angeklagten jede Schuld und verweigerten die Aussage. Auch die Opfer, die per Video aus Kroatien zugeschaltet wurden, zeigten sich wenig kooperativ. Sie behaupteten, die Angeklagten nie gesehen zu haben und zum Tatzeitpunkt nicht in Österreich gewesen zu sein. Dass auch sie Krypto-Handys besaßen, deutet auf ihre Verbindungen zum Mafia-Milieu hin.

Die Verhandlung fand unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt – schwerbewaffnete Polizisten, Cobra-Einheiten (österreichische Spezialeinheit der Polizei) und Justizwache sicherten den Gerichtssaal, Foto- und Filmaufnahmen waren strikt untersagt.

Verteidiger Mirsad Musliu versuchte, die Rolle seines Mandanten zu relativieren. In seinem eindrucksvollen Eröffnungsplädoyer argumentierte er, dass sein Klient in den Chat-Protokollen kaum erwähnt werde. Zudem stellte er die rechtliche Einordnung als erpresserische Entführung in Frage, da keine Lösegeldforderungen an Dritte gestellt worden seien.

„Wo wor sei Leistung des Dritten?“, fragte er die Geschworenen und plädierte stattdessen für den Tatbestand der Freiheitsentziehung mit Erpressung, der mit deutlich niedrigeren Strafen geahndet wird. Abschließend betonte er, sein Mandant sei bei der Tat gar nicht anwesend gewesen. Auch der zweite Verteidiger, Alexander Philipp, sprach von einer Verwechslung seines Mandanten.

Balkan-Mafia in Österreich

Der vorliegende Fall ist Teil eines größeren Phänomens: Österreich gilt für die montenegrinischen Mafia-Clans als wichtiger Umschlagplatz für Kokaintransporte in Europa. Sowohl der Kavač- als auch der Škaljari-Clan haben in den letzten Jahren ihre Präsenz in Wien ausgebaut und unterhalten enge Verbindungen zu lokalen kriminellen Strukturen.

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Die österreichische Polizei stuft die Bedrohung durch diese Organisationen als hoch ein. Ermittler gehen davon aus, dass die Clans ihre Aktivitäten durch ein Netzwerk von Mittelsmännern und Unterstützern in der österreichischen Unterwelt absichern, was die Strafverfolgung erheblich erschwert.

Das Urteil wird erst nach dem Sommer erwartet, bis dahin gilt die Unschuldsvermutung.

Die Verdächtigen bleiben unter höchster Sicherheitsstufe in Haft.