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Eskalation

Dodik lässt sich von Elitepolizei schützen

MILORAD_DODIK
FOTO: EPA/Alexander Kazakov/Sputnik/Kremlin Pool

Mit schwerbewaffneten Polizisten an seiner Seite trotzt Milorad Dodik dem Haftbefehl gegen ihn. Der Präsident der Republika Srpska verschärft damit den Konflikt in Bosnien-Herzegowina.

Der per Haftbefehl gesuchte Präsident der Republika Srpska (serbische Teilrepublik in Bosnien-Herzegowina), Milorad Dodik, verschärft den politischen Konflikt in Bosnien-Herzegowina zusehends. Während gegen ihn ein Haftbefehl der gesamtstaatlichen Staatsanwaltschaft vorliegt, lässt er sich inzwischen von schwerbewaffneten Polizeieinheiten begleiten. Die Vorwürfe gegen Dodik wiegen schwer: Er soll mit sezessionistischen Gesetzen gegen das Dayton-Abkommen (Friedensvertrag von 1995, der den Bosnienkrieg beendete) verstoßen haben.

Die Staatsanwaltschaft hatte den Haftbefehl im März erlassen, nachdem Dodik einer gerichtlichen Vorladung nicht nachgekommen war. Im Zentrum der Anklage stehen „Angriffe auf die verfassungsmäßige Ordnung“ durch separatistische Gesetzesinitiativen im Parlament des serbischen Landesteils, die gegen die im Dayton-Abkommen verankerte Verfassung verstoßen. Bereits zuvor war Dodik zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt worden, weil er sich den Anordnungen des Hohen Repräsentanten widersetzt hatte. Diese Position, derzeit vom Deutschen Christian Schmidt bekleidet, überwacht im Auftrag der internationalen Gemeinschaft die Einhaltung des Friedensabkommens.

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Dramatische Konfrontation

Eine neue Eskalationsstufe erreichte der Konflikt am vergangenen Donnerstag. Beamte der staatlichen Sicherheitsbehörde Sipa (Staatliche Ermittlungs- und Schutzagentur) versuchten, Dodik in einem Amtsgebäude in Ost-Sarajevo den Haftbefehl zu überstellen. Dieser Teil der bosnischen Hauptstadt gehört zur Republika Srpska, wo Dodik gerade Gespräche mit lokalen Politikern führte. Die Übergabe des Haftbefehls scheiterte jedoch an bewaffneten Polizisten des serbischen Landesteils, die die Staatsbeamten abdrängten.

In der Folge polterte Dodik gegen die angebliche „Besatzungsmacht“, der man sich niemals unterwerfen werde: „Wir werden sehen, wer über die wahre Macht verfügt, das Recht durchzusetzen.“ Für Aufsehen sorgte dabei vor allem, dass Dodik an diesem Tag von Dutzenden teils schwerbewaffneten Polizisten umgeben war – ein beunruhigendes Signal in der sonst friedlich erscheinenden Alltagsrealität des Landes.

Der Hohe Repräsentant Schmidt reagierte umgehend und fror noch am selben Tag die öffentlichen Zuschüsse für Dodiks Partei, die Allianz der Unabhängigen Sozialdemokraten (SNSD), sowie deren Koalitionspartner Vereinigte Srpska ein. Schmidt erklärte, die Gelder würden auf ein Sonderkonto bei der Zentralbank umgeleitet. Dodik konterte nur wenige Minuten später mit einer eilig einberufenen Pressekonferenz, in der er die Verantwortlichen als „Haufen kleinkarierter Deppen“ beschimpfte.

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Gefährliche Selbstüberhöhung

Nach außen bemüht sich Dodik, den Anschein politischer Normalität zu wahren. Am Montag empfing er den ehemaligen Kommandeur der israelischen Streitkräfte, Moshe Levy, und betonte dabei das gemeinsame Engagement für das „Recht auf Freiheit unserer beider Staaten“. Mit dieser Formulierung bezeichnete er die Republika Srpska fälschlicherweise als eigenständigen Staat – tatsächlich handelt es sich lediglich um einen der beiden Landesteile, die zusammen den Gesamtstaat Bosnien-Herzegowina bilden, wie es das nach wie vor gültige Dayton-Abkommen von 1995 festlegt.

Dodiks Selbstüberhöhung und die seiner Region sind nicht neu, doch hinter der Fassade normalisiert sich die Situation keineswegs. Die Bedingungen, unter denen er sich im Land bewegt, nehmen zunehmend bizarre Züge an.

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Internationale Reaktionen und Verbündete

Österreich hat inzwischen mit einem Einreiseverbot gegen Dodik reagiert, während ein Antrag auf internationalen Haftbefehl bei Interpol abgelehnt wurde. Diese Ablehnung verschafft dem Politiker einen gewissen Bewegungsspielraum außerhalb Bosnien-Herzegowinas – eine Möglichkeit, die er gezielt nutzt, um seine internationalen Verbindungen zu stärken.

Trotz des nationalen Haftbefehls ist es Dodik gelungen, nach Moskau zu reisen, wo er persönlich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammentraf. Dieser demonstrative Besuch wird von politischen Beobachtern als deutliches Signal gewertet: Russland steht hinter Dodik und seinen separatistischen Bestrebungen.

Die Vollstreckung des Haftbefehls gegen den schwer bewachten Dodik bleibt weiterhin fraglich. Eine Beteiligung von Soldaten der im Land stationierten EU-Mission Eufor (Militäroperation der Europäischen Union in Bosnien-Herzegowina) an einer entsprechenden Operation gilt als unwahrscheinlich. Stattdessen dürfte Dodik seinen ohnehin eingeschränkten Bewegungsradius weiter beibehalten und auf Unterstützung durch den serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic hoffen.

Allerdings steht auch Vucic unter erheblichem innenpolitischen Druck: Seit Monaten protestieren Studierende gegen sein mutmaßlich korruptes und autoritäres Regime.

Sicherheitsexperten sehen in den aktuellen Entwicklungen Anzeichen für Russlands fortgesetztes geopolitisches Interesse an einer Destabilisierung der Region. Moskau unterstützt die separatistischen Bestrebungen der Republika Srpska regelmäßig politisch, wirtschaftlich und medial – ein strategisches Vorgehen, um den westeuropäischen Einfluss auf dem Balkan zurückzudrängen.

Die Gefahr einer weiteren Eskalation besteht somit nicht nur in Bosnien, sondern auch im benachbarten Serbien.