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AGARTHI COMICS

BALKAN STORIES: Der Mann, der Valter rettete

Valter
(FOTO: Balkan Stories)

Mit dem Comicladen Agarthi Comics in Sarajevo hat der Pilot Almir Šehalić seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Und ist zu einem Retter von Bosniens bedrohter Alltagskultur geworden. Ein Lokalaugenschein.

Zur Hälfte haben sie den Pappkarton durch, Almir Šehalić und Saša Mirutinović.
Jede einzelne Ausgabe des Magazins Stripoteka wird in Folie gepackt und eingeklebt.
Die gebrauchten Ausgaben von Jugoslawiens populärsten Comic-Magazin sind hoch begehrt.
22 Jahre lang erschien die Revue, von 1969 und 1991. (Seit 1997 wird sie neu aufgelegt.)
Es ist Geschichte, die Almir und Saša für die Kunden von Agarthi Comics im Stadtzentrum von Sarajevo aufbereiten.
Jeder Quadratzentimeter des Ladens, untergebracht im gleichen Gebäude wie Juliet Walkes Laundrolounge, ist der gezeichneten Bildgeschichte gewidmet.

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(FOTO: Balkan Stories)

Anders ausgedrückt: Es ist alles vollgeräumt, wenn auch mit System.
Comics sind beliebt im ehemaligen Jugoslawien. Wieder, wie Almir erzählt.
„Der Krieg war eine Zäsur, aber seit zehn Jahren geht es wieder aufwärts.“
Das gilt für alte wie für neue Comics.
Unter den Neuen sind vor allem die italienischen sehr beliebt. Zagor etwa.

BALKAN_STORIES_ZAGOR
(FOTO: Balkan Stories)

Bilder des Comichelden mit Hammer und Revolver sieht man an vielen Ecken von Bosniens Hauptstadt.
Auch das eine Kontinuität aus jugoslawischen Zeiten.

Comicland Jugoslawien

Das sozialistische Jugoslawien hatte anders als etwa die Sowjetunion kein Problem mit den meisten westlichen Kulturgütern.
„Viele ausländische Besucher sind überrascht, wenn sie hier Superman-Ausgaben aus den 60-ern sehen“, erzählt Almir.
Comics waren hier verkaufbar.
Der Markt war so groß, dass die Comics übersetzt wurden.
Zwischen 1971 und 1981 etwa wurden 710 Millionen Stück Comics und Westernromane in Jugoslawien verkauft.
Damals wurde auch bei Saša und Almir die Liebe zum Comic wach und hat seitdem nicht nachgelassen.
Außerdem lagerten westliche Comic-Verlage Teile der Kreativarbeit ins damalige Jugoslawien aus.
Zum einen konnten die Kreativen des Landes jederzeit mit dem Westen mithalten.
Zum anderen kosteten sie weniger Geld als etwa italienische Comiczeichner.
„Ganze Episoden etwa von Zagor oder Tarzan sind damals in Novi Sad gezeichnet und geschrieben worden“, erzählt Almir.
Die Stadt war die Hauptstadt des jugoslawischen Comics.
Viele dieser historischen Ausgaben sind auch hier erhältlich – ebenso wie die neuen.
Daneben hat Almirs Laden auch ein breites Sortiment an Graphic Novels und neuen Comicreihen.

BALKAN_STORIES_COMIC_LADEN
(FOTO: Balkan Stories)

Die meisten sind übersetzt – wenngleich auch das mit Schwierigkeiten verbunden ist.
Freilich ist es nicht nur das, was Agarthi Comics seit acht Jahren zu einer Stätte der Alltagskultur macht.

Der Kampf gegen das Verschwinden

Almir bemüht sich auch darum, alte bosnische Comics wieder herauszugeben.
Das ist deutlich schwieriger als in Serbien oder Kroatien, wo ebenfalls historische Ausgaben neu herausgegeben werden.
Der Bosnienkrieg hat zahlreiche Archive vernichtet – vor allem das der Bosnischen Nationalbibliothek.
Serbische Soldaten setzten sie mit Feuergranaten gezielt in Brand, um Bosniens kulturelles Gedächtnis auszulöschen.
Bis heute konnte es nicht vollständig wiederhergestellt werden. (Reportage siehe HIER.)
Almir und seine Freunde sind auf alte Schulzeitungen aus jugoslawischen Zeiten angewiesen.
Die durchstöbern sie nach Comics.
„Damals waren in jeder Ausgabe Comic Strips dabei“, erzählt Almir.
Meistens kamen sie von lokalen Autoren und Zeichnern.
Diese Herangehensweise ist langsam und beileibe keine Erfolgsgarantie.
Um eine Geschichte vollständig zu rekonstruieren, braucht man die entsprechenden durchgängigen Ausgaben der Zeitungen.
Die sind, wenn überhaupt, oft nur mit Glück aufzutreiben.
Und wenn man sie neu herausgeben will, braucht man die Erlaubnis des Autors.
Viele sind nicht mehr auffindbar oder verstorben.

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