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Balkan Stories: Der Geruch und die Komik der neuen Heimat

(FOTO: Balkan Stories)

„Der Geruch der kaiserlichen Fassaden“ heißt der neue Roman des serbisch-wienerischen Autors Darko Markov, mit dem er der ersten und der zweiten Gastarbeitergeneration in Wien eine Stimme verleiht – und vor allem denen, die jeder noch so widrigen Situation mit Humor trotzen. Balkan Stories war bei der Präsentation.

Es sind nicht die Vertreter der großen Dijaspora-Vereine und ihrer Repräsentationskultur, die heute abend in den Kulturverein RB in der Kaiserstraße gekommen sind.

Es sind die Gastarbeiter der 70-er, die Gastarbeiter und die Flüchtlinge der 90-er, es sind Aktivisten in der ex-yu-migrantischen Sub- und Gegenkultur.

Sie sind die Helden von Darko Markovs neuem Roman „Smrad carskih fasada“, in denen er seine mehr als drei Jahrzehnte in Wien aufarbeitet, und zu einem bedeutenden Teil die Leben und Ansichten der Frauen und Männer, die auf der Suche nach einem besseren oder auch nur sicheren Leben nach Wien gekommen sind, und sich mal mit mehr mal mit weniger Erfolg in der Großstadt zurechtfinden, mit den Gerüchen und dem Geschmack des fremden Landes und der fremden Stadt, mit seiner Bürokratie, seiner Arbeitsorganisation und seinem Sozialsystem.

Eine Welt, die der 54-Jährige selbst zur Genüge kennt, aus eigenem Erleben und als Zeuge. Bauarbeiter, Taxifahrer, Darsteller im Laientheater, Autor, Regisseur, Kolumnist für KOSMO, das hat er alles in seiner Wiener Zeit gemacht. Da lernt man Leute und ihre Lebenswelten kennen.

„Jedes Wort, das in diesem Roman gesprochen wird, ist wahr“, sagt Darko über sein Buch. „Es sind hier sehr viele surreale Dialoge, die den schwarzen Humor von uns Migranten zeigen“.

Die Sprache des Romans verdeutlicht das. Das Buch bedient sich stark serbischer Umgangssprache.

Die Stadt ist der eigentliche Held

Etwa, wenn sich zwei ältere Männer unterhalten, wie sie am besten an Cialis kommen, trotz des hohen Blutdrucks. Oder wie ein älterer Gastarbeiter die paar Jahre bis zur Pension in der Sozialhilfe verbringen will, während seine Frau und das AMS ihn aus verschiedenen Gründen lieber auf der Baustelle sähen.

Dazwischen die unverwechselbare und sich ständig ändernde Welt des migrantischen Wien mit seinen Geräuschen, Geschmäckern und eben Gerüchen – wie etwa am Brunnenmarkt im Ottakring, dem im Buch eine prominente Rolle zukommt.

Überhaupt ist eher die Stadt der eigentliche Held des Romans, der Rahmen, der die verschiedenen Skizzen zusammenhält.

(FOTO: Balkan Stories)

„Smrad carskih fasada“ ist kein Migrationsroman im klassischen Sinn. Er schildert nicht das Ankommen, das Werden, er beschäftigt sich mit dem Angekommen Sein – einem Zustand, den viele der Protagonisten nie im Sinn hatten, als sie im Südbahnhof aus dem Zug oder Bus stiegen.

Smrad carskih fasada ist im Eigenverlag erschienen

Es ist eine Analyse Wiens mit dem Blick von unten – das macht das Buch zu einer spannenden Lektüre, und gleichzeitig sehr ungeeignet für die Art von Repräsentationskultur, in die Dijaspora-Vereine oder das offizielle Österreich gerne migrantische Künstler einspannen.

Das erklärt auch, warum Darko seinen Roman – es ist sein dritter – im Eigenverlag herausgebracht hat. Öffentliche Unterstützung gab es keine, allerdings gelang es ihm, private Sponsoren aufzustellen. „Sonst hätte ich den Druck nicht finanzieren können.“

(FOTO: Balkan Stories)

Den Eigenverlag merkt man dem Buch auch an. Das Layout könnte leserfreundlicher sein. Auch ein besseres Lektorat hätte dem Roman gut getan.

Das größere Hindernis ist freilich, dass sich Darko ohne Verlag im Hintergrund den Vertrieb selbst organisieren muss. Und natürlich die Werbung.

„Vorläufig muss man das Buch direkt bei mir bestellen„, sagt Darko. „Demnächst soll es aber zumindest in den größeren Buchhandlungen für die jugoslawische Dijaspora aufliegen“.

Bleibt zu hoffen, dass Darkos neuer Roman erfolgreich genug für eine zweite Auflage ist, die die entstehungsbedingten Mängel der ersten ausgleichen kann. Und, dass er ein weites Publikum in der (Ex-)YU-Dijaspora erreicht.

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Balkan Stories, Christoph Baumgarten

Christoph Baumgarten ist Journalist und Balkanreisender aus Leidenschaft. Seit 2015 verbindet er beide Leidenschaften auf seinem Blog Balkan Stories. Dort versucht er, Geschichten zu erzählen, für die es in größeren Medien meist keinen Platz gibt und stellt die Menschen in den Mittelpunkt.

Mehr von Christoph könnt ihr unter balkanstories.net nachlesen.