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INTERVIEW

Gaál: „Wir planen und bauen im Einklang mit der Natur“

(FOTO: Facebook/Kathrin Gaal)

Die amtsführende Wohnbau- und Frauen-Stadträtin Kathrin Gaál (SPÖ) stand uns in einem Interview Rede und Antwort. Unter anderem ging es um die Themen: Deutschpflicht für Gemeindewohnungen, die Vereinbarkeit von Bebauung und Klimaschutz, sowie um Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Wien.

KOSMO: Die Corona-Krise hat alle Bereiche des Lebens verändert. Wie hat sie sich auf das Wohnen ausgewirkt?
Kathrin Gaál: Im geförderten Wohnbau, wo mehr als 60 Prozent der Wienerinnen und Wiener leben, hat die Stadt die Wohnsituation sehr gut im Griff. Wir sehen in der Corona-Ausnahmesituation vor allem, wie wichtig es ist, dass die Stadt ihre Hand schützend über den Wohnungsmarkt hält und regulierend eingreifen kann. Sei es etwa in Form einer Mietstundung oder mit einem Delogierungsstopp. Im privaten Bereich gibt es aber natürlich Herausforderungen.

Geplant war es, dieses Jahr 20.000 geförderte Wohnungen in Wien entstehen zu lassen. Kann dieser Plan trotz Corona-Krise umgesetzt werden?
Ja, aktuell sind in Wien rund 24.000 Wohnungen in Bau oder Planung, die insgesamt mit rund 900 Millionen Euro gefördert werden. Zusätzlich sind gerade 4.000 Wohnungen im Gemeindebau Neu auf dem Weg.

Mehr Wohnungen bedeutet auch mehr verbaute Fläche. Vizebürgermeisterin Hebein warnt vor zunehmenden Temperaturen in der Hauptstadt. Wie möchten Sie den Schutz vor einem Klimawandel und den Wohnbau unter einen Hut bringen?
Zum Glück sind großzügige Grün- und Freiflächen bereits jetzt fixer Bestandteil des Wiener Wohnbau-Modells. Und allein der Gemeindebau trägt überhaupt enorm zur Begrünung Wiens bei. Wiener Wohnen betreut sechs Millionen Quadratmeter Grünraum. Nicht umsonst war das Motto des historischen Gemeindewohnprogramms im Roten Wien „Licht, Luft und Sonne“. Das war unglaublich visionär, davon profitieren wir bis heute. Eine Verbauung dieser Grünflächen, wie von Oppositionsparteien immer wieder gefordert, kommt für mich nicht in Frage. Wir planen und bauen im Einklang mit der Natur und legen größten Wert auf „grüne Infrastruktur“. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Gerade erst vor wenigen Wochen hat die Wiener Stadtregierung die Zukunftspläne für den Nordwestbahnhof präsentiert; dort entsiegeln wir Boden und schaffen somit im Herzen der Stadt zehn Hektar neuen Grünraum für die Wienerinnen und Wiener. Insgesamt, und das wissen nur wenige, ist der Grünraum in den vergangenen Jahren in Wien nicht weniger geworden, sondern sogar gewachsen.

„Die Forderung der ÖVP nach Deutschkenntnissen bei der Vergabe von Gemeindewohnungen ist verfassungsrechtlich gar nicht möglich“ (FOTO: Facebook/Kathrin Gaal)

ÖVP-Spitzenkandidat Gernot Blümel forderte, dass Deutschkenntnisse eine Vorrausetzung für eine Gemeindewohnung sein sollen. Wie kommentieren Sie das? 
Die Wohnungsvergabe in Wien erfolgt nach klaren und transparenten Kriterien. Um anspruchsberechtigt für eine Gemeindewohnung zu sein, müssen streng definierte Grundvoraussetzungen, wie etwa die österreichische Staatsbürgerschaft oder ein gleichgestellter Aufenthaltstitel, zweijähriger Hauptwohnsitz in Wien oder Einkommensobergrenzen erfüllt sein. Durch den von Bürgermeister Michael Ludwig ins Leben gerufenen Wien-Bonus ist außerdem sichergestellt, dass all jene, die schon länger in Wien leben, rascher zu einer geförderten oder Gemeindewohnung kommen. Das ist eine sehr wichtige Maßnahme zum Erhalt der sozialen Durchmischung im geförderten Wohnbau. Gleichzeitig gilt: Die Stadt Wien setzt ihr umfassendes Integrationsprogramm konsequent um. Der Erwerb der deutschen Sprache steht dabei an erster Stelle. Denn gute Deutschkenntnisse sind auch der Schlüssel zur Integration. Die Forderungen der Wiener ÖVP sind hingegen verfassungsrechtlich gar nicht möglich. Denn auch ein Bundesfinanzminister muss sich im Rahmen der Bundesverfassung, der Menschenrechtskonvention und den geltenden EU-Bestimmungen bewegen. Die entsprechende EU-Richtlinie, die es hier zu beachten gilt, wurde übrigens unter der Bundesregierung Schüssel verhandelt und von Ministern der ÖVP und der FPÖ unterzeichnet.

Kürzlich präsentierten Sie zusammen mit der MieterHilfe eine Untersuchung, die zeigt, dass Mieten im Altbau doppelt so hoch wie erlaubt sind. Woran liegt das? 
Das Wichtigste dabei ist: Wir brauchen dringend ein faires und transparentes Mietrecht. Das österreichische Mietrecht ist absolut reformbedürftig, denn es hat längst den Kontakt zur realen Situation am Wohnungsmarkt verloren. Wenn ein Gesetz systematisch nicht eingehalten wird, dann kann es dafür viele Gründe geben. Eines ist dann aber klar: Der Gesetzgeber muss entweder das Gesetz ändern oder seine Überschreitung härter sanktionieren. Aus meiner Sicht ist beides notwendig. Die Bundesregierung muss hier dringend handeln.

„Das österreichische Mietrecht ist absolut reformbedürftig, denn es hat längst den Kontakt zur realen Situation am Wohnungsmarkt verloren“

Wie kann man dieser Situation am Wiener Wohnungsmarkt rechtlich entgegenwirken? 
Es braucht dringend die Einführung eines Generalmietrechts für alle Wohnbereiche: Ein faires System der Mietpreisgestaltung mit klaren Obergrenzen und nachvollziehbaren Zu- und Abschlägen für alle Mietwohnungen – unabhängig vom Jahr der Errichtung. Außerdem die Einführung von spürbaren Geldstrafen bei Verletzung dieser Obergrenzen: Wenn Vermieter vorsätzlich zu hohe Mieten oder Betriebskostenabrechnungen verlangen, soll die Geldstrafe bis zu 300 Prozent des zu viel verlangten Betrags ausmachen. Zurzeit ist Mietwucher straffrei.

In Sozialbau-Mietwohnungen sind die Verträge in der Regel unbefristet. Warum ist das für die Bürger so wichtig und würden Sie ein generelles Aus von befristeten Mietverträgen befürworten?
Unbefristete Mietverträge geben den Menschen einfach ein großes Stück Sicherheit und auch hier muss die Bundesregierung dringend handeln, um etwas gegen diese Befristungswelle zu unternehmen. Bereits 86 Prozent der Wiener Altbau-Wohnungen werden mittlerweile befristet angeboten.

Wienerinnen bekommen durchschnittlich 641 Euro Pension weniger als Männer. Wie steht Wien im Bundesländervergleich und wie möchten Sie die Unterschiede minimieren?
Wien schneidet im Bundesländervergleich am besten ab, die Pensionslücke ist bei uns österreichweit am geringsten. Das reicht aber nicht. Unser klares Ziel ist es, die Lohnschere und die Lücke zwischen der Pension von Männern und Frauen zu schließen. Das Ziel ist: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Denn die beste Vorsorge gegen Armut und Abhängigkeit im Alter ist ein gutes eigenes Einkommen. Maßnahmen der Stadt Wien wie der beitragsfreie Kindergarten oder die Gratis-Ganztagsschule sind auch wichtige Bausteine für eine gute Pension für Frauen. Und wir müssen Mädchen stärken und ihnen ihre Möglichkeiten aufzuzeigen. Das machen wir etwa mit dem Wiener Töchtertag.

„Das Ziel ist: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ (FOTO:Facebook/Kathrin Gaal)

Die Corona-Pandemie brachte die größte Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik. Vor allem Frauen sind von der derzeitigen Situation betroffen. Wie möchten Sie sie dabei unterstützen, wieder in ein langfristiges Beschäftigungsverhältnis zu kommen? 
In den letzten Monaten hat sich gezeigt: Die Doppelbelastung durch Home Office und „Home Schooling“ für Kinder traf und trifft Frauen stärker als Männer. Da müssen wir aufpassen, dass es nicht zu einer Rückkehr zu alten, überholten Rollen kommt – und dass die Corona-Krise keine „Krise der Frauen“ wird. Viele Frauen sind arbeitslos, in Kurzarbeit oder haben Angst um ihren Job. Deshalb freue ich mich sehr, dass es gelungen ist, gemeinsam mit Finanzstadtrat Peter Hanke Zusatz-Geld in der Höhe von 1,3 Millionen Euro für die Frauenförderprogramme des waff auf den Weg zu bringen. Das ist eine enorm wichtige Unterstützung – gerade in der Corona-Krise. Der waff unterstützt Frauen bei der Weiterbildung, bei beruflicher Veränderung oder einem Wiedereinstieg nach der Babypause. Damit werden Frauen neue Chancen im Beruf eröffnet.

Die erste Jahresbilanz des Stadt Wien Frauenzentrums zeigt, dass es eine wichtige Anlaufstelle für Wienerinnen darstellt. Mit welchen Problemen wenden sich Frauen an das Zentrum und welche Unterstützung erhalten sie dort?
Die Jahresbilanz zeigt: Mit der Einrichtung des ,Stadt Wien Frauenzentrums‘ haben wir einen wichtigen Schritt gesetzt, um Frauen in Wien noch besser zu unterstützen. Frauen erhalten kostenlose und anonyme Beratung von Sozialarbeiterinnen, Psychologinnen und Juristinnen. Die Hauptthemen der Beratungen im ersten Jahr waren Scheidung, Trennung und Obsorge – aber auch psychische Gesundheit und Wohnen. Gerade in schwierigen Situationen ist es wichtig, sofort zu handeln und Frauen mit Beratung zu helfen. Im Frauenzentrum sind Expertinnen für die Wienerinnen da – und helfen weiter. Jede Frau wird im Frauenzentrum ernst genommen und unterstützt. In Wien gibt es eine Vielzahl an Stellen, die Frauen unterstützen und fördern. Die Beraterinnen haben den Überblick und vermitteln schnell und unkompliziert zur richtigen Stelle.