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INTERVIEW

Georg Niedermühlbichler: „Lassen Sie den Mietvertrag vor der Unterzeichnung prüfen!“

Georg Niedermühlbichler - der Präsident der Mietervereinigung Österreich (FOTO: zVg.)

Wir sprachen mit dem Präsidenten der Mietervereinigung Österreichs, der größten Mieterschutzorganisation hierzulande, über die aktuellen Probleme hinsichtlich der Mietwohnungen.

KOSMO: Die Mietervereinigung Österreichs wurde mit dem Ziel gegründet, die Wohnsituation der Menschen zu verbessern. Wie genau erfüllen Sie dieses Ziel?
Georg Niedermühlbichler: Die Mietervereinigung ist die größte Mieterschutzorganisation Österreichs und wir verstehen uns seit unserer Gründung – vor mehr als 100 Jahren – als Interessenvertretung aller wohnenden Menschen. Dem Einzelnen können wir umfassenden Schutz in allen wohnrechtlichen Angelegenheiten garantieren, indem wir mit unserem erfahrenen Team Beratungs- und Verfahrenshilfe leisten und bei Problemen mit dem Vermieter zur Seite stehen. Auf der anderen Seite nehmen wir Einfluss auf die Wohnungspolitik und kämpfen für die Verbesserung des Mietrechts. Wir nehmen Stellung zu Gesetzesvorhaben und greifen wohnrechtliche Themen aus der Praxis auf, um die Probleme bei den Entscheidungsträgern bekannt zu machen. Wir formulieren Forderungen und entwerfen Gesetzesvorschläge, um das Wohnen in Österreich sicher und leistbar zu machen.

„Unsere Mitglieder werden in Außerstreitverfahren vor der Schlichtungsstelle oder vor Gericht vertreten sowie bei Vergleichsgesprächen und Lokalaugenscheinen unterstützt. Allein im Jahr 2019 konnten wir rund 4 Millionen Euro für unsere Mitglieder erstreiten.“

Allein in den letzten Jahren hat die Mietervereinigung vieles erreicht: die Maklerprovisionen wurden gesenkt, die Kaution kann nun im Außerstreitverfahren zurückverlangt werden, die Erhaltungspflicht der Therme wurde geklärt, die Mietvertragsgebühren wurden endlich abgeschafft. Diese Verbesserungen gehen auf langjährige Forderungen der Mietervereinigung zurück und haben den Mietern viel Geld erspart. Eine ebenso langjährige Forderung von uns hat es in das aktuelle Regierungsprogramm geschafft: Die geplante Einführung des Bestellerprinzips bei der Maklerprovision wird Mieter entlasten. Wir werden genau darauf achten, dass das auch umgesetzt wird. Darüber hinaus sind wir über die Grenzen Österreichs hinaus aktiv – als Gründungsmitglied der International Union of Tenants (IUT) setzen wir uns weltweit für Mieterrechte und das Menschenrecht auf Wohnen ein.

„Die geplante Einführung des Bestellerprinzips bei der Maklerprovision wird Mieter entlasten. Wir werden genau darauf achten, dass das auch umgesetzt wird.“

Was ist Ihre Hauptzielgruppe bzw. vertreten Sie ausschließlich die Interessen der Mieter?
Wir vertreten nicht nur die Interessen der Mieter, sondern auch jene der Wohnungseigentümer. Österreich gilt im internationalen Vergleich mit einem Mietanteil von über 42 Prozent als klassisches Land der Mieter. In Europa gibt es nur in der Schweiz und in Deutschland einen höheren Mietanteil. Rund 11 Prozent bewohnen eine Eigentumswohnung. In Summe machen diese beiden Wohnformen rund 53 Prozent aus – so gesehen vertreten wir die Mehrheit der Österreicher.

Mit welchen Anliegen treten Mieter am häufigsten an Sie heran?
Jahr für Jahr führen unsere Wohnrechts-Experten rund 45.000 Beratungen und Stellungnahmen durch – via Internet, über Telefon und persönlich in österreichweit 50 Bezirksorganisationen und Servicestellen. Unsere Mitglieder werden in Außerstreitverfahren vor der Schlichtungsstelle oder vor Gericht vertreten sowie bei Vergleichsgesprächen und Lokalaugenscheinen unterstützt. Allein im Jahr 2019 konnten wir rund 4 Millionen Euro für unsere Mitglieder erstreiten. Hauptthemen der Beratungen sind zu hohe Mieten, falsche Betriebskostenabrechnungen sowie die Durchsetzung von Erhaltungs- und Reparaturarbeiten und Streitigkeiten bei Kautionen.

Vorsicht bei Immobilienangeboten im Internet: „Ohne persönlichen Kontakt sollte gar kein Geld fließen. Betrügerische Inserate sollte man umgehend der Polizei melden.“

Was sind die häufigsten Betrugsanzeichen, wenn man eine Wohnung mieten will?
Grundsätzlich sollte man bei Immobilienangeboten im Internet vorsichtig sein. In der großen Anzahl der Inserate könnten Betrüger das eine oder andere Lockangebot platziert haben. Es gibt Fälle, in denen Wohnungen inseriert werden, die es gar nicht gibt. Größte Vorsicht ist geboten, wenn vermeintliche Vermieter einer Wohnung vom künftigen Mieter schon vorab Geld verlangen – etwa für die Besichtigung, einen Schlüssel oder eine Kaution. Das ist ein beliebter Trick, er nennt sich Vorkassenbetrug. Wir raten dazu, niemals vorab Geld zu überweisen. Ohne persönlichen Kontakt sollte gar kein Geld fließen. Betrügerische Inserate sollte man umgehend der Polizei melden.

Was darf man von Mietern überhaupt fordern?
Das lässt sich leider nicht generell beantworten, weil es große rechtliche Unterschiede gibt zwischen Wohnungen, die dem Mietrechtsgesetz ganz, teilweise oder gar nicht unterliegen. Das ist einer der Gründe, warum die Mietervereinigung seit langem ein einheitliches und faires Mietrecht für alle Mietwohnungen fordert. Wir raten jedenfalls dazu, den Mietvertrag noch vor der Unterzeichnung von Wohnrechts-Experten prüfen zu lassen. Für unsere Mitglieder ist ein solcher Check gratis. Generell sollte man sich als Mieter immer Kosten wie Kaution, Maklerprovision, Ablösen etc. schriftlich bestätigen lassen und den Zustand der Wohnung bei Anmietung genau dokumentieren, am besten mit Fotos und einem Übernahmeprotokoll.

Wir raten dazu, den Mietvertrag noch vor der Unterzeichnung von Wohnrechts-Experten prüfen zu lassen. Für unsere Mitglieder ist ein solcher Check gratis.

Wo sehen Sie den größten Verbesserungsbedarf hinsichtlich der heutigen Wohnsituation?
In ganz Österreich und vor allem auch in Wien steigen die Mieten seit Jahrzehnten stärker als die Einkommen. In den letzten 20 Jahren sind die Mieten doppelt so stark gestiegen wie die Löhne. Daher wird es vor allem für junge Menschen und Familien immer schwieriger, überhaupt noch eine bezahlbare Wohnung zu finden. Bei vielen fressen die Wohnkosten schon bis zu 40, 50 Prozent des Einkommens. Das ist nicht mehr leistbar. Hauptpreistreiber sind neben dem zuvor bereits angesprochenen zersplitterten Mietrecht befristete Mietverträge und Lagezuschläge. Unsere elementarste Forderung ist und bleibt daher ein neues, faires Mietrecht mit klaren Preisobergrenzen für alle Mietwohnungen. Dazu liegt ein von uns mit ausgearbeiteter Vorschlag auf dem Tisch. Jetzt ist die Politik gefordert.

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