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KOLUMNE

Herr Bürgermeister, mit Verlaub, das ist Bilderbuch-Rassismus

Muamer-Becirovic-Kolumne
(FOTO: zVg.)

Ich habe bisher nicht für möglich gehalten, dass ein Amtsträger den Zuzug von Familien ausschließlich aufgrund eines anderen Glaubens verwehrt. Überall auf der Welt hätte ich mir das vorstellen können, aber nicht in Europa, nicht im Jahre 2019, nicht in der Wiege der modernen Zivilisation.

Nachdem sich meine Wut gelegt hat, habe ich mich gefragt, wieso der Bürgermeister von Weikendorf, Johann Zimmermann (ÖVP) so denkt und handelt. Nicht nur er, sondern auch die Gemeinde, die mittlerweile Unterschriften sammelt, um den Zuzug dieser sechs köpfigen Familie zu verhindern. Angst kann als Motiv ausgeschlossen sein, denn der Vater der Familie ist ein ehemaliger Universitätsprofessor, dessen Familie nicht den Eindruck vermittelt Drogen über die Grenze zu schmuggeln oder sonstige kriminelle Handlungen zu begehen.

Bis der Bürgermeister den Grund selbst nannte: „Die unterschiedlichen Kulturkreise der islamischen sowie der westlichen Welt“ würden „in ihren Wertvorstellungen, Sitten und Gebräuchen weit auseinanderliegen.“ Und die Gemeindebewohner sehen das anscheinend ähnlich, wenn man bereits 100 Unterschriften gegen den Zuzug sammeln konnte.

Man muss dieses Phänomen trotzdem ergründen und verstehen lernen. Johann Zimmermann, der ÖVP-Bürgermeister, kommt aus einer völlig anderen Welt, als sie es heute ist. Die Globalisierung mit ihren technischen Veränderungen war erst im Kommen, die eigene Heimat musste man mit niemandem teilen und es ging wirtschaftlich für ein paar Jahrzehnte bergauf. Die buchstäblich perfekte, wohlbehütete Welt. Man profitierte von den Vorteilen der Globalisierung, aber hatte die Konsequenzen dafür nicht zu tragen. Bis heute.

Für Kosmopoliten ist der rot-weiß-rote Pass unter anderem ein Mittel zum Zweck, für den Bürgermeister ist das ein Schutzschild vor allem Fremden, vor jedem Übel von außen. Und das Übel ist alles, was seine wohlbehütete, alte Welt, die er kennengelernt hat, in Frage stellt. Diese muslimische Familie ist die Manifestation dessen, vor dem er sich schützen will. Er muss plötzlich seine Heimat mit jemandem teilen, der dort seiner Ansicht nach nicht hingehört. Der nicht dieselben Bräuche, Sitten und Religion teilt und überdies auffallend anders aussieht. Ich verstehe Sie, Herr Bürgermeister. Diese guten, alten Zeiten sind dem Untergang geweiht. Sie werden sich daran gewöhnen müssen, dass sich die Welt verändert und somit auch unsere Heimat – das bedeutet nicht die Veränderung unserer Gesetze und unserer Verfassung, sondern das simple Akzeptieren und Respektieren des Anderssein in der gegenseitigen Anerkennung.

Sie hätten dieser Familie, die ohnehin schon viel durchgemacht hat, unsere Heimat Österreich entzückend und von bester Seite präsentieren können. Sie hätten sie für dieses Land, dessen Bräuche, Sitten und Gewohnheiten vereinnahmen können, so, dass diese Jungen dieser Familie die Erzählung dieses Landes weitertragen. Stattdessen haben sie sich über die Familie erhoben, betrachten ihre Welt als minderwertig und verwehren ihnen ein neues Zuhause. Herr Bürgermeister, mit Verlaub, das ist Bilderbuch-Rassismus