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Verurteilung

Mutmaßlicher Mafia-Boss zu 11 Jahren Haft in Wien verurteilt

FOTO: iStock/Stadtratte

Am Freitag ist am Wiener Landesgericht ein Prozess gegen einen mutmaßlichen Mafia-Boss unter erneut strengen Sicherheitsvorkehrungen zu Ende gegangen. Der Trakt vor dem Gerichtssaal wurde weiträumig abgesperrt und mit einem Fotografier- und Filmverbot belegt – Spezialkräfte der Justizwache und des Verfassungsschutzes waren anwesend. Wegen schweren Raubes wurde der 34-Jährige zu einer elfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, das Urteil des Schöffensenats ist nicht rechtskräftig.

Der Mann soll ein führendes Mitglied einer serbisch-montenegrinischen Mafia-Bande sein, die in Österreich in großem Stil mit Suchtgift handelt. Er soll am 28. Dezember 2019 mit sechs anderen Banden-Mitgliedern in einer Garage in der Bundeshauptstadt einer anderen Täter-Gruppe mit Gewalt 13 Kilogramm Kokain und 106.000 Euro abgenommen, so das erstinstanzliche Urteil. „Wir haben keinen Zweifel, dass der Angeklagte vor Ort war“, stellte die vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung fest. „Es ist ein nicht alltäglicher Fall, mit einer derartigen Brutalität konfrontiert zu sein“, meinte sie zum gegenständlichen Verbrechen. Der Angeklagte sei „respektlos mit fremdem Leben“ umgegangen, das bei der Strafbemessung neben dem getrübten Vorleben und dem raschen Rückfall erschwerend gewertet wurde.

Sein Verteidiger Werner Tomanek legte gegen das Urteil umgehend Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein. Vorerst gab die Staatsanwältin keine Erklärung ab.

Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden hatte die Bande des Angeklagten zum Schein vorgegeben, in Wien einer anderen Täter-Gruppe Kokain abkaufen zu wollen. Dazu wurde eigens eine Lagerhalle angemietet. Als zwei Männer der anderen Gruppe am Übergabeort erschienen waren, warteten laut nicht rechtskräftigem Urteil der Angeklagte und seine Mittäter bereits hinter aufgestellten Matratzen auf diese und schlugen sie dann mit roher Gewalt zu Boden, wo sie dann mit Füßen auf sie eintraten. Einem der beiden Männer wurde auch ein Messer in den Rücken gestochen, der Mann wurde dabei schwerverletzt.

„Ich war nicht Teil dessen, was in der Anklage steht“, hatte der mutmaßliche Mafia-Boss zum Prozessauftakt Anfang November bekanntgegeben. Dessen Gruppierung soll laut Bundeskriminalamt in ganz Europa für Suchtgifthandel in großem Stil und brutale Delikte gegen Leib und Leben berüchtigt sein. Er äußerte sich nicht und machte von seinem Schweigerecht Gebrauch. Dabei blieb er bis zuletzt und forderte nur noch das Gericht auf, „dass alles protokolliert wird“: „Das Einzige, was ich sagen möchte, ist, dass ich daran nicht teilgenommen habe.“

In Serbien hat der 34-Jährige bereits wegen Mordes eine elfjährige Freiheitsstrafe verbüßt. Dem Angeklagten und seiner Gruppierung kam man in Wien auf die Spur, weil diese über den vermeintlich abhörsicheren Krypto-Messenger Dienst Sky ECC kommuniziert hatten. Über einen Server in Frankreich liefen die Chats, der in einer Länder übergreifenden Kooperation von Polizeibehörden in Belgien, den Niederlanden und Frankreich geknackt werden konnte.

In Zusammenarbeit mit dem FBI wurden die Chats in weiterer Folge entschlüsselt, das Ermittlungen gegen Kriminelle in zahlreichen europäischen Ländern zur Folge hatte. Alle bedienten sich mit Krypto-Messenger-Dienste, um ihre Machenschaften abzuwickeln. Über Europol wurden den österreichischen Strafverfolgungsbehörden die Chats, die den 34-jährigen und seine Gruppierung betrafen, zur Verfügung gestellt.

Allein in Wien umfasste die kriminelle Organisation, den Erkenntnissen des Bundeskriminalamts zur Folge, 200 Personen. Sie soll für mehrere 100 Kilogramm Suchtgift in der Bundeshauptstadt Abnehmer gefunden haben. Der Angeklagte rückte im Februar 2020 an die Spitze des Wiener Ablegers vor. Da er davon ausging, dass er in einem abhörsicheren, unentschlüsselbaren Chat kommunizierte, dürften er und seine Banden-Mitglieder freier und offener als in herkömmlichen Chats gesprochen haben.

Mit Fotos und Bildern wurden die begangenen Straftaten auch regelmäßig dokumentiert und in die Gruppenchats gestellt. Der 34-Jährige soll in Bezug auf den inkriminierten Raubüberfall konkrete Anweisungen erteilt haben: während der Verhandlung wurden im Gerichtssaal Audio-Aufnahmen abgespielt, denn der Mann soll Audio-Nachrichten Textnachrichten vorgezogen haben. Das Bundeskriminalamt konnten die beraubten Männer identifizieren, da diese – noch am Boden liegend – fotografiert wurden. Der niedergestochene Mann befindet sich mittlerweile in Zagreb in Haft – er hat sich davor in ein Spital begeben und dort angegeben, er sei von unbekannten Tätern attackiert worden.

Um als Zeuge aussagen zu können, wurde er von kroatischen Behördenvertretern nach Wien zum heutigen Verhandlungstermin gebracht. Er behauptete, den Angeklagten nicht wieder zu erkennen. In seiner Rolle als Zeuge fühlte er sich Berichten zufolge unwohl. Schließlich gab er dies auch zu Protokoll: „Ich stehe seit zwei Jahren unter Druck. Ich fürchte mich vor meinem eigenen Schatten.“