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KOMMENTAR

Am Westbalkan brennt’s: Reden reicht nicht, wir müssen handeln

(FOTOS: zVg.)

Das „Pulverfass“ Europas, wie die Region oftmals pejorativ genannt wird, könnte sich wirklich zu solch einem entwickeln. Es ist höchste Zeit zu handeln!

Vor mehr als 25 Jahren wütete in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens ein blutiger Bürgerkrieg. Die von Josip Broz Tito propagierte „Brüderlichkeit und Einigkeit“ wich ethnischen Teilungen und Hass, der bis heute noch nachhallt. Allerdings ist „nachhallen“ wohl nicht das richtige Wort. Es ist vielmehr ein Brand der seit dem Zerfall des Vielvölkerstaates schwelt und nun droht, abermals auszubrechen.

Die Situation der 1990er Jahre scheint heute am Westbalkan viel näher als noch vor einigen Jahren. Die EU-Integration stockt und immer mehr Krisenherde tun sich auf. Egal ob in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo oder in Montenegro – überall dort gibt es Konflikte. Mischt man zu diesen prekären Situationen noch einen großen Einfluss Russlands gepaart mit einer schwächelnden „europäischen Familie“ – man erinnere sich nur an die geleakte EU-Dokument „Kein Beitritt für den Westbalkan“ – so ergibt das einen toxischen Mix, vor welchem unter anderem auch der Hohe Repräsentant Bosnien-Herzegowinas, Christian Schmidt warnt. Der Staat befinde „in der schlimmsten, existenziell bedrohlichen, Situation seit Ende des Kriegs“, so Schmidt.

Krieg direkt vor der Haustür Europas?
Viele fürchten sich vor dem Krieg. Allerdings nicht nur in B&H, sondern auch in anderen Staaten des Westbalkan. So gab es im September Grenzblockaden im Kosovo dieses Jahres aufgrund eines Kennzeichenstreits. Serbien rückte mit schwerem militärischem Geschütz an um seine Stärke zu demonstrieren. In diesem Zusammenhang kam es auch zu Ausschreitungen, bei welchem ein Serbe durch die kosovarische Polizei schwer verletzt wurde. Währenddessen, westlich der Drina – in Bosnien-Herzegowina, plant das serbische Mitglied des Staatspräsidiums, Milorad Dodik, eine Auflösung des Landes. Der Serben-Führer möchte sich einseitig und verfassungswidrig aus den durch die Friedensabkommen von Dayton geschaffenen staatlichen Institutionen zurückziehen und eine eigene Armee der mehrheitlich serbischen Entität Republika Srpska gründen.

Auch in Montenegro gehen seit längerer Zeit die Wogen hoch. Grund ist ein religiöser Streit zwischen der serbisch- und montenegrinisch-orthodoxen Kirche. Anfang September wurde gewaltsam versucht, eine serbische Bischofsweihe zu boykottieren. Grundlage für den Streit ist das montenegrinische „Religionsfreiheitsgesetz“ aus dem Dezember 2019.

Ein weiterer destabilisierender Faktor ist die propagierte Idee einer „Serbischen Welt“, welche zuerst vom serbischen Innenminister Aleksandar Vulin laut ausgesprochen wurde. Laut eigener Aussage sei es die Aufgabe serbischen Politik, „die Vereinigung aller Serben, egal wo sie leben, umzusetzen.“ Es würde sich um einen „politischen und staatlichen Raum handeln, der absolut friedlich und ohne eine abgefeuerte Kugel“ errichtet werden soll.

All die oben erwähnten Krisen und Konflikte erinnern eindeutig an die Probleme der 90er Jahre. Und wir alle wissen, womit diese geendet haben: in blutigen Kriegen, ethnischen Säuberungen und Völkermord.

Wie dagegen steuern?
Im sogenannten Westeuropa und dem Rest der Welt sollte man sich endlich darüber im Klaren sein, dass der Westbalkan als kohärentes Ganzes betrachtet werden muss. Es handelt sich so gut wie nie um isolierte innerstaatliche Probleme, sondern um eine Fülle an verwobenen, historisch nicht selten weit zurückreichenden, Disputen, die man nur als komplettes Gebilde betrachtet lösen kann. Schon vor Jahren wäre die Zeit gekommen gewesen, auf internationalem Niveau zu handeln – jetzt jedoch erst recht.

Auch wenn es hart klingen mag, so stoßen freundliche Ermahnungen und Bitten vonseiten der EU bereits seit längerem am Balkan auf taube Ohren. Gewaltsame Ausschreitungen oder gar Krieg am Westbalkan wären nicht nur eine Katastrophe für die Bevölkerung in dieser Region, sondern für ganz Europa. Man sollte sich also endlich an den Tisch setzen und Tacheles, sowie Sanktionen und Restriktionen nicht ausschließen. Das fast schon befremdliche Schweigen der EU sollte gebrochen werden und für die Stabilität auf dem Balkan gesorgt, denn die Region ist nicht das „letzte Ende Europas“, sondern liegt im Herzen des Kontinents.