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INTERVIEW

Bora Đorđević: „Wir freuen uns darauf, wieder nach Wien zu kommen“

FOTO: zVg.

LEGENDE. Einer der größten und bedeutendsten Rocker aus unserer Region ist nicht nur Musiker, sondern auch Liedermacher und Autor. Im Interview mit KOSMO spricht er über sich und seinen Lebenskampf.

KOSMO: Wie war es, im ehemaligen, großen Jugoslawien ein Rocker zu sein? Welche Momente waren für Sie die besten und welche die schwersten?
Borisav Bora Đorđević: Wahrscheinlich bin ich seit meiner Geburt in mehreren Jugoslawiens, in denen ich gelebt habe, ein Rocker gewesen. Auf jeden Fall war es gut, denn der Markt war viel größer und es gab viele herausragende Autoren. Ich werde versuchen, einige der Namen und Bands aufzuzählen, die in den unwiederbringlichen 80-er Jahren unterwegs waren und denen die heutigen Autotune-Hybride nie das Wasser reichen können. Ich glaube sogar, dass die jugoslawische Szene neben der englischen und der amerikanischen zu den besten der Welt gehörte. In Slowenien: Pero Lovšin, Vlado Kreslin, Šifrer, Zoran Predin und Lačni Franc und auf jeden Fall der unvergleichliche „Buldožer“; in Kroatien: „Atomsko sklonište“, „Parni valjak“ und ein bisschen später die große „Azra“ mit dem einzigartigen Džoni Štulić“ und nach ihnen eine ganz neue Welle, „Psihomodo pop“, „Film“…

War es für Sie im ehemaligen Jugoslawien schwer, die Popularität zu erreichen und zu bewahren, die sie genossen haben? In dieser Zeit gab es ja viele bekannte Rockgruppen wie „Bijelo dugme“.
In Sarajevo haben nicht nur „Bijelo dugme“ gespielt (sie hatten als Erste begonnen), sondern für mich sind „Zabranjeno pušenje“ genauso wichtig. Die anderen aus der sogenannten Sarajevoer Schule waren für mich eher Schlagermusiker. In Serbien meine Wenigkeit, dann Balašević, „Idoli“, „Električni orgazam“, Šarlo akrobata und das Beste, das sich dort entwickelt hat, EKV! „Generacija 5“, „Leb i sol“ aus Mazedonien und der geniale Miladin Šobić aus Montenegro. Wen haben wir heute? Džiboni, Marčelo, „BG sindikat“, „Hladno pivo“ und Schluss. Die affektierten Junkies, die sich für Künstler halten, die zähle ich gar nicht mit.

„Mein Kampf war gegen Primitivismus, Herrschsucht, Ungerechtigkeit… gerichtet.“

Fast Ihre ganze Karriere war von Regierungskritik gekennzeichnet. In Jugoslawien haben Sie oft Lieder gegen die herrschenden Parteien und gegen die Jugoslawische Volksarmee geschrieben. Was waren die größten Fehler des ehemaligen Jugoslawien und was hat Sie inspiriert, Lieder wie „Kako je lep biti glup“ („Wie schön ist es, dumm zu sein“) und „Slušaj sine“ („Hör zu, mein Sohn“) zu schreiben?
Rock’n’Roll ist logischerweise nicht nur shananana und yeah, yeah, yeah. Ich habe mich immer für oder gegen irgendetwas eingesetzt. Ich würde nicht zustimmen, dass das ein Kampf gegen die Regierung war (außer im Falle Miloševićs, das ist das einzige explizit politische Album). Es war im Grunde ein Kampf gegen Dummheit, Primitivismus, Herrschsucht, Ungerechtigkeit… Sie haben „Kako je lepo biti glup“ erwähnt. Es ist klar, dass das gegen die sinnlosen militärischen Regeln gerichtet war, nach denen es wichtiger war im Schritt zu marschieren als zu schießen.

Bora: „Die jugoslawische Rockszene gehörte neben der englischen und der amerikanischen zu den besten der Welt.“ (FOTO: zVg.)

Egal, wie sehr man Sie verfolgt hat, Sie haben sich gehalten und sind Ihrer Musik treu geblieben. Was hat Sie aufrechterhalten?
Sie sagen „verfolgt“ in Anführungszeichen. Ohne Anführungszeichen stand ich wegen meiner Ideen im Lied „Crni mercedes“ zweimal vor Gericht (wegen Beleidigung der sozialistischen und der patriotischen Gefühle der Bürger) und beide Male wurde ich freigesprochen. Wegen des Liedes „Na zapadu ništa novo“ („Im Westen nichts Neues“) haben mir viel schärfere Sanktionen gedroht.

JUBILÄUM Riblja čorba hat 2018 ihren 40. Geburtstag gefeiert.

Nach dem Beginn des Jugoslawienkrieges waren Sie ein Anhänger Miloševićs und haben in Bosnien-Herzegowina und in Kroatien die serbische Seite unterstützt. 1996 haben Sie bei Radio Bijeljina das Album „Njihovi dani“ aufgenommen, das gegen das Milošević-Regime gerichtet war. Was hat die Änderung Ihres politischen Standpunkts ausgelöst?
Was Milošević betrifft, so war nicht nur ich, sondern ganz Serbien für ihn, denn er kam als erster auf die Idee, auf die nationale Karte zu setzen. (Du konntest offen sagen, dass du Serbe bist, und brauchtest dich dafür nicht zu schämen). Und als er das ins Gegenteil verkehrt hat, als er die Flüchtlinge aus Kroatien verraten hat. 250.000 Menschen hat er nicht nach Belgrad gelassen, sondern auf das andere Schlachtfeld nach Kosovo und Metohija geschickt. Er hat Jezda und Dafina erlaubt, das Volk auszurauben, hat eine Hyperinflation verursacht, hat Kosovo und Metohija den Bach runtergehen lassen – logisch, dass ich dann gegen ihn war und das Album „Njihovi Dani“ mit dem Lied „Baba Jula“ gemacht habe, das zur Hymne der Demonstrationen wurde und mich viel mehr als Gefängnis hätte kosten können.

Zum 40. Karrierejubiläum und nach zehn Jahren Pause war die Rockgruppe „Riblja Čorba“ 2017 auf einer Minitournee in Amerika und Kanada. Wie waren die Erfahrungen dieser Tournee und was sind die weiteren Pläne der Band?
Riblja čorba ist am 15. August 41 Jahre alt geworden. Wir freuen uns, wieder einmal nach Wien zu kommen, in die Stadt, in der wir das Album „Labudova pesma“ aufgenommen haben und einige besonders erfolgreiche Konzerte hatten. Wir hoffen, wir werden Sie nicht enttäuschen. Wir spielen einige neue Lieder von unserem 20. Album „Da tebe nije“, das im September herauskommt, aber auch die altbewährten Hits. Ich werde auch das eine oder andere Gedicht aus dem preisgekrönten Buch „Pusto ostrvo“ vortragen. Wir versprechen gute Unterhaltung.