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Die Scheinheiligkeit der Jugos

FOTO: iStockphoto

Sex oder gar Kinder vor der Ehe? – Um Himmels Willen! Hochzeit mit jemandem, der nicht der eigenen Glaubensrichtung angehört? – Verabschiede dich schon mal von deiner Familie! – Unsere Bloggerin Jelena über die Unschuldslämmchen vom Balkan…

Wenn wir eines können, dann ist es, etwas vorzugeben, das wir nicht sind. Wie kann eine Gesellschaft nur aus so viel Hass, Ignoranz und Intoleranz anderen Meinungen gegenüber bestehen? – Gegen alles, das anders ist, als man selbst. Hass gegen Homosexuelle, Hass gegen andere Religionen, Nationen, Hautfarben?

Dabei wurden wir selbst im Zuge unserer Auswanderung Opfer rassistischer und menschenfeindlicher Äußerungen und Übergriffe, mit denen viele von uns bis heute zu kämpfen haben. Außerdem wissen wir alle aus eigener Erfahrung wozu „Rassenhass“ führen kann – all das spürten wir am eigenen Leib. Und dennoch bemerke ich vorwiegend unter Balkanesen unentwegt die abwertende Haltung all jenen gegenüber, die nicht so sind, wie wir! Wie kann es sein, dass man von solch einer Bigotterie zerfressen ist, dass allein das Beobachten solcher Verhaltensweisen schon fast weh tut.

Wenn es um das Urteilen über die Fehler anderer geht, verwandeln wir uns plötzlich in Heilige und Moralapostel. Unsere Lieblingsbeschäftigung ist es, mit Steinen um uns zu werfen, obwohl wir uns selbst im Sündenpfuhl pudelwohl fühlen. Sogar die Religiösesten unter uns richten sich in dieser Hinsicht nicht nach den Vorgaben der Bibel bzw. des Koran, auch wenn sie nichts lieber tun, als diese Lebensweisheiten zu propagieren.

In unseren Gotteshäusern wird gepredigt: „Lass dich nicht mit anderen Religionszugehörigkeiten ein!“, „Bleib unter Deinesgleichen!“ – an einem Ort, an dem stattdessen Nächstenliebe und Zusammenhalt thematisiert werden sollte! Wagt man es dennoch, sich dagegen aufzulehnen und heiratet beispielsweise jemanden, der den Eltern nicht in den Kram passt, muss man damit rechnen, dass die eigene Familie nicht zur Hochzeit kommt. Was muss in jemandem vorgehen, dem fragwürdige Prinzipien wichtiger sind, als das Glück des eigenen Kindes? Manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass vielen Jugo-Eltern ein vorbestrafter, Frauen-prügelnder Schwiegersohn der eigenen Nationalität und Religion lieber wäre, als ein anständiger, hartarbeitender, fürsorglicher Andersgläubiger!

Und dann wundern wir uns, dass unsere Kinder von Generation zu Generation mit nationalistischem Gedankengut verpestet werden. Wie kann es sein, dass man von klein auf eingetrichtert bekommt, dass nur das Eigene, das Wahre und alles andere (bestenfalls) zweitrangig ist. In keiner anderen Kultur ist diese Denkweise so weit verbreitet, wie in unserer! Und all das unter dem Deckmantel der Frömmigkeit und des Patriotismus!

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