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INTERVIEW

Walter Ruck: „Am Ende zählen Ergebnisse, nicht Parteifarben“

FOTO: Igor Ripak

Migration, Digitalisierung und Fachkräftemangel: Der Präsident der Wirtschaftskammer Wien über die brennenden Themen der Wiener Wirtschaft und warum die 32-Stunden-Woche ein Risiko für unsere Wirtschaft ist.

KOSMO: Unlängst meinten Sie, wir leben in einer der besten Zeiten der europäischen Geschichte. Was meinen Sie damit?
Walter Ruck: Europa hat nach dem Zweiten Weltkrieg eine außergewöhnlich lange Friedenszeit erlebt – eine Entwicklung, die historisch betrachtet einzigartig ist. Zwar sind wir derzeit mit großen Herausforderungen wie der Ukrainekrise, Inflation und Energieproblemen konfrontiert, doch im Vergleich zu den Schrecken des 20. Jahrhunderts stehen wir immer noch sehr gut da. Entscheidend ist, die Dinge aus einer größeren zeitlichen und räumlichen Perspektive zu betrachten und nicht nur den kurzfristigen Krisenfokus zu wahren.


Ein-Personen-Unternehmen bilden einen wesentlichen Bestandteil der Wiener Wirtschaft. Wie schätzen Sie in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Unternehmern mit Migrationshintergrund ein und welche Angebote gibt es, um speziell diese Unternehmergruppe zu stärken?
EPU sind das Rückgrat der Wiener Wirtschaft, und Unternehmer mit Migrationshintergrund spielen eine Schlüsselrolle dabei. Die Wirtschaftskammer Wien unterstützt sie gezielt mit umfassender Gründungsberatung, EPU-Sprechstunden und speziell zugeschnittenen Workshops. Um Sprach- und Kulturbarrieren abzubauen, setzt die Kammer auf KI-gestützte Beratungen in mehreren Sprachen – eine wichtige Maßnahme, um Unternehmergruppen bestmöglich zu erreichen und zu stärken.

„Die 32h-Woche ist Voodoo-Economics, sie würde unserer Wettbewerbsfähigkeit massiv schaden.“
FOTO: Igor Ripak

Stichwort Fachkräftemangel: Wie ist es Ihrer Meinung nach möglich, die Potenziale im Land bestens auszuschöpfen anstatt auf Zuwanderung zu setzen?
Potenziale, die wir im Land haben, zu nutzen ist eine nachhaltige Alternative zu einer kurzfristigen Fokussierung auf Zuwanderung. Modelle wie die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer, die Förderung von Frauen in Vollzeitjobs und die stärkere Aktivierung von Teilzeitbeschäftigten könnten erhebliche Arbeitskräftepotenziale freisetzen. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass junge Menschen, besonders jene mit Migrationshintergrund, besser ausgebildet und in den Arbeitsmarkt integriert werden. Diese Weichenstellung entscheidet über die Zukunft des Wirtschaftsstandorts.

Welche Regierungskoalition wäre die sinnvollste und effizienteste für den Wirtschaftsstandort Wien?
Die Wirtschaftskammer sieht sich als überparteiliche Interessenvertretung und legt den Fokus auf pragmatische, wirtschaftsorientierte Maßnahmen – unabhängig von politischen Präferenzen. Für den Standort Wien wäre eine Regierung von Vorteil, die durch klare Strategien und innovative Ansätze Wachstumsimpulse setzt und zugleich Bürokratie abbaut. Letztlich zählen Ergebnisse, nicht Parteifarben.

„Europa bleibt historisch gesehen trotz Krisen ein prosperierender Kontinent.“

Weshalb ist es Ihrer Meinung nach schwierig, eine 32-Stunden-Woche einzuführen?
Eine 32-Stunden-Woche würde die Lohnstückkosten massiv erhöhen, was Österreichs Wettbewerbsfähigkeit gefährdet – insbesondere in der exportorientierten Wirtschaft. Unsere Arbeitsplätze hängen davon ab, dass wir international konkurrenzfähig bleiben. Die Idee mag in der Theorie attraktiv klingen, doch in der Praxis wäre sie ein schwerer Rückschlag für die Wirtschaft.

„Die Gründungsberatungen liegen um ein vielfaches über den tatsächlichen Gründungen.“
FOTO: Igor Ripak

Die Kammer fördert die Integration digitaler Technologien und KI in Unternehmen, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Welche Bedeutung haben diese Themen für EPU in der Praxis und wie wird das Angebot angenommen?
Digitale Technologien und KI sind für EPU ein bedeutender Hebel, um effizienter zu arbeiten und wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Wirtschaftskammer bietet umfassende Unterstützung, von KI-gestützten Beratungen in mehreren Sprachen bis hin zu spezialisierten Workshops. Diese Angebote werden gut angenommen, da sie speziell auf die Bedürfnisse kleiner und sehr flexibler Unternehmen zugeschnitten sind.

Wie plant die Kammer konkret, bürokratische Hürden abzubauen, um Unternehmen zu entlasten und den Standort Wien als modernen, attraktiven und relevanten Partner für Unternehmer und Investoren zu stärken?
Die Kammer setzt auf eine Kombination aus interner Effizienzsteigerung und innovativen Ansätzen. Projekte wie ein „Innovation Hub“ überprüfen bestehende Prozesse und testen neue Technologien wie KI, um Verwaltungsakte zu vereinfachen. Zugleich wird der Zugang zu Informationen rund um die Uhr erleichtert, sodass Unternehmer weniger Zeit mit bürokratischen Hürden verlieren.


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1980 in Wien geboren, bin ich seit 2005 im Medienbereich tätig. Aufgewachsen in drei Sprachen (deutsch, serbo-kroatisch, wallachisch) sind Interkulturalität, Integration und Diversität nicht nur Fremdwörter sondern, genauso wie Medien, große Teile meines Lebens.