Inmitten hitziger parlamentarischer Debatten in Georgien über ein kontroverses Gesetz, das gemeinnützige Organisationen betrifft, kam es zu tumultartigen Szenen. Abgeordnete des Parlaments in Tiflis lieferten sich am Montag im Zuge einer Auseinandersetzung über die gesetzliche Regelung physische Auseinandersetzungen.
Im Fokus standen Bilder, die zeigten, wie ein Mitglied der Opposition einem Vertreter der herrschenden Georgischen Traum-Partei einen Kopfstoß verpasste. Die darauffolgende Rauferei unter mehreren Parlamentariern führte zum vorzeitigen Ende der Live-Übertragung.
Georgia lawmakers throw down over a controversial “foreign agent” bill. Maybe our politicians could learn something🤣 pic.twitter.com/Wx8F9t4ZoC
— • ᗰISᑕᕼIᗴᖴ ™ • (@4Mischief) April 15, 2024
Tausende gegen „Gesetz ausländischer Interessen“
Draußen vor den Parlamentstüren formierte sich zugleich massiver Widerstand: Rund 10.000 Demonstranten versammelten sich, um gegen das vorgeschlagene Gesetz zu protestieren, nach welchem sich Organisationen, die zu mehr als 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, behördlich als Vertreter fremder Interessen registrieren lassen müssen. Zuvor war von der Bezeichnung „ausländische Agenten“ die Rede, die tief in der sowjetischen Rhetorik verwurzelt ist und Konnotationen des Verrats und Feindbilds schürt.
“Georgia will be independent, free and with the EU regardless of the obstacles.”#NoToRussianLaw pic.twitter.com/quJF8bh261
— Katie Shoshiashvili (@KShoshiashvili) April 15, 2024
Proteste und Festnahmen in Tiflis
Mittendrin im Geschehen die Demonstranten, die europäische Gemeinschaftsfahnen schwangen und lautstark „Nein zum russischen Gesetz“ skandierten – ein Vergleich, der sich auf eine ähnliche Gesetzgebung aus dem Jahr 2012 in Russland bezieht, die dort zur Unterdrückung staatlicher Kritiker genutzt wird. Während der friedlichen Demonstrationen wurden mindestens vier Protestierende festgenommen, eine Szene, die von Reportern internationaler Nachrichtenagenturen festgehalten wurde.
Stimmen der Opposition
„Ich kann dieses Gesetz nicht akzeptieren, es steht im Gegensatz zu europäischen Werten und gleicht dem repressiven russischen Vorbild“, teilte die Studentin Maka Kvirikadze mit, während der Zahnarzt Giorgi Lachkhi hinzufügte: „Mit solchen antidemokratischen Gesetzen wird Georgien niemals Teil der EU werden können, deshalb stehen wir hier und lassen das nicht zu.“ Beide heben hervor, dass Georgien zu Europa gehöre und nicht erneut zu einer Peripherie Russlands werden dürfe.
Präsidentin kritisiert Vorgehen der Polizei
Präsidentin Salome Zurabischwili, die bekannt für ihre pro-westliche Haltung ist, äußerte sich über soziale Netzwerke: Sie steht in Konflikt mit der Regierungspartei und sprach von einer „massiven friedlichen Demonstration gegen das ‚russische Gesetz‘.“ Sie machte auf die Anwesenheit der Bereitschaftspolizei aufmerksam, die gegen Demonstranten vorgehen könnte, „die für ihre europäische Zukunft kämpfen.“
EU-Ambitionen
Der Verdacht, dass die Regierungspartei Georgischer Traum im geheimen Einvernehmen mit dem Kreml steht, wird immer lauter. So sieht der Politikwissenschaftler Ghia Nodia in dem Gesetzentwurf eine offensive Strategie, um den westlichen Einfluss zurückzudrängen: „Offiziell soll Georgien in Richtung EU geführt werden, doch in Wahrheit werden die europäischen Perspektiven des Landes untergraben.“ Umfragen bestätigen, dass sich eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung Georgiens, rund 80 Prozent, den Beitritt zur Europäischen Union wünscht.
Die ehemalige Sowjetrepublik, die bereits offiziell zum EU-Beitrittskandidaten avancierte, sieht sich mit einer Zwickmühle konfrontiert. Trotz des Strebens nach Mitgliedschaft in EU und NATO, fordert Brüssel das Fallenlassen des aktuellen Gesetzesvorhabens. Indes gibt es Anzeichen dafür, dass sich Georgien unter Premierminister Irakli Garibaschwili erneut Russland zuwendet.
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