Die Fashion Week Sarajevo hat den Bahnhof der bosnischen Hauptstadt zu einem Schauplatz einer ihrer Modeschauen gemacht. Angesichts des Zustands der Eisenbahn in Bosnien ist das eine bizarre Entscheidung. Der Zustand des Bahnhofs macht es nicht besser.

Man wolle den „Glanz des Bahnhofs von Sarajevo wiederherstellen“, sagen die Betreiber der LEDA BH Fashion Week Sarajevo, gar ihn „als eines der Symbole der Hauptstadt Bosniens und Hercegovinas und als beliebten Treffpunkt zurückgeben“.
Und machen prompt eine Modeschau, über die lokale Medien eifrig berichten. Um das zu toppen, gibt es als Abschlussevent der Modewoche eine Fahrt mit einem VIP-Zug. Wohin, verrät der Artikel auf klix.ba nicht – aber weit kann es nicht sein.
Die weiteste Zugverbindung von Sarajevo aus führt über Mostar nach Ploče an der dalmatinischen Küste. Derer gibt es zwei Verbindungen am Tag – und nach Ploče sind offenbar auch die nur saisonal – vom 28. Juni bis 1. September. Den Rest des Jahres muss man offenbar an der Grenzstation Čapljina aussteigen.
Es ist übrigens die einzige internationale Zugverbindung in ganz Bosnien und Hercegovina.
Ansonsten gibt es nur eine Handvoll Regionalzüge pro Tag. Nicht mal nach Doboj kommt man von Sarajevo aus, von Banja Luka ganz zu schweigen.
Auch der Bahnhof selbst ist in einem beklagenswerten Zustand, auch nach der kürzlichen Renovierung.
Ich habe bei meinem jüngsten Besuch Ende Mai keine Aufzüge oder Rolltreppen gesehen. Wer sein Gepäck hier für ein paar Stunden abstellen will, muss mit dem Klowärter einen Deal abschließen.
Das Umfeld des Bahnhofs verfällt fröhlich vor sich.
Da gibt es reichlich Glanz wiederherzustellen – aber bitte erst, wenn man mit der Funktionalität fertig ist. Eine Modeschau wird das nicht ändern. Zum einem Symbol Sarajevos wird sie den Bahnhof nicht einmal für Touristen machen – die kriegen die Veranstaltung nicht einmal mit.
Vielmehr täuscht die LEDA BH Fashion Week Sarajevo mit der Aktion alle über den Zustand des Bahnhofs hinweg, die ihn nicht so gut kennen. Was auf die überwiegende Mehrheit der Bosnier zutreffen dürfte. Einen Bahnhof, den man nie benutzt hat, kennt man eben nicht.
Und, vielleicht mehr als alles andere, ästhetisiert eine Modeschau hier den Zusammenbruch der Infrastruktur im Land, die armseligen Versuche, das mit etwas Farbe zu verschleiern, und eine korrupte und nationalistisch versiffte Politik, die sich auch noch feiern lässt dafür, dass sie ihre Bürger offen verachtet.
Ganz so ernst scheinen es die Veranstalter auch nicht zu meinen mit dem Bahnhof.
Am Instagram Account der Fashion Week Sarajevo fanden sich Montagabend keine Bilder der Modeschau am Bahnhof am Sonntag, auch nicht auf der Facebook-Seite der Veranstalter. Den neu ausgebauten Flughafen präsentierte man im Gegensatz stolz als Kulisse für Fotos.
Vielversprechender und nachhaltiger sind Überlegungen eines lokalen Künstlerkollektivs, am Bahnhofsgelände ein Sozial- und Künstlerzentrum einzurichten. Solche Zentren sind mit dem Zerfall Jugoslawiens aus der bosnischen Hauptstadt verschwunden.
Da müssten freilich die Eisenbahn der Federacija BiH und die lokale Politik mitspielen.
Balkan Stories, Christoph Baumgarten

Christoph Baumgarten ist Journalist und Balkanreisender aus Leidenschaft. Seit 2015 verbindet er beide Leidenschaften auf seinem Blog Balkan Stories. Dort versucht er, Geschichten zu erzählen, für die es in größeren Medien meist keinen Platz gibt und stellt die Menschen in den Mittelpunkt.
Mehr von Christoph könnt ihr unter balkanstories.net nachlesen.
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