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GESCHICHTEN VOM BALKAN

Balkan Stories: Franjo und der seltsame Fall der gefälschten Drina

(FOTO: Balkan Stories)

Millionengeschäft Zigarettenschmuggel

In Kroatien gibt es keine bosnischen Zigaretten.

Kroatien belegt die mit hoher Steuer. Der Export zahlt sich nicht aus.

In Kroatien kann man höchstens kroatische Zigaretten kaufen, die offiziell nach Bosnien verkauft wurden und wieder zurückgeschmuggelt wurden.

Die kauft man auch auf Märkten oder in verschwiegenen Geschäften, zu günstigeren Preisen als in der offiziellen Trafik.

Hat ja niemand Tabaksteuer gezahlt.

Vielleicht sind da auch mal gefälschte dabei.

Nur sicher keine gefälschten Drina.

Und ganz sicher keine mit serbischer Steuermarke.

Tabak- und Zigarettenschmuggel ist nach wie vor ein Abermillionengeschäft im ehemaligen Jugoslawien.

Ganz besonders in Bosnien.

Bis zu 20 Prozent aller Zigaretten und allen Tabaks, die dort geraucht werden, gelten als geschmuggelt.

Steuerfreie Ware kannst du überall kaufen

Händlerinnen und seltener Händler findet man praktisch überall.

Die alten Frauen vor dem Busbahnhof Lukavica/Istočno Sarajevo haben sie offen auf Handtüchern oder Decken ausgebreitet.

In Zenica stehen sie in der Fußgängerzone.

In Markale in Sarajevo sind sie etwas diskreter.

Die alten Frauen raunen dir im Vorbeigehen zu: „Cigare? Duhan?“

Sagst du Ja, führen sie dich zu einem Stand, eine Lade geht auf und die hältst die Ware in der Hand.

Ein halbes Kilo Golden Virginia für 13 Mark, das sind 6 Euro 50.

Hab ich gehört.

An Zigaretten werden ausländische Marken oder die etwas teureren Produkte der Fabrika Duhana Sarajevo (FDS) angeboten.

In Summe ist das Phänomen für die bosnischen Tabakbauern schon seit Jahren existenzbedrohend.

Drina Denifine hab ich nie schwarz angeboten gesehen.

Drina zu schmuggeln, lohnt sich weniger

Vermutlich ist der offizielle Verkaufspreis mit aktuell 4,90 Mark (2,45 Euro) zu gering als dass sich Schmuggel groß lohnen würde.

FDS scheint damit halbwegs klarzukommen.

Denkbar wäre es, dass Drina offiziell nach Serbien exportiert werden und zurück nach Bosnien geschmuggelt.

Aber, wie gesagt, beim relativ niedrigen Preis sind andere Marken attraktiver.

Malboro etwa kosten sechs Mark die Packung.

Außerdem ist das Risiko mit Serbien größer geworden.

Die Behörden haben den Zigarettenschmuggel aus Bosnien einigermaßen unterbunden.

Wenngleich die vermutlich Verantwortlichen nicht immer von der Bildfläche verschwunden sind.

Vermutlich steckt anders als in Montenegro niemand Wichtiger tief drin im Geschäft.

Abzweigung: Schmugglerparadies Montenegro

Der Schmuggel läuft eher Richtung Westen. Über Montenegro.

Das gilt auch für Zigaretten, die von der FDS hergestellt werden.

FDS bestreitet, etwa in dieser ausführlichen und gut recherchierten Geschichte von BIRN, bewusst für den illegalen Handel zu produzieren.

Das ist nicht völlig unplausibel.

Ob der Händler, für den FDS herstellt, die Zigaretten wie laut offiziellen Papieren in Libyen verkauft oder sie nach Griechenland schmuggelt, kann FDS bestenfalls zum Teil kontrollieren.

Ob es FDS auch brennend interessiert, ob ihre Zigaretten legal oder illegal verkauft werden, ist eine andere Frage.

FDS interessiert wahrscheinlich mehr, ob eigene Zigarettenmarken gefälscht werden oder nicht.

Das dürfte öfter vorkommen.

Auch gefälscht wird oft

Kleine Tabakfabriken lassen sich ohne allzu großen Aufwand schnell einrichten.

Dass die Ware minderer Qualität ist, ist den illegalen Fabrikanten egal.

(FOTO: Balkan Stories)

Sie wollen Geld verdienen, nicht Kunden verwöhnen.

Gefälscht werden dürften vor allem die prestigeträchtigeren ausländischen Marken wie Malboro. Oder die etwas teureren Lokalmarken.

Die Preisunterschiede zwischen Schwarzmarkt und Trafik sind dort am größten.

Das macht es für Kunden attraktiver.

Dass die preisgünstigsten Zigaretten gefälscht werden, dürfte nicht so oft passieren.

Eine Internetrecherche zu gefälschten Drina-Zigaretten brachte keine Ergebnisse.

Andererseits: Bosnien erhöht jährlich die Tabaksteuer.

Je teurer auch die günstigen Zigaretten werden, desto eher ist es ein Anreiz, auch sie zu fälschen.

Offenkundig ist das passiert.

Und offenkundig tun Politik und Behörden gerade in Bosnien sehr wenig gegen Schmuggel und Fälschungen.

Der Staat gilt generell nicht als Hort der Rechtsstaatlichkeit und der Korruptionsbekämpfung.

Dass Bosnierinnen und Bosnier gelegentlich bewusst oder unbewusst gefälschte Drina-Zigaretten kaufen, ist da ein eher kleineres Problem.

Wenngleich eines, an dem man sehen kann, was alles schief läuft im Land.

Woher Franjos gefälschte Drina stammen, wird sich vermutlich nicht mehr rekonstruieren lassen.

Balkan Stories, Christoph Baumgarten

Christoph Baumgarten ist Journalist und Balkanreisender aus Leidenschaft. Seit 2015 verbindet er beide Leidenschaften auf seinem Blog Balkan Stories. Dort versucht er, Geschichten zu erzählen, für die es in größeren Medien meist keinen Platz gibt und stellt die Menschen in den Mittelpunkt.

Mehr von Christoph könnt ihr unter balkanstories.net nachlesen.