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Balkan Stories: Taxi, Taxi. Die Zagreber Connection

(FOTO: Balkan Stories)

In Zagreb versucht die Taxi-Mafia, Touristen abzuzocken. Sie geht noch dreister vor als das in Beograd der Fall ist. Was ihr beliebtester Trick ist und wie ihr euch wehren könnt, lest ihr hier.

„Ko je prvi?“, frage ich am Taxistand am Zagreber Hauptbahnhof.

Ein Taxler Ende 30 marschiert zum Fahrzeug an der Spitze der Warteschlange.

Ich setze mich rein und sage ihm die Adresse.

Er steckt ein Smartphone an.

„Taxameter has started“ tönt es aus einem der Lautsprecher.

Mit Ausnahme des GPS ist das Display sehr klein.

Von der Rückbank aus kann ich den Betrag nur ausmachen, wenn ich mich nach vor beuge.

Eine 7 leuchtet orange.

In welcher Währung das sein soll, ist nicht klar auszumachen.

Theoretisch sollten es Euro sein.

Kroatien hat die Gemeinschaftswährung zu Jahresbeginn eingeführt.

In einigen Lokalen sieht man die Preise noch zuerst in Kuna angeschrieben, der Euro-Betrag steht daneben.

Bei Taxlern sollte man davon ausgehen, dass die ihre Taxameter längst neu geeicht haben.

Wir rollen an.

Wir biegen links ab.

Der Betrag am Taxameter-Smartphone steht mittlerweile bei 7,80.

Ich versuche, möglichst unschuldig zu klingen, als ich frage, in welcher Währung denn der Preis angegeben sei.

„In Euro“, sagt der Taxler.

Mir sind in die Petrinjska Ulica eingebogen, gleich neben dem Hauptsitz der kroatischen Forstverwaltung.

Die Fahrt war bislang 30 Meter lang.

Am Taxameter-Smartphone leuchtet die Zahl 8,20.

Das ist grob geschätzt das Drei- bis Vierfache dessen, was die Fahrt bisher ausmachen sollte.

Bis an mein Ziel hätte die Fahrt bei legalen Preisen etwa fünf Euro ausgemacht.

Wir trennen uns nicht im Guten

„Die Fahrt ist zu Ende“, sage ich.

Der Fahrer bleibt stehen und seufzt.

Ich mache die Tür auf und steige aus.

Er hält die Hand auf.

Offenbar will er kassieren.

„Sei froh, dass ich nicht die Polizei rufe“, sage ich ihm.

Der Taxler macht die Fahrertür auf und tut so, als würde er aussteigen wollen, um mich zu verprügeln.

Es folgt eine Tirade wechselseitiger Beschimpfungen.

Der Lokalkultur nicht Kundige und politisch überkorrekte Wiener Journalisten würden sie als „Androhung sexueller Gewalt“ beschreiben.

Ich haste den Rest der Strecke zu Fuß.

Die Buchvorstellung von Refik Hodžićs „Polaroid Kauboj“ hat ohnehin schon begonnen.

Ob ich zehn Minuten früher oder später auftauche, wird auch keinen Unterschied mehr machen.

Auf den Gedanken, zurück zum Taxistand zu gehen, komme ich nicht.

Der Taxler hat sein Touristenbetrugsprogramm offensichtlich professionell angelegt.

Der Stützpunkt der Taxi-Mafia

Es ist davon auszugehen, dass Taxler am Zagreber Hauptbahnhof unter einer Decke stecken.

Derart dreiste Betrugsmaschen funktionieren nur, wenn es ein Umfeld gibt, das diese Spielchen toleriert.

Auf Tripadvisor schildern zahlreiche Touristen, wie sie von der Taxi-Mafia am Zagreber Hauptbahnhof abgezockt wurden.

Hier schildert ein Tourist, dass ihm ein Taxler am Hauptbahnhof mehr als den zehnfachen Tarif verrechnet hat.

Wie alltäglich betrügerische Taxler in Kroatien und vor allem Zagreb sind, legt auch dieser Thread auf Reddit nahe.

Der Hauptbhanhof von Zagreb scheint der Haupstützpunkt der kroatischen Taxi-Mafia zu sein.

Der Nächste probiert es.

Drei Tage später.

Es ist mein letzer Abend in Zagreb.

Ich trinke in der Innenstadt noch ein paar Biere.

Kurz vor Mitternacht mache ich mich auf den Heimweg.

In den vergangenen Wochen habe ich exzessiv diverse Städte und Umgebungen erkundet. Mein rechter Fuß schmerzt.

Ich beschließe, ein Taxi nachhause zu nehmen.

Der nächste Taxistand ist um die Ecke.

Viel mehr als sieben Euro sollte die Fahrt nicht kosten, allenfalls acht.

Es sind etwas mehr als vier Kilometer.

Das Taxischild des nächsten Fahrers leuchtet gelb.

Der Startpreis im nächsten Taxi beträgt 2,50 Euro.

Das ist in Ordnung.

In Zagreb gibt es keinen behördlichen Taxitarif.

Aber es gibt einen Preisrahmen, der sich durch die Konkurrenz eingependelt hat.

Die Preise weichen um etwa zehn Prozent voneinander ab.

Das Taxameter bewegt sich wesentlich schneller als zu erwarten wäre.

Offensichtlich ist es manipuliert.

Das wird interessant, denke ich mir.

Diesmal bin ich nicht so blöd und hüpfe vorher raus.

Es ist spät und ich hinke.

Wer weiß, wann ich jetzt ein Taxi kriege.

Der Fahrer bringt mich in die richtige Straße, aber zur falschen Hausnummer.

Ich öffne die Tür und stelle meinen Fuß draußen auf den Boden.

Nicht, dass er auf blöde Gedanken kommt und mich einsperrt.

Der Betrüger droht mit der Polizei

„20 Euro 60“, sagt der Fahrer.

So viel hätte die Fahrt vielleicht in Bern oder in Oslo gekostet, und nicht einmal da bin ich mir sicher.

Ich gebe ihm einen Fünf-Euro-Schein und eine Ein-Euro-Münze.

Das würde die Fahrt bei so wenig Verkehr kosten, wie wir ihn gerade hatten.

„Was, 20, 60 hab ich gesagt“, sagt der Fahrer unwirsch.

„Zahl ich nicht.“

„Da, da ist die Rechnung, wenn du mir nicht glaubst“.

Er druckt mir einen Wisch auf einem kleinen Drucker aus.

„Interessiert mich nicht. Dein Preis ist das Dreifache vom normalen Preis.“

„Ich bin kein Funktaxi, ich hab meinen eigenen Tarif. Bei mir kostet ein Kilometer drei Euro“.

Normalerweise kostet ein Kilometer etwas unter einem Euro.

Eine Preisliste hat er nirgends angebracht, wie das gesetzlich vorgeschrieben wäre.

Er zeigt mir die Liste – auf seinem Taxameter. Das offenbar neben dem geeichten Programm ein zweites hat.

„Du hast das Taxameter manipuliert“.

„Ich rufe die Polizei“.

„Ja bitte“.

Er steigt aus, geht ein paar Schritte vom Taxi weg und hebt sein Telefon zum Ohr.

Nach ein paar Sekunden spricht er ins Telefon.

„Ja, Polizei? Ich bin hier bei Adresse so und so, und ich hab einen Gast, der will nicht zahlen“.

Ich steige aus und sehe ihm amüsiert zu.

„Die Polizei kommt gleich, dann werden wir ja sehen“, sagt er.

„Ja, werden wir“, sage ich und zünde mir ein Zigarette an.

Der Betrüger gibt auf

Nervös geht er auf und ab.

Nach einer Zigarettenlänge ist immer noch nichts von der Polizei zu sehen.

Das überrascht mich nicht über die Maßen.

Der Taxler hebt erneut sein Handy zum Ohr.

„Ja, Polizei? Ich habe vor ein paar Minuten angerufen. Ich bin ein Taxi, und da ist ein Herr, der will nicht zahlen“.

Er bewegt das Handy vom Ohr weg und steckt es in die Tasche.

„Die Polizei will nicht kommen. Du hast Glück gehabt“.

Er gibt mir meinen Fünfer zurück, steigt ins Auto und fährt weg.

Glücklich sieht er nicht aus.

Wäre ich vermutlich auch nicht, wenn meine Betrugsmasche nicht aufgegangen wäre.

Ich freue mich. Ich hab gerade einen Betrüger ausgenommen.

Andere Masche als in Beograd – und deutlich dreister

Sich der Zagreber Taxi-Mafia zu erwehren, ist etwas aufwändiger als in Beograd oder Sarajevo.

Die letztgenannten Städte haben behördliche Taxitarife.

Manipulierte Taxameter sind vor allem in Beograd nicht völlig unbekannt, die behördlichen Tarife machen aber Kontrollen deutlich einfacher.

Das schränkt die Betrugsmöglichkeiten etwas ein.

Dort probiert es man es lieber mit überhöhten Pauschalen.

Das Drei- oder Vierfache des ortsüblichen Preises zu verlangen, trauen sich aber die Wenigsten.

(Auch wenn es gelegentlich vorkommt, siehe HIER.)

Meist pendelt sich das beim Doppelten ein. Immer noch schlimm genug.

In Sarajevo kommt es selten vor, dass Taxler Kunden betrügen.

Zahlt sich das aus?

Freilich erscheint es etwas rätselhaft, warum die Zagreber Taxi-Mafia derart dreist ist.

Wenn jemand 20 oder 30 Prozent auf den Tarif aufschlägt, fällt das wahrscheinlich nur jemandem mit sehr guter Ortskenntnis auf.

Wenn jemand den drei- oder vierfachen Tarif verlangt, ist auch für die allermeisten Touristen offensichtlich, dass er versucht, sie zu betrügen.

Offenbar verlassen die sich darauf, dass die wenigsten Menschen streiten wollen.

Und wahrscheinlich lassen sich auch einige von der Drohung einschüchtern, dass die Polizei kommt.

Das sollte man nicht tun.

Besser: Aussteigen, gegebenenfalls Gepäck in Sicherheit bringen und dann streiten.

Und wenn der Taxifahrer mit der Polizei droht – die Sache einfach aussitzen.

Die Polizei wird nicht kommen.

Dass die Behörden die Zagreber Taxi-Mafia tolerieren, ist offensichtlich.

Dass sie ihr aktiv beim Geldeintreiben helfen, ist hingegen sehr unwahrscheinlich.

Balkan Stories, Christoph Baumgarten

Christoph Baumgarten ist Journalist und Balkanreisender aus Leidenschaft. Seit 2015 verbindet er beide Leidenschaften auf seinem Blog Balkan Stories. Dort versucht er, Geschichten zu erzählen, für die es in größeren Medien meist keinen Platz gibt und stellt die Menschen in den Mittelpunkt.

Mehr von Christoph könnt ihr unter balkanstories.net nachlesen.