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INTERVIEW

Dusan Sretovic: „Es muss nicht erst etwas Schlimmes passieren, um Kraft in sich selbst zu finden”

(Foto: Sofija Palurović)

Ein Sturz auf das Klavier, eine Kopfverletzung, dann die Musikvolksschule und die Musikmittelschule, ein Straßenbahnunfall, bei dem er ein Bein verliert, die Anpassung an das neue Leben, erste Plätze bei Wettbewerben, das Diplom und am Ende eine Festanstellung im Museum Mozarthaus in Wien. Das sind nur einige der Lebensstationen des jungen Pianisten Dušan Sretović, der mit seiner Arbeit, seinem Einsatz und Lebenswillen Musikgeschichte in Europa geschrieben hat. Und er selbst sagt, das sei erst der Anfang.

Obwohl er schon mit neun Jahren wusste, dass eines seiner Lebensziele eine Musikausbildung in Wien sein würde, hielt der Lebens- und Berufsweg des jungen serbischen Pianisten zahlreiche Hochs, aber auch Tiefs bereit, aus denen Dušan das Beste gemacht hat, das er konnte.

„Mein erster Kontakt mit dem Klavier war etwas schmerzhaft, denn ich habe mich, als meine Schwester Klavier spielte, daran gestoßen und mir den Orbitaknochen gebrochen. Weil meine Schwester später nicht mehr spielen wollte, haben meine Eltern das Klavier verkauft. Mir haben sie damals nicht erlaubt, Klavier zu spielen, denn ich war ein Junge, das Instrument war teuer und ich spielte bereits Gitarre, und so sollte es besser auch bleiben. Ich war damit einverstanden, aber ich konnte sehr überzeugend sein und habe sie später irgendwie überredet, dass ich doch Klavier spielen müsste, obwohl ich kein Instrument zu Hause hatte“, sagt Dušan gegenüber KOSMO.

Das Fehlen eines Instruments zum Üben hinderte ihn nicht daran, seine Fertigkeiten zu entwickeln, Erfolge zu erzielen und zum besten Schüler seines Jahrgangs ernannt zu werden. Sein erstes Klavier erhielt Dušan als Geschenk. Als seiner ersten Professorin klar wurde, welches Talent in ihm schlummerte, schenkte sie ihm ihr Klavier, auf dem Dušan fortan übte und an seinen Plänen für eine Übersiedlung nach Wien arbeitete.
„Nach einem siebentägigen Überlebenskampf, begann der Kampf um seinen Platz im Leben”

Der Weg aus seiner Heimatstadt Belgrad nach Wien und zur Verwirklichung seines Kindheitstraums wurde jäh unterbrochen. Denn als er elf Jahre alt war, geriet Dušan in einen Verkehrsunfall und wurde von einer Straßenbahn angefahren. Dabei verlor er sein linkes Bein und brach sich das rechte. Aber auch von diesem Rückschlag ließ er sich nicht stoppen.

Foto: Sofija Palurović


„Dass ich von einer Straßenbahn angefahren wurde, war schrecklich. Dass ich ein Bein verloren habe und dass ich bei dem Unfall auch das andere gebrochen habe, ist auch schrecklich, aber in jedem Unglück liegt auch etwas Gutes. Bei dem Unfall habe ich das linke Bein verloren, und das linke Pedal braucht man beim Klavierspielen wesentlich seltener. Das war ein großes Glück im Unglück. Ich habe mich immer auf ein Ziel fokussiert und dieses angestrebt, da hat mich der Unfall nicht gestoppt. Ich habe mir selber gesagt, ’O.k., jetzt ist Zeit, gehen zu lernen, damit ich meinen Traum verwirklichen kann und dorthin gehe, wohin mich das Leben führt’.”
Den Erfolgen nach zu urteilen, die folgten, haben das Leben und die guten Menschen, die ihm begegneten, ihn dorthin gebracht, wohin er gehört: auf eine der besten Musikuniversitäten in Wien.

„Verwirklichung der Kindheitsträume”

Unter einer Konkurrenz von 130 Kandidaten aus allen Teilen der Welt war Dušan einer der zehn besten Pianisten, und so wurde er Student der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien.
„Als ich neun Jahre alt war, hatte ich meiner Familie gesagt, dass ich in Wien bei Nataša Veljković studieren würde, die in ihrem Fach ein wahres Wunder ist. Alle lachten damals über mich, aber einige Jahre später hörte mich Nataša in Belgrad und sagte mir, ich sollte nach Wien kommen. Ich wusste, dass ich nicht direkt bei ihr studieren konnte, denn sie lehrte an der pädagogischen Abteilung, aber ich hoffte auf jeden Fall, dass sie für mich einen guten Professor finden würde. Und dann fielen die Würfel irgendwie richtig und ich begann mein Studium im Konzertfach in ihrer Klasse als einziger Student dieser Fachrichtung. Damit hatten sich meine Träume erfüllt”, so Dušan.


Der Beginn von Dušans Studentenleben war von finanziellen Problemen geprägt, denn Studenten aus Drittländern können, auch wenn sie in ihrem Fach noch so gut sind, keine Stipendien von europäischen Fonds erhalten. Aber hilfsbereite Menschen, die Dušan auf seinem Lebensweg traf, halfen dem angehenden Pianisten, seine Ausbildung fortzusetzen.


„Ich hatte im Leben das große Glück, Menschen kennenzulernen, die mein Talent zu schätzen wussten. Sie wussten auch, dass ich aus einem ärmeren Umfeld stammte, und waren bereit mir zu helfen. Am Ende gewährte mir die Fakultät trotz allem ein Studentenstipendium. Die Bekanntschaft mit Dr. Joana Batsilao aus Belgrad war für mich sehr wichtig, da sie mir sowohl finanziell als auch emotional half. Olivera Miljaković, eine Sängerin der Wiener Oper, war eine der ersten, die mir die Hand reichte und half, als ich nach Wien kam. Wer irgendwohin umzieht, kommt nicht alleine zurecht. Er braucht ein bisschen Hilfe, und ich hatte das Glück, dass ich solche Menschen um mich hatte.”
Ab einem gewissen Zeitpunkt setzte Dušan seine Ausbildung bei Jasminka Stancul fort, was ihm viel bedeutete, denn: „Das war eine große Ehre, weil ich meinen Unterricht von den beiden einzigen Pianistinnen unserer Herkunft in Wien erhielt.”

Foto: Sofija Palurović

Nächste Station — Mozarthaus

Nachdem er seinen Magistertitel im Konzertfach – Klavier an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien erworben hatte, schrieb sich Dušan für ein Postdiplomstudium ein.

„Wenn ich jetzt an meine ersten Jahre in Wien zurückdenke, kommt es mir vor, als hätte ich in einem Rausch gelebt. Ich war 18 Jahre alt und wollte alles. In gewisser Weise waren das trotz aller Probleme, die ich hatte, und vor allem trotz der finanziellen Schwierigkeiten die besten Jahre meines Lebens, denn jeder hat Probleme, aber es gibt immer etwas Gutes, auf das man sich konzentrieren kann. Das ist das beste Kriterium, wenn das Leben einem Menschen, der träumt, ein Ziel hat und daran arbeitet, das auf die beste Weise zurückzahlt.”
Nach allen Studien- und Wettbewerbserfolgen fand Dušan seinen Platz im Wiener Kunstleben im Mozarthaus. Dort wo einst Mozart und Joseph Haydn spielten, spielt er als Solo- aber auch als Kammermusiker auf dem Klavier.

Wohin jetzt?

„Einer meiner Kindheitsträume war, dass ich es zum amerikanischen „Juilliard” schaffen wollte, was in gewisser Weise 2019 gelungen ist, als ich eine Einladung an diese Universität erhielt. Aber dann kam Corona und ich war in dieser Zeit nicht bereit, Wien zu verlassen. Ich halte mir alle Optionen offen. Vielleicht gehe ich noch nach New York, aber bis dahin habe ich in Wien noch das eine oder andere zu lernen.”
Einer der größten Träume des jungen Pianisten ist es, als Solist mit einem Orchester zu spielen. Und das sollte er in diesem Jahr in Spanien erleben.

Seine Lektion für das Leben?

Obwohl er in der Pubertät einen schweren Verkehrsunfall hatte, ist Dušan nicht einen Moment in seinem Leben stehengeblieben, sondern er hat auch weiterhin alle Chancen ergriffen, die das Leben ihm bot. Das empfiehlt er auch uns allen.
„Wir alle haben eine Kraft in uns und es muss nicht erst etwas Schlimmes passieren, damit man diese Kraft in sich findet. Wenn man einen Traum hat, ist das Beste, das man tun kann, an seinem Traum zu arbeiten und ihn nicht loszulassen. Dann ist der Erfolg garantiert.”

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Nachdem sie ihr Bachelorstudium an der Fakultät für Politikwissenschaften in Belgrad abgeschlossen hat, begann Aleksandra ihre journalistische Karriere bei der Tagespresse in Serbien, wo sie bis zu ihrem Master-Abschluss gearbeitet hat. Letztes Jahr verschlug es die wissbegierige Serbin schließlich nach Wien. Jetzt lebt sie ihre Leidenschaft für Journalismus als Redakteurin des KOSMO-Magazins aus. Stets professionell und mit viel Interesse, berichtet sie über aktuelle politische und gesellschaftliche Themen. In ihrer Freizeit liest die Politologin am liebsten ein Buch, oder entdeckt auf ihrem Fahrrad neue Orte in Wien.