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"ZWEI TAGE NICHTS GEGESSEN"

Freiwillige evakuieren bosnisches Flüchtlingslager (FOTOS+VIDEO)

FOTO: EPA-EFE/FEHIM DEMIR/Screenshot X
FOTO: EPA-EFE/FEHIM DEMIR/Screenshot X

In Bosnien-Herzegowina wurden rund hundert Menschen aus einem eingeschneiten Flüchtlingslager bei Lipa gerettet. Ein heftiger Schneesturm sorgte am 24. Dezember für den Ausnahmezustand in der Region.

Berichten zufolge waren die Behörden nicht in der Lage, die Evakuierung zu organisieren. Freiwillige aus der Nachbarschaft griffen ein und ermöglichten die Rettung der Menschen. Wäre niemand gekommen, dann „wäre jemand gestorben“, erklärte ein Bewohner des Lagers gegenüber der Zeitung „Novosti“. Die Situation unterstrich erneut die prekäre Lage der Geflüchteten im Winter.

Zwei Tage ohne Strom, Wasser und Essen

Das Flüchtlingslager war zwei Tage lang von der Außenwelt abgeschnitten. Während des Schneesturms fiel der Strom aus, was zu einem Totalausfall der Wasserversorgung und Heizung führte. Auch die Essenslieferungen des Roten Kreuzes kamen nicht durch. Ein Betroffener schilderte: „Wir haben zwei Tage lang nichts gegessen.“ Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) befanden sich am 22. Dezember 113 Personen in dem Lager. Die Evakuierten wurden erst in einer nahegelegenen Stadt wieder von offiziellen Stellen in Obhut genommen.

Dauerhafte Missstände im Flüchtlingslager Lipa

Das Flüchtlingslager Lipa steht seit Jahren im Fokus humanitärer Kritik. Bereits zuvor waren Asylsuchende im Flüchtlingslager Lipa nahe der Stadt Bihać an der bosnisch-kroatischen EU-Außengrenze im eisigen Winter auf sich allein gestellt und letztlich auf die Unterstützung selbstorganisierter Freiwilliger aus der lokalen Zivilgesellschaft angewiesen.

Nach einem Brand Ende 2020 mussten etwa 900 Geflüchtete wochenlang in Bussen ausharren, da die bosnischen Behörden keine Unterkünfte bereitstellen konnten. Obwohl das Lager mit EU-Mitteln wieder aufgebaut wurde, bleiben die Bedingungen problematisch. Medien und Hilfsorganisationen wird häufig der Zugang verweigert. Zudem ist das Lager nur als Transitstation gedacht, da die meisten Bewohner versuchen, in die EU zu gelangen.

Nach dem Wiederaufbau des Camps in Lipa errichtete die österreichische Organisation „International Center for Migration Policy Development“ (ICMPD) dort eine Art „Hafttrakt“, der jedoch nie genutzt wurde. Laut der österreichischen NGO SOS Balkanroute soll dieser „Hafttrakt“ nun aufgrund fehlender Baugenehmigung abgerissen werden.

Menschenrechtsverletzungen an der bosnisch-kroatischen Grenze

Die Geflüchteten, oft aus Marokko, Afghanistan und Syrien, stoßen bei ihrem Versuch, die EU zu erreichen, auf erhebliche Hindernisse. An der bosnisch-kroatischen Grenze berichten sie seit Jahren von Pushbacks und Gewalt durch kroatische Grenzpolizisten. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch dokumentieren Misshandlungen, Demütigungen und die systematische Ablehnung von Asylgesuchen. Trotz internationaler Kritik leugnet Kroatien diese Vorwürfe, während die EU-Kommission überwiegend schweigt.

Die aktuellen Ereignisse in Lipa zeigen, wie dringend eine verbesserte humanitäre und politische Lösung für die Geflüchteten in der Region notwendig ist. Freiwillige Hilfe allein kann die systemischen Probleme nicht beheben.