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SCHACH-INTERVIEW

„Bei uns Freiheitlichen gibt es keine Bauernopfer“

H.C. Strache
Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FOTO: Peter Provaznik)

Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) sprach im Schach-Interview mit uns über Regierungsreformen, den Schutz der „alten Migranten“ und erklärte aus welchem Grund er im Schach die Dame dem König vorzieht…

KOSMO: Herr Vizekanzler, herzlichen Glückwunsch zum bevorstehenden Nachwuchs! Die Staatspflichten und die Familie unter einem Hut zu bringen ist mit Sicherheit nicht einfach?
Vizekanzler: Das ist es wirklich nicht, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Für meine ersten beiden Kinder habe ich mir seinerzeit zu wenig zeitliche Freiräume schaffen können, das ist ein Fehler, den ich nicht wiederholen will. Zumindest in den ersten Tagen und Wochen möchte ich diesmal in nächster Nähe sein und werde mir deshalb einen „Papamonat“ nehmen und mein Gehalt in diesem Zeitraum spenden.

Sie spielen Schach mit Ihrem Parteikollegen Johann Gudenus. Welches Spiel bevorzugen Sie? Ein KURZspiel oder ist es eher eine KERNstrategie?
Beides: Da wir beide nur selten und dann auch nie sehr lange Zeit dafür haben, schauen wir, dass es kurze, kernige Partien sind.

Mit welcher Schachfigur würden Sie den Bundeskanzler Kurz vergleichen?
Als Bundeskanzler wäre er am Schachbrett natürlich der König…

Welche ist Ihre Lieblingsschachfigur und warum?
Die Dame. Sie ist zwar formal nach dem König nur die Nr. 2 am Feld, hat aber den weitaus größeren Aktionsradius und prägt das Spiel insgesamt entscheidend.

Schach und Politik sind sich sehr ähnlich. Mittels Ablenkungsmanöver versucht man von wahren Vorhaben abzulenken. Verwenden Sie diese Strategie in Ihrer politischen Arbeit?
Natürlich will und darf man sich nicht in die Karten schauen lassen – aber sagen wir so: Je überzeugender die eigene Arbeit, je offenkundiger die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der eigenen Politik, desto weniger braucht es komplizierte Manöver. Die Reformarbeit der Regierung spricht für sich selbst, da braucht man nicht erst in die Trickkiste zu greifen – das machen eher Politiker, die real wenig vorzuweisen haben, wie zum Beispiel unsere Vorgängerregierung.

Um den Sieg zu erringen, muss man in diesem Spiel den einen oder anderen Bauer opfern. Wie ist es in der Politik?
Bei uns Freiheitlichen gibt es keine Bauernopfer. Wir lassen niemanden zurück und kümmern uns als die soziale Heimatpartei eben ganz besonders um die sogenannten „kleinen Leute“. Wir sind das soziale Gewissen dieser Regierung.

Mit welcher Politikerin bzw. welchem Politiker würden Sie nicht Schach spielen?
Christian Kern hat mit mir um eine Flasche Wein gewettet, dass er länger Parteiobmann sein wird als ich. Auf den Wetteinsatz warte ich immer noch. Es heißt zwar Wettschulden sind Ehrenschulden, aber womöglich gelten da bei der SPÖ ja andere Regeln. Vielleicht müsste man sich da also auch eine Schachpartie gut überlegen.

Sie haben mit der ÖVP die Indexierung der Familienbeihilfe für die im Ausland lebenden Kinder beschlossen. Die EU-Kommission will das Gesetz kippen, sobald es verabschiedet und bekanntgemacht wird. Welche Taktik werden Sie anwenden, sollte der Fall eintreten?
Wir verlassen uns hier auf unsere Argumentation, die nach jedem gesunden Menschenverstand völlig einleuchtend sein dürfte – und hoffentlich herrscht der in dieser Sache auch in Brüssel: Die Familienbeihilfe ist kein Einkommen, sondern eine Unterstützung für die Kosten, Kinder großzuziehen. Wenn diese Kinder im Ausland leben, wo die entsprechenden Kosten deutlich geringer sind, muss der österreichische Steuerzahler sich die Differenz ersparen.

Nach dem Kopftuchverbot in den Kindergärten, soll dieses nun auch an Volksschulen folgen. Ist das der nächste Schritt für ein generelles Kopftuch- und Verschleierungsverbot in Österreich?
Ziel der Erziehung in österreichischen Bildungseinrichtungen ist es, Kindern eine optimale Entwicklung zu ermöglichen. In Kindergärten und Schulen soll daher auch eine erfolgreiche soziale Entwicklung gefördert werden – und dazu gehört die umfassende Integration der Schülerinnen und Schüler mit ausländischen Wurzeln. Und das Tragen eines Kopftuchs schon durch kleine Mädchen bedeutet eben keineswegs eine „harmlose“ Bedeckung des Kopfes: Sondern eine physische und psychische Abgrenzung zur Gesamtgesellschaft, die der Integration im Wege steht. Es kann dadurch zu einer frühzeitigen, insbesondere geschlechtlichen, Diskriminierung kommen, die mit den österreichischen Grundwerten und gesellschaftlichen Normen unvereinbar ist. Unser primäres Ziel ist außerdem, kleine Mädchen vor einer Frühsexualisierung zu schützen – und das Kopftuch ist im Islam ein Symbol dafür, dass die Geschlechtsreife erreicht ist. Eine solche Sexualisierung von Minderjährigen lehnen wir entschieden ab – jedes Kind hat schließlich das Recht auf Kindheit!

„Christian Kern hat mit mir um eine Flasche Wein gewettet,
dass er länger Parteiobmann sein wird als ich.
Auf den Wetteinsatz warte ich immer noch.“

– Heinz-Christian Strache

Kommen wir zu Ihrem Ressort. Passionierter Raucher und Sportminister – wie ist das zu vereinbaren?
Zunächst einmal ist es genau umgekehrt: Passionierter Sportminister und dann, lange danach, Raucher – so lauten die Prioritäten. Ich komme ja selbst aus dem Leistungssport, habe intensiv Fußball, Judo und Schach betrieben. Jetzt, wo der aktive Sport aufgrund meiner politischen Arbeit leider zwangsläufig in den Hintergrund gerückt ist, kann ich mir ab und zu mein kleines Laster gönnen.

Herr Gudenus ist mittlerweile in seiner Kommunikation viel direkter geworden als Sie. Hat er die Oppositionsarbeit von Ihnen übernommen und befindet sich die FPÖ Wien bereits im Wahlkampfmodus?
Meine Kommunikation ist nach wie vor direkt und vor allem meine Positionen ganz klar, da hat sich nichts geändert; was Sie meinen, ist vielleicht die eine oder andere Formulierung, wo man als Parlamentarier manchmal noch deutlicher und mundgerechter werden kann, als ein Regierungsmitglied und Vizekanzler. Aber machen Sie sich keine Sorgen: In der Sache bleibe ich umso mehr auf unserer freiheitlichen Linie als der sozialen Heimatpartei.

Bürgermeister Ludwig hat damals gemeint, dass die FPÖ keine Freude haben wird, wenn er zum Bürgermeister gewählt wird. Hält sich Ihre Freude immer noch in Grenzen?
Ja, aber weniger wegen seiner Person, als wegen seiner Politik. Und leider müssen die Menschen in Wien nach wie vor die Folgen dieser verfehlten, sündteuren roten Rathauspolitik ausbaden: Ob bei der Tragikomödie Krankenhaus Nord mit horrenden Kosten für Wünschelrutengänger, ob zuletzt bei der teuren Posse um zehntausende Klingelschilder mit Namen an Gemeindebauten, die erst gegen neutrale ausgetauscht wurden und dann wieder gegen die ursprünglichen Klingelschilder – die SPÖ bringt’s einfach nicht, weder in Wien in der Regierung, noch im Bund in der Opposition.

Obwohl die SPÖ als Partei der Migranten gilt, ist eher die Wahrnehmung, dass bestimmte Migrantengruppen die FPÖ wählen. Warum glauben Sie ist das so?
Weil natürlich auch solche Migranten, die seit vielen Jahren in Österreich sind, sich hier integriert und etwas aufgebaut haben, erschrocken sind über diejenigen, die in den vergangenen Jahren und insbesondere 2015 ins Land gedrängt sind. Diese Neuankömmlinge stammen anders als viele „alte“ Migranten aus Kulturen, die mit der unseren wenig bis gar nichts gemeinsam haben und sie auch nicht respektieren – und das geht auch Zuwanderer früherer Jahre zu Recht gegen den Strich.

Johannes Kopf vom AMS hat unlängst in einem Interview bestätigt, dass die „alten Migranten“ von den „neuen Migranten“ vom Arbeitsmarkt verdrängt werden. Was kann man tun um diese zu schützen?
Ganz einfach: Sichere Grenzen. Einerseits von Europa insgesamt, Stichwort „Ein Europa, das schützt“, das Motto unseres EU-Ratsvorsitzes – und andererseits Österreichs Grenzen selbst. Wir müssen entscheiden, wer ins Land kommt und wer nicht – und ein wesentlicher Aspekt sollte sein, ob wir, ob der Arbeitsmarkt, hier einen Bedarf hat. In Bereichen, wo durch Zuwanderungen eine Verdrängung am Arbeitsmarkt stattfinden würde, müssen und werden wir unsere Leute natürlich vor solchen negativen Auswirkungen schützen. Und das schließt „alte Migranten“ natürlich ein, von denen sehr viele ja in diesem Land im Gegensatz zu fast allen „neuen“ Migranten eine Menge geleistet und beigetragen haben.

„Diese Neuankömmlinge stammen anders als viele „alte“ Migranten aus Kulturen,
die mit der unseren wenig bis gar nichts
gemeinsam haben und sie auch nicht respektieren.“

– Heinz-Christian Strache

Oft ist es so, dass man auf seine Herkunft reduziert wird, obwohl man bestens integriert ist. Bis zu welcher Generation muss man den Migrationshintergrund erben?
Ich denke dafür gibt es keine einfache Regel oder einen bestimmten festen Zeitraum. Manche integrieren sich sehr schnell – und zwar in die österreichische Gesellschaft insgesamt, nicht nur in die jeweilige eigene Gemeinde, denn darauf kommt es ja an; andere weniger und manche überhaupt nicht, egal wie lange sie hier sind. Und genau das, die dadurch fast zwangsläufige Entstehung von Parallelgesellschaften, wollen und werden wir nicht tolerieren.

Im Telefonbuch findet man den Familiennamen Strache 7 Mal und den Familienname Jovanovic 898 Mal. Wie viele Einträge erfordert es, bis ein Name österreichisch ist?
Siehe oben, auch bei Telefonbucheinträgen ist das kaum so einfach quantifizierbar. Aber ich denke, dass die 898 Träger des Namens Jovanovic auf Nachfrage diesen Namen wohl kaum als einen österreichischen deklarieren würden – also fragen Sie vielleicht am besten ein paar Jovanovics danach… (lacht).

Ist der Integrationsprozess der Ex-Jugoslawen abgeschlossen bzw. wenn nicht, wann soll es soweit sein? Seit der Gastarbeitergeneration sind schließlich schon 50 Jahre vergangen.
Wie schon oben gesagt: Für komplexe Vorgänge, wie die Integration einer ist, gibt es weder ein „Kochbuch“ noch eine Tabelle mit fixen Zeiten, wann es soweit ist. Es kommt auf eine ganze Menge unterschiedlicher Faktoren an, von denen die Sprache sicherlich der wichtigste ist – gemeinsam mit der echten Bereitschaft, sich die Sitten und Gebräuche, die Mentalität, einfach die Kultur insgesamt des aufnehmenden Landes zu eigen zu machen. Und sich eben auch zuerst und vor allem als Österreicher zu fühlen! Natürlich: Als Österreicher mit diesen oder jenen Wurzeln, zu denen man natürlich stehen kann und auch soll – aber eben zuerst als Österreicher. Dann erst kann von einem wirklich abgeschlossenen Integrationsprozess gesprochen werden.

Und zum Schluss: wo liegt ungefähr Ihre Elo-Zahl?
Ich denke das lässt sich jetzt, wo ich seit vielen Jahren nur mehr Hobby-Spieler bin, gar nicht mehr festlegen. Meine aktive Zeit in diesem Sport liegt dafür zu lange zurück, noch in meiner Schulzeit. Aber jetzt wo wir gegeneinander gespielt haben, können Sie ja meine Spielstärke ungefähr einschätzen (lacht).

H.C. Strache
Der Vizekanzler hat unseren Chefredakteur besiegt und damit bewiesen, dass er nicht nur in der Politik ein erfahrener Stratege ist, sondern auch im Schachspiel. (FOTO: Peter Provaznik)