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INTERVIEW

Kathrin Gaál: Gewalt hat in dieser Stadt keinen Platz

(Foto: Amel Topčagić)

Wir sprachen mit der Vizebürgermeisterin und amtsführenden Stadträtin für Wohnen, Wohnbau, Stadterneuerung und Frauen, Kathrin Gaál über die aktuellen Wohnpreise, Wohnbeihilfen und Frauenrechte, sowie Lösungen und Offensiven die die Stadt Wien bietet.

KOSMO: Die Krisen in der Welt spielen sich derzeit auf mehreren Ebenen ab. Neben steigenden Preisen und einem immer teurer werdenden Leben war Wohnraum in Wien nie so teuer. Welche Lösungen bietet die Stadt Wien für dieses Problem an?
Kathrin Gaál: Es ist eine sehr herausfordernde Zeit für uns alle. Gerade jetzt zeigt sich einmal mehr, wie wichtig der geförderte Wohnbau für die Stadt Wien ist. Mehr als 60 Prozent der Wiener und Wienerinnen leben in einem Gemeindebau oder einem geförderten Wohnbau. Wenn wir über den Gemeindebau reden, dann heißt das: Unbefristete Mietverträge, keine Kautionen und leistbare Mieten. Hier gibt es schon sicheres Wohnen – auch und gerade in diesen unsicheren Zeiten. Genau diese Sicherheit ist ganz wichtig für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Wien. Wir brauchen dringend ein neues Mietrecht, das am privaten Wohnungsmarkt mehr Sicherheit bieten würde. Hier ist die Bundesregierung sehr gefordert.

KOSMO: Ab wann rechnen Sie mit höheren Wohnbeihilfen für sozialschwache Personen?
Kathrin Gaál: In Wien gibt es für unsere Bürgerinnen und Bürger sehr viele Unterstützungen in unterschiedlichen Bereichen. In meinem Ressort gibt es die Wohnbeihilfe. Hier haben wir schon während der Pandemie gehandelt und den Zugang zu Wohnbeihilfe erleichtert. Wir haben außerdem einen Wohnbeihilfe-Checker eingeführt, der so rasch zeigt, ob jemand berechtigt ist, Wohnbeihilfe zu beziehen. Im Sozialressort gibt es Mietbeihilfe und wenn man sich auf die aktuelle Situation bezieht, haben der Bürgermeister und der Finanzstadtrat Energie-Unterstützung präsentiert. Es ist ganz wichtig zu betonen: es gibt viele Möglichkeiten für Unterstützungsleistungen, bitte abholen!

KOSMO: Wird Wien angesichts steigender Energiepreise versuchen, verstärkt auf Solar- beziehungsweise alternative Energiequellen umzusteigen?
Kathrin Gaál: Hier gibt es mehreren Säulen. Eine davon ist der Sanierungsbereich. Wir fördern jetzt bereits die Erstellung von Sanierungskonzepten. So kann zum Beispiel die thermisch-energetische Sanierung von Mehrfamilienwohnhäusern bestmöglich vorbereitet werden. Wir haben eine Offensive gestartet, die Wir SAN Wien heißt, um die Wohngebäude und Häuserblocks zukunfts- und klimafit zu machen. Es gibt auch eine Wiener Photovoltaik-Offensive, die der Klimastadtrat ausgerufen hat. In unserem Ressort versuchen wir hier Unterstützung zu bieten und haben erst im Juni im Landtag ein Gesetz verabschiedet. Jetzt ist es möglich, kleine Photovoltaik-Anlagen (Kleingartenhäuser, Einfamilienhäuser) ohne jeglichen Behörden-Kontakt und ohne Verfahren zu installieren. Für die mittelgroßen Anlagen haben wir die Verfahren auch vereinfacht.

KOSMO: Während der Pandemie nahm die Gewalt an Frauen zu. Ihnen ist nicht gelungen, eine angemessene Zusammenarbeit mit Ministerin Susanne Raab zu erreichen. Hat sich die Kooperation zwischen Bund und Stadt inzwischen verbessert?
Kathrin Gaál: Das Thema Frauen ist für mich ein Schwerpunktthema. Leider muss ich sagen, dass sich der Kontakt mit der Bundesebene nicht wirklich verbessert hat. Das Thema Gewalt gegen Frauen geht über Partei-Grenzen und Landes-Grenzen hinweg und beschäftigt uns alle. Wir haben wirklich eine gute Kooperation mit den Bundesländern und den LandesrätInnen, die für Gewaltschutz zuständig sind. Wir tun alles, was in unserer Macht steht, weil es ganz klar ist: Gewalt hat in dieser Stadt keinen Platz und wenn es sie gibt, dann muss sehr rasch und unkompliziert geholfen werden. In Wien gibt es einen 24-Stunden Frauennotruf, der sieben Tage pro Woche für Frauen da ist. Es gibt auch ein Frauenzentrum, welches auch Unterstützung in vielen Bereichen, auch zum Thema Gewalt bietet. Darüber hinaus gibt es den Verein Wiener Frauenhäuser. Wenn Frauen von ihrem Ehemann, Partner, Ex-Ehemann oder Expartner misshandelt werden, sie oder ihre Kinder von Gewalt bedroht oder betroffen sind, dann können sie hierher kommen. Die Türen der Frauenhäuser sind immer offen. Wir bauen gerade ein fünftes Frauenhaus und werden in Zukunft 50 zusätzliche Plätze bieten. Das gibt uns die Möglichkeit, ein bereits bestehendes Frauenhaus umzubauen, wo wir dann Mädchen und junge Frauen zwischen 16-22 Jahren betreuen wollen. Sie haben andere Bedürfnisse bei der Betreuung – besonders, wenn es zum Beispiel um das Thema Ausbildung geht. Die Mitarbeiterinnen dort leisten Großartiges und schaffen es wirklich, den Frauen den Weg aus der Gewaltspirale zu zeigen und sie beim Aufbau eines gewaltfreien Lebens zu unterstützen.
Eine besonders wichtige Anlaufstelle für alle Wienerinnen ist das Frauenzentrum. Hier gibt es kostenlose Beratung von Juristinnen, Sozialarbeiterinnen und Psychologinnen.

KOSMO: Die Einkommensunterschiede setzen sich auch in der Pension fort. Wie wird die Stadt Wien den Gender Pay Gap, schließen oder verringen?
Kathrin Gaál: Hier müssen wir dranbleiben und hartnäckig sein. Der Satz ,,Gleicher Lohn – Gleiche Arbeit“ ist nach wie vor aktuell. Es ist wichtig, Frauen zu zeigen, dass sie bei den Lohnverhandlungen selbstbewusster sein können. Hier ist das Thema Lohntransparenz sehr wichtig. In der Stadt Wien gibt es so etwas, aber es wäre auch in der Privatwirtschaft ganz dringend notwendig. Ein zweiter wichtiger Faktor ist, dass wir Frauen die Möglichkeit geben wollen, sich im Beruf zu entwickeln, um ein unabhängiges Leben zu führen. Wenn eine Frau selbstständig und unabhängig ist, dann kann sie auch leichter aus einer Gewaltspirale ausbrechen. Viele Frauen bleiben nach wie vor in Beziehungen, weil sie kein eigenes Einkommen haben. Wir wollen eine Infrastruktur schaffen, um Frauen zu ermöglichen, sich beruflich zu entwickeln. Das macht zum Beispiel der Waff mit seinem Angebot.

KOSMO: Die Mädchen ziehen nicht oft technische Berufe und Ausbildungen in Betracht. Wie kann man sie mehr motivieren?
Kathrin Gaál: Wir bemühen uns sehr, den Mädels Lust auf technische Berufe zu machen und Mut zuzusprechen. In der Stadt Wien gibt es den Töchtertag, an dem Mädchen an einem Schnuppertag in einem Unternehmen teilnehmen können, um dort Berufe aus den Bereichen Technik/Digitalisierung, Handwerk und Naturwissenschaften kennenzulernen. Wir wollen zeigen, dass Mädchen alles können, genau wie die Burschen. Heuer haben wir zum ersten Mal einen Töchtertag KIDS für Volksschülerinnen der 3. und 4. Schulstufe angeboten, die in Begleitung ihrer Lehrerinnen und Lehrer für rund zwei Stunden ein Unternehmen besucht haben. Über das Frauenservice haben wir auch Robotik-Kurse angeboten. Wir wollen zeigen, wie viele ausgezeichnete Frauen es in vielen technischen Berufen gibt. Sie sind Vorbilder und machen Mädchen und jungen Frauen Mut.