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KOMMENTAR

Kommt der balkanische Frühling?

Balkanischer-Frühling
(FOTOS: Tanjug, Novosti.rs, Instagram stopkrvavimkosuljama)

Diese Frage stellt sich Andreas Ernst in seinem Kommentar für die „Neue Zürcher Zeitung“. In seinem Artikel analysierte er die Proteste in Albanien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Serbien und kam zu folgendem Schluss: der Balkan drängt drängt auf eine Revolution.

Für die Proteste gibt es unterschiedliche Anlässe, jedoch gemeinsame Gründe und noch viel mehr einen gemeinsamen Gegner – die Machthaber in den jeweiligen Ländern.

In Belgrad, Serbien, fordern die Bürger schon zum 14. Mal das Ende von Aleksandar Vučićs Regierung. In Montenegro, hingegen, fand bereits die vierte Versammlung statt, die den Rücktritt von Präsident Milo Đukanović verlangt.

Bevor in Albanien die Oppositionsparteien das Ende von Edi Ramas Herrschaft mit einem Parlamentsboykott herbeizwingen wollen, gab es schon seit Dezember Proteste der Studenten.

Seit fast einem Jahr gibt es in Banja Luka, Bosnien-Herzegowina, Proteste gegen die Polizeiführung und die Regierung von Milorad Dodik.

Auslöser für die Unruhen
Es handelt sich bei den Protesten nicht um eine regionale Bewegung. Somit besteht kein Zusammenhang zwischen den Akteuren und zwischen den verschiedenen Ländern.

Der Anlass für die Unruhen ist lokal geprägt. Gründe für die Proteste sind Unzufriedenheit und Frustration.
Die albanischen Studentenproteste haben sich an die hohen Studentengebühren gerichtet. Die Unzufriedenheit verbreitete sich schnell und die Unruhen begannen sich gegen die Regierung von Edi Rama zu richten.

In Banja Luka war der ungeklärte Tod eines Jugendlichen namens David Dragičević (KOSMO berichtete) Auslöser für die Aufstände. Es entstand eine Bewegung, die „Gerechtigkeit für David“ fordert, der als Opfer vertuschter Polzeigewalt betrachtet wird. Mittlerweile richten sich die Proteste ebenso gegen Milorad Dodik.

Ein Video, das einen Geschäftsmann zeigt, der 2016 dem damaligen Bürgermeister von Podgorica einen Umschlag mit 97.000 Euro überreicht, sorgt in Montenegro für die Unstimmigkeiten. Die Demonstranten fordern den Rücktritt von Milo Đukanović.
Die Frustrationen haben Ähnlichkeiten

Die Struktur der Proteste ist ähnlich. Die Unruhen kommen aus der Gesellschaft, denn die Bürger sind unzufrieden. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass sich die vier Länder gegen autoritäre Führungsfiguren, die seit längerem in der Politik dominieren, richten. Ihr Wunsch ist es, diese „mächtigen“ Männer zu verjagen.

Die unzufriedenen Bürger verlangen faire Wahlen, auch wenn sie sich im Klaren darüber sind, dass dies unter den momentanen Bedingungen kaum möglich ist.

Gefährdung für die EU?
Ebenso eine Gemeinsamkeit dieser vier Länder ist, dass sie alle Beitrittskandidaten der EU sind. Auf die Proteste reagiert Brüssel ratlos. Der Sprecherin der Kommission zufolge sei ein balkanischer Frühling auszuschließen. Laut ihr haben die Proteste „unterschiedliche Charakteristiken“, deshalb sollte man sie nicht miteinander vergleichen.