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INTERVIEW

LR Eichtinger: „Der Westbalkan ist ein wichtiger Partner für die EU und Niederösterreich“

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(FOTO: Philipp Monihart)

Unsere Redaktion sprach mit dem NÖ-Landesrat für Wohnbau, Arbeit und internationale Beziehungen, Dr. Martin Eichtinger über die wirtschaftlichen Perspektiven Österreichs und des Balkans.

KOSMO: Vor Ihrer Tätigkeit als Landesrat waren Sie österreichischer Botschafter in London. Wie war der Moment, als Sie Landeshauptfrau Mikl-Leitner kontaktierte, um Sie in die Landesregierung zu holen?
LR Eichtinger: Wir feierten gerade die Sponsion von meinem Sohn als mich der Anruf von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner ereilte, ob ich ein Teil ihres Regierungsteams werden möchte. Ich fühlte mich geehrt und habe noch am selben Abend das Angebot mit meiner Familie besprochen. Der Rückhalt meiner Familie war mir sicher, deshalb habe ich nicht lange gezögert und zugestimmt. Die Entscheidung war nicht schwer: Durch meine Tätigkeit als persönlicher Sekretär von Alois Mock habe ich schon früh Menschen und Politik in Niederösterreich kennen und schätzen gelernt. Einige meiner Regierungskollegen kenne ich noch von früher, Landeshauptfrau Mikl-Leitner sogar schon seit mehr als 20 Jahren. Ich kann aus voller Überzeugung sagen: Die NÖ Landesregierung ist bestens aufgestellt.

Wie empfinden Sie den Weg von der Diplomatie in die Politik? Worin sehen Sie die größten Herausforderungen und in welchen Bereichen große Vorteile aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeiten?
Diplomatie und Politik haben viel gemeinsam. Im Vordergrund steht der direkte Kontakt mit den Menschen. Als Botschafter tritt man genauso für die Interessen und Anliegen der Menschen oder des Heimatlandes ein wie es Politiker für ihre Landsleute machen. Jetzt habe ich die Möglichkeit, selbst in der ersten Reihe zu stehen, Verantwortung zu übernehmen und aktiv einen Beitrag zur Gestaltung Niederösterreichs beizutragen. Mein Erfahrungsschatz wird dabei bestimmt hilfreich sein, ich war persönlicher Referent von Außenminister Alois Mock, dann folgten Stationen wie Leiter des österreichischen Presse- und Informationsdienstes in Washington, Büroleiter von Maria Schaumayer für die Zwangsarbeiterverhandlungen, Kabinettchef von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, Generalsekretär im Wirtschafts- und Arbeitsministerium, Leiter der Kulturpolitischen Sektion im BMEIA, Botschafter in Rumänien und Großbritannien. Ich hatte in meiner bisherigen Karriere mit meinen jetzigen Ressorts als Landesrat bereits viel Kontakt.

BEWUSSTSEIN: „Für die Landsleute muss deutlich erkennbar sein: Was leistet die EU eigentlich für uns? Nur gemeinsam sind wir stark.“

Wie lassen sich Ihre bisherigen Erfahrungen in Niederösterreich integrieren und umsetzen?
Ich habe ein sehr breites Netzwerk an internationalen Kontakten. Ich bin davon überzeugt, dass meine Verbindungen in politischer und kultureller Hinsicht von Vorteil sein werden, um Niederösterreich in Europa noch stärker zu verankern. Etwa findet Mitte September die International.Garden.BBQ – Ambassador Summit-Veranstaltung in der GARTEN TULLN statt, wo Botschafter aus aller Welt zusammentreffen, um Niederösterreichs Vorreiterrolle im ökologischen Gartenbau kennenzulernen.

Auf welchen Themen liegt Ihr Schwerpunkt seit Ihrer Amtsübernahme im März dieses Jahres?
Meine Ressorts sind vielfältig. Wohnbau, Arbeit, Internationales und eine Teilkompetenz im Gesundheitsbereich – das sind verantwortungsvolle Bereiche, denn sie decken die wichtigsten Grundbedürfnisse der Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher ab. Ziel muss es sein, dass genug Wohnraum zu leistbaren Preisen für alle Generationen in unserem Bundesland zur Verfügung steht, dass die Arbeitslosenzahlen sinken, die Beschäftigung hingegen steigt und dass wir internationale Kooperationen zur gemeinsamen Entwicklung für Niederösterreich sowie für ganz Europa effizient nutzen. Im Gesundheitsbereich wird der Fokus verstärkt auf das E-Medizin gelegt, denn das ist definitiv die Zukunft der Gesundheitsversorgung.

Wohnpolitik in Niederösterreich, vor allem rund um Wien, ist eine große Herausforderung. Die Preise dort steigen stets. Wie möchte die Landesregierung diesem Trend entgegenwirken?
Durch die Nähe zu Wien und die gute Anbindung dorthin sind Wohnungen im Wiener Umland sehr gefragt. Das Land Niederösterreich sorgt mit der Wohnbauförderung aber dafür, dass alle Generationen im Land sicher, gut und leistbar wohnen können. In 9 von 10 Gemeinden haben wir geförderte Wohnungen, damit wir ausreichend Wohnraum garantieren können. Im Schnitt werden jährlich rund 6.150 Wohneinheiten in Niederösterreich neu gebaut. Erst zuletzt war der Spatenstich für ein Wohnhaus mit 23 Wohneinheiten für junge Menschen in Breitenfurt bei Wien. Zudem besteht die Möglichkeit, einen monatlichen Wohnkostenzuschuss zu beantragen.

Die B/K/S-Community kann hinsichtlich vieler Bereiche als sogenannten Nachhol-Gesellschaft bezeichnet werden und als solche benötigt sie überproportional viel Wohnraum in Österreich. Wie kann man sie hierbei noch mehr unterstützen?
Das Land Niederösterreich hat sich zum Ziel gesetzt, Wohneigentum zu fördern. Dieser Kurs hat Zukunft. NÖ ist in Österreich die Nr. 1 beim Wohneigentum. Und das ist wichtig, denn Eigentum macht unabhängig. Mit dem Wohnbaudarlehen des Landes stellen wir sicher, dass zu gesicherten und günstigen Bedingungen in die Wohnzukunft investiert werden kann. Mit unterschiedlichen Fördermodellen erleichtern wir beides: sofortigen Eigentumserwerb ebenso wie über „Miete mit Kaufoption“ die Übernahme einer Mietwohnung ins Eigentum nach zehn Jahren. Denn Wohnungseigentum steht für bleibende Werte und für persönliche Vorsorge über kostengünstiges Wohnen in späteren Jahren. Unser Ziel ist es, den Anteil am Eigentum weiter steigern zu steigern von derzeit 70 Prozent auf 80 Prozent.

Wie möchten Sie Niederösterreich, wie von Landeshauptfrau Mikl-Leitner, international noch stärker positionieren, bzw. etablieren? Und warum ist dies von so großer Wichtigkeit?
Im internationalen Bereich legte schon Alt-Landeshauptmann Pröll und jetzt auch Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner großen Wert darauf, dass Niederösterreich sich über die Grenzen hinweg entfaltet. Das zeigt sich unter anderem in dem enormen Kulturangebot sowie bei den medizinischen und wissenschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre. Niederösterreich war immer offen, proeuropäisch und international. Das soll auch so bleiben. Ein schönes Beispiel ist etwa das Institute of Science and Technology, MedAustron in Wiener Neustadt oder die Donau Universität in Krems sowie die „Health Across“-Initiativen, wo wir grenzüberschreitend mit unseren Nachbarn bei der Gesundheitsversorgung zusammenarbeiten. Mir ist vor allem wichtig, ein das Bewusstsein für ein gemeinsames Europa in Niederösterreich zu stärken. Der Herzschlag Europas muss in den Regionen pulsieren. Für die Landsleute muss deutlich erkennbar sein: Was leistet die EU eigentlich für uns? Nur gemeinsam sind wir stark.

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„Eigentum macht unabhängig. Denn Wohnungseigentum steht für bleibende Werte und für persönliche Vorsorge über kostengünstiges Wohnen in späteren Jahren“, erzählte uns LR Eichtinger. (FOTO: Philipp Monihart)

Österreich hat derzeit den EU-Ratsvorsitz inne und Kanzler Kurz unterstrich mehrmals den Westbalkan-Schwerpunkt. Wie kann Niederösterreich diesbezüglich seinen Beitrag leisten?
Im Zuge des EU-Ratsvorsitz möchten wir die Chance nutzen, die EU-Beitrittsgespräche mit den Ländern des Westbalkans zu intensiveren. Viele Spitzenpolitiker aus Osteuropa waren im Juni beim Europa-Forum Wachau zu Gast, wo ein konstruktiver Dialog über ein Miteinander in Europa diskutiert wurde. Für weitere Beitritte in die EU gilt: Wir wollen Stabilität exportieren, keine Instabilität importieren. Die europäische Perspektive der Westbalkanstaaten ist für uns ganz wichtig. Dabei werden die Verhandlungen nach den Kriterien der Qualität, nicht der Geschwindigkeit geführt. Mit unseren Nachbarländern arbeiten wir in den Bereichen Wissenschaft, Medizin und Wirtschaft eng zusammen, ich bin mir sicher, dass auch der Westbalkan in dieser Hinsicht ein wichtiger Partner für die EU und vor allem für Niederösterreich ist.

Derzeit ist die Schließung zahlreicher Leiner/Kika Filialen in aller Munde. Wie möchten Sie den betroffenen Arbeitnehmern, wovon viele Wurzeln im ehemaligen Jugoslawien haben, helfen?
Aktuelle laufen die Gespräche zwischen der Geschäftsführung, den Betriebsräten und den Sozialpartnern auf Hochtouren, um den Sozialplan fertigzustellen. Abhängig vom Alter, der Qualifikation und dem Wohnort kann dann das AMS gezielte Schritte setzen. Das Land Niederösterreich bemüht sich um Unterstützung der Betroffenen, es gibt auch Interessenten aus der Wirtschaft, die auf der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern sind. Die Gespräche laufen.

Hinsichtlich der Arbeitslosigkeit ist Niederösterreich auf einem exzellenten Weg, auch was die die Gruppen 50+, Langzeitarbeitslose und Jugendliche betrifft. Welche weiteren Maßnahmen planen Sie, um diesen Trend fortzusetzen?
Die Zahlen vom Arbeitsmarkt in den letzten Monaten zeigen eine sehr positive Entwicklung. Im August hatten wir ein Minus von 10,2 Prozent bei den Arbeitslosen und ein Plus von 2 Prozent bei den Beschäftigten. Das liegt einerseits an der guten Konjunkturlage, andererseits an den Arbeits- und Förderprogrammen des Landes Niederösterreichs mit denen wir die richtigen Schwerpunkte setzen. Zum Beispiel bei Jugendlichen haben wir im Jahr 2018 mit dem Verein Jugend und Arbeit bereits 660 Personen einen Job geben können. Die aktuellen Schwerpunktprojekte von Jugend und Arbeit sind gemA 50+, Job 2000 & startup und gemA 20, die sich jeweils auf unterschiedliche Zielgruppen beziehen wie zum Beispiel Ältere, Geringqualifizierte, jüngere Langzeitarbeitslose und Jugendliche. Mit allen Projekten verfolgen wir das gemeinsame Ziel, Menschen im Arbeitsleben und im Job zu unterstützen und beim Einstieg in den Arbeitsmarkt zu helfen. Für 2019 gilt aber Vorsicht beim Prognostizieren: Weltpolitische Konjunkturlage und Brexit sind jetzt noch nicht abschätzbar.