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INTERVIEW

MASSIMO: „Zagreb war einst die Musik-Weltstadt!“

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FOTO: zVg.

MASSIMO. 35 Jahre nach seinem ersten Album wird sein Glanz nicht blasser und jedes Lied auf der neuen CD ist eine unvergleichliche Symphonie. Wir haben ihn auf dem Weg in die Unendlichkeit getroffen, denn er ist ein Künstler, der für immer in der Umarmung nicht nur der kroatischen, sondern auch der regionalen Popmusik gefangen ist.

KOSMO: Von Istrien über Italien und Australien nach Zagreb – wie würden Sie Ihren Lebensweg, ihre Jugend und ihre Reifung zu einem großen Künstler beschreiben? Was haben Sie in jedem dieser Länder gelernt und was bedeuten sie Ihnen?
Massimo: Als junger Mann bin ich viel gereist und das hat eine Spur in mir hinterlassen und hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Das lässt sich nicht bestreiten. Wie könnte es für ein Kind anstrengend sein, durch Afrika zu streifen, die Heimat Tarzans, oder mit meiner Tante Gianni am Blue Mountain bei Sydney Kängurus jagen zu gehen?

Damals war das Leben in Australien schon anders. Als ich in die Volksschule kam, standen die Türen der Schule und die Türen des Klassenzimmers weit offen. Ich konnte schon damals mit meinem Hund in die Schule gehen. Ich erinnere mich, dass sogar einmal ein Strauß in die Klasse spazierte. Meine Kindheit war also voll von sehr starken Bildern, die mich später definitiv geprägt haben. Sie müssen wissen, dass ich in der Kindheit, vor allem in der Zeit, als wir in Neapel lebten, von Frauen umgeben war, von der Mama, Oma, Tanten, da stach mein Großvater Giovanni natürlich hervor. Von ihm habe ich viel über Kleidung gelernt. Er sagte: „Mein lieber Enkel, wir haben nicht genug Geld, um dir Dreck zu kaufen“, und er ging mit mir zu den besten Schneidern, um Maß nehmen und mir die perfekten Anzüge für mein Alter nähen zu lassen.

Wie sehr hat sich die Pop-Rock-Kultur am Balkan seit der Zeit von Dorian Gray verändert? Welche Veränderungen sind positiv und welche negativ?
Tatsache ist, dass das Internet die Art des Musikvertriebs und auch die Art, wie Musik konsumiert wird, verändert hat, aber ich kann nicht wirklich beurteilen, wer es schwerer hatte, die jungen Musiker damals oder heute. Heute ist in diesem Bereich so viel los, dass es sehr schwer ist, sich durchzusetzen und gehört zu werden. Wir waren damals hungrig nach irgendetwas, das war ein sehr guter Antrieb. Wir haben das, was in London, Amsterdam und New York passierte, mystifiziert, wir haben nicht begriffen, dass viele aus diesen Regionen gerne nach Zagreb kamen, weil unsere Szene irgendwie pulsierte. Wegen dieses Hungers, etwas zu erreichen, unseren Sound auf das Niveau der ausländischen Bands zu bringen, was sehr schwer zu schaffen war, denn wir waren mit der Ausstattung sehr limitiert, war das eine wunderbare Zeit des Erwachens und des Schaffens. Heute, glaube ich, gibt es einfach mehr Auswahl und alles ist so nah und doch so weit weg und der korporative Kapitalismus spottet uns direkt ins Gesicht.

Wo wir schon bei Dorian Gray sind: Ist der Name aus dem Wunsch nach ewiger Jugend entstanden, die Sie bis heute nicht ganz verlassen hat?
Als wir die Band Dorian Gray nannten, war das die Zeit, in der man vom New Wave noch mehr erwartete, nicht nur ein rudimentäres Erwachen der Kreativität in Zagreb und aufrührerische Texte, die vom modernen Leben der 80-er Jahre erzählten, sondern es war eine Zeit, in der wir meiner Meinung nach einen Schritt weiter gehen mussten. Lasst uns jetzt Teil des New Wave sein, aber als Leute, die Musik machen können, nicht nur l’art pour l’art, sondern lasst uns versuchen, auf der Leiter weiter nach oben zu kommen. Das war der Versuch. Ob uns das jetzt gelungen ist oder nicht, wird die Zeit zeigen. Allerdings dachten die Leute in der ersten Zeit, dass wir sicher gay unterwegs waren, wegen der Verliebtheit des Malers in Dorian. Das war die erste Aufregung. Und wenn man das Cover von „Sjaj u tami“ („Glanz im Dunkeln“) anschaut, sieht man so etwas wie einen engen Kontakt zwischen mir und Terza. Wir haben das für unsere PR benutzt, aber nicht bewusst. Mario Krištofić und Sanja Baharah, die Fotografen und Designer des Covers, waren diejenigen, die sagten: „Lasst uns dieses Rätsel offenhalten. Die Leute sollen sich fragen, was dahintersteckt.“ Im Prinzip hat Terza vorgeschlagen, dass wir uns Dorian Gray nennen, und ich habe gesagt: „OK, dann sollten wir auch diesen Kontrast, der im Buch besteht, nutzen, dann sollten wir den irgendwie in die Musik einfließen lassen. Wenn wir also zum Beispiel ein Lied machen, das ein sehr hartes, kakophonisches Arrangement hat, dann legen wir eine schöne Stimme darüber.“ Wir haben uns mit Kontrasten beschäftigt.

DIE ERKENNTNIS was Liebe und Familie bedeuten, hat ihn aus seiner negativen Phase gerettet.

Sie haben 10 Porin-Preise gewonnen, was kaum ein Künstler geschafft hat. Wie gehen sie mit so vielen Preisen um?
Ich bin sehr stolz, dass die Kollegen immer wieder für mich als Sänger stimmen. Ich hoffe, ich werde dieses Konto noch weiter füllen, denn ich glaube, dass die Interpretation eine sehr, sehr wichtige Sache im künstlerischen Schaffen ist. Egal, ob du der Autor des Songs bist oder nicht, musst du dein Maximum geben, musst die Rolle, in die du geworfen wurdest, bis zum Ende ausfüllen. Auszeichnungen steigern die Erwartungen des Publikums und der Fachwelt, daher steckst du dir selbst die Latte auch immer höher und kannst sie immer schwerer erreichen.

Welche Momente aus Ihrer Karriere (Album, Single, Konzert) sind für Sie am entscheidendsten für Ihren Erfolg?
Am stolzesten bin ich auf jeden neuen Tag mit meiner Band. Auf jeden neuen Tag mit allen Mitarbeitern, denen ich meinen Erfolg verdanke. Glauben Sie mir, es stimmt, wenn man sagt, dass Talent 10 % ausmacht und die Arbeit 90 %. In meinem Fall ist es wirklich so, wobei sich die Arbeit auf viele Menschen verteilt, und alle bemühen sich, dass ich von meinem Weg, meiner Treue gegenüber der Kunst, nicht abweiche.

Massimo
„Wir haben das, was in London, Amsterdam, New York passierte, mystifiziert und nicht begriffen, dass unsere Szene sehr pulsierte.“ (FOTO: zVg.)

Nach mehr als drei Jahrzehnten Präsenz in der Musikszene ist Ihre Popularität ungebrochen und jede Phase bringt Ihnen neue Fans. Was ist dafür Ihrer Meinung nach ausschlaggebend?
Die Musikkultur bei uns ist sehr, sehr tief gefallen. Wir können heute alles als Kunst verkaufen. Aber wenn die Massen die Kunst mögen, dann ist das keine Kunst. Dann kann es keine sein. Die Museen haben keine Ausstellungen in Stadien. Ich vergleiche mich überhaupt nicht mit dieser Art künstlerischer Qualität, aber wenn man bedenkt, welche Musik ich mache, eine, die schon immer kompromisslose und engagierte Kunst war, muss ich über die Position, die ich habe, glücklich sein. Und wie entsteht diese Kunst? Manchmal kommt es vor, dass ein ganzes Lied passiert, und wenn du dann schnell genug die Gitarre nimmst, schaffst du es vielleicht, es dir zu merken und aufzuschreiben. Ansonsten geschieht es meistens, wenn man spielt. Ich spiele jeden Tag ein – zwei Stunden Gitarre, und wenn du so auf der Gitarre klimperst, bist du in der Situation. Das ist, als wenn ein Schriftsteller ein Buch schreiben will, aber nicht an seiner Schreibmaschine oder seinem Computer sitzt. Du musst dich in eine Arbeitsstimmung bringen, und wenn du in dieser Stimmung bist, dann passieren gewisse Sachen. Es fällt nicht alles vom Himmel, man muss auch arbeiten.

Vom „verrückten“ Burschen der 80-er Jahre zum Familienmenschen. Welches ist dieser Moment im Leben eines Musikers, der ihn formt und seinen Weg verändert? Und hätten Sie sich in den Jahren, in denen Sie mit Baby Doll zusammen waren, vorstellen können, in einer stabilen Ehe zu leben?
Wenn Sie jung sind, wollen Sie Ihre Grenzen austesten. Sie suchen sich selber und diese Suche kann so oder so enden. Ich hatte das Glück, dass Eni in mein Leben getreten ist, und dann ist auch meine Tochter Mirna gekommen. Liebe und auch die Erkenntnis, was eine Familie ist und was es braucht, um sie zu erhalten, waren mein Motiv, die negative Phase hinter mir zu lassen.

„Du musst dich in Arbeitsstimmung bringen. In dieser Stimmung passieren dann auch gewisse Sachen. Es fällt nicht alles vom Himmel.“

Neben der musikalischen haben Sie in der Serie „Naša mala klinika“ auch eine Schauspielkarriere gewagt. Wie haben Sie sich in der Rolle eines Schauspielers gefühlt?
Gleichzeitig mit der Band Dorian Gray habe ich auch im Kugla-Theater gespielt, einem bekannten alternativen Theater, das damals die avantgardistischste Truppe im ehemaligen Staat war. Weil wir im selben Raum geprobt haben, hat der legendäre Induš mich und Terza gebeten, im Stück „Neprigušeni titraj“ mitzuspielen. Damals habe ich mit Anđelko Jurkas im letzten Teil seiner Trilogie gespielt, die erst aufgeführt werden sollte. Und man sieht deutlich, dass ich eine Neigung zum Schauspiel habe. Mit Đuro habe ich in „Naša mala klinika“ eine der schwersten Rollen gespielt, und zwar die Rolle eines Engels. Denn der Engel ist ein Wesen, zumindest Mark Twain zufolge, um mich nicht auf die Bibel zu beziehen, das weder gut noch schlecht ist. Sie sind weder positiv noch negativ, denn sie kennen weder Gut noch Böse, und das ist sehr schwer zu spielen. Ich hätte gerne einen Kriminellen oder einen Zuhälter gespielt.

Sie waren Jurymitglied bei X-Factor und bei den Zvijezde von RTL. Sind solche Sendungen für talentierte Menschen wirklich eine gute Chance oder ist das alles nur eine große PR-Aktion?
Man kann in einer solchen Show oder mit ihrer Hilfe seinen Platz finden. Ich glaube, ich hätte diesen Weg nicht gewählt, aber es stimmt, dass man in der heutigen Zeit auf diese Weise viel leichter zu seinen „5 Minuten“ kommen kann.

Wie würden Sie Ihr neues Album beschreiben, das 2018 herausgekommen ist? Was ist das Besondere daran?
Wir haben lange an dem Album „Sada“ gearbeitet und ich glaube, dass das Publikum zufrieden ist, und – ganz wichtig – ich bin es auch. Das Album ist besonders, weil es von drei Produzenten gemacht ist und von einigen neuen Komponisten, mit denen ich noch nie zusammengearbeitet hatte. Was das Lied angeht, das beim Publikum am besten ankommt, da kann ich nur schwer eine Antwort geben. Auf dem Album sind 14 Lieder und ich glaube, dass sich meine Fans in 14 Arten von Menschen teilen, d.h. für jedes der Lieder habe ich die Reaktion erhalten, dass gerade dieses ‚mein Lieblingslied‘ ist. Dennoch muss ich zugeben, dass die Menschen auf den Song „Nisam spreman“ von Sergej Ćetković besonders gut reagieren. Jetzt haben wir es in unser Konzertrepertoire aufgenommen und die Reaktionen sind hervorragend.

Welche anderen Themen außer der Liebe sind für Sie in Ihren Liedern noch wichtig?
Man muss bei jemandem wie mir die musikalische Geschichte nicht ausschließlich mit der Liebe verbinden. Im Falle der Popmusik, die ein Phänomen für sich ist, basieren die Texte zu 98 Prozent der Fälle auf irgendeiner Liebessituation. Da bin ich keine Ausnahme, auch ich habe mich entschieden, auf den Flügeln der Liebe zu reiten. Dennoch bemühe ich mich, dass die Lieder, die ich singe, auch eine tiefere Bedeutung haben. Nehmen Sie einmal die letzte Single: „Ne ostavljaj me tu“ („Lass mich nicht hier zurück“). Manche werden darin eine tragische Liebessituation erkennen, aber ich sehe etwas viel Tragischeres. Für mich ist es mehr eine Kritik an den heutigen großen Problemen Kroatiens, der Abwanderung der jungen Menschen, ihrer Emigration ins Ausland.

Massimo
„Ne ostavljaj me tu: Manche werden darin eine tragische Liebessituation erkennen, aber ich sehe das viel tragischere Problem der Abwanderung der Jugend aus Kroatien.“ (FOTO: zVg.)

Ihr Stil war schon immer markant. Wer hat ihn am meisten beeinflusst?
Ich habe ja in diesem Interview schon meinen Großvater erwähnt. Er war derjenige, der die Grundzüge meines Stilempfindens geprägt hat. Auf der anderen Seite bin ich teilweise „farbenblind“, aber manchmal wird genau diese Wahrnehmungsschwäche zu meinem Vorteil.

Wie bereiten Sie sich auf Ihre Konzerte vor? Haben Sie irgendein Ritual?
Ich betrachte nur das Anziehen vor dem Konzert als Ritual. Ich habe das Gefühl, dass all das, was ich mir anziehe, wie ein Panzer ist, der mich vor negativer Energie schützt. Ich habe dieses Gefühl, denn ich muss mich in einen bestimmten transzendenten Zustand versetzen, der sich Interpretation nennt. Denn ich bin ein Vermittler von Emotionen und die Menschen sind die Empfänger. Diese Rolle ist sehr wichtig. Die Erregung, die ich spüre, ist da, weil es nicht leicht ist, im Zentrum der Aufmerksamkeit mehrerer tausend Menschen zu stehen. Alle schauen dich an und das ist ein enormer Absauger von menschlicher Energie und dagegen muss man sich wappnen.

Es ist bekannt, dass Sie trotz Ihrer langen Karriere vor den Konzerten Lampenfieber haben. Wie gehen Sie damit um?
Wenn ich wüsste, wie ich das loswerde, wäre ich gerettet. Normalerweise sagen mir meine Frau Eni oder die Burschen aus der Band irgendetwas Ermutigendes. Aber was soll‘s, ich atme tief durch und gebe mein Bestes.

KUNST „Wenn die Massen sie lieben, dann ist es keine Kunst. Dann kann sie es nicht sein.“

Sie haben eine sehr ausgeprägte nonverbale Art, mit dem Publikum in den Konzerten zu kommunizieren. Wie schaffen Sie es, so eine gute Beziehung zu ihm herzustellen?
Zuerst müssen Sie wissen, dass ich mir meiner Bewegungen überhaupt nicht bewusst bin. Vor allem, wenn ich auf der Bühne stehe und von Musik umgeben bin. Und dann passiert etwas. Das Publikum spürt die ehrliche Emotion.

Welche Art von Publikum haben Sie am liebsten?
Mein Publikum ist wirklich etwas Besonderes, das ist eine ganz andere Art von Menschen. Und ich liebe sie alle, eben weil sie so besonders sind. Es ist nicht wichtig, warum sie gekommen sind, ich liebe sie, weil sie gekommen sind und weil sie etwas Wunderbares mit mir teilen.

Viele große Stimmen des ehemaligen Jugoslawien haben es nach der Teilung abgelehnt, Konzerte in den Nachbarstaaten zu spielen. Das ist bei Ihnen nicht der Fall… Was sagen Sie dazu?
Jeder wählt seinen Weg selber, jeder trifft seine Entscheidungen. Wir haben uns zu einer regionalen, d.h. auch breiteren Geschichte entschlossen und das war kein Fehler. Die Reaktionen auf meine Musik sind super, überall, das ist wunderbar.

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„Ich bin ein Vermittler von Emotionen und die Leute sind die Empfänger. Diese Rolle ist wichtig. Das Publikum erkennt ehrliche Emotionen immer.“ (FOTO: zVg.)

Man weiß, dass Sie besonders gerne in Mostar auftreten. Warum ist Mostar so besonders?
Mostar und ich haben eine geheime Verbindung. Einmal bin ich dort aufgetreten und eine gefährliche Stimmbandentzündung hat mich erwischt. Die Rettung kam aus der dortigen Ambulanz, wo ich eine Injektion bekam. Das Konzert war trotz meines schlechten Gesundheitszustands fantastisch. Ich habe es nur schön in Erinnerung behalten. Darum ein Dank an das Mostarer Publikum.

Sie treten in unserer ganzen Region auf, aber welche Orte sind Ihnen für private Reisen und Urlaube am liebsten?
Wenn ich nicht in meinem Lieblingsviertel in Zagreb bin, dann bin ich in Zadar bei meiner Frau und ihrer Familie. Das ist keine lokalpatriotische Entscheidung, sondern ich habe so wenig Freizeit, dass ich jeden Moment mit der Familie verbringe. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich sicher mehr reisen.

Was machen Sie, wenn Sie nicht Musik machen?
Man könnte meinen, dass ich ein sehr langweiliges Privatleben habe. Aber das ist die Wahrheit. Ich ruhe mich aus, sehe einen guten Film oder lese ein Buch. Ich genieße die Zeit mit meiner Frau und meiner Tochter. Ich gehe mit unserem Hund Mango spazieren, der mir hilft, körperlich und seelisch im Gleichgewicht zu bleiben.