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MISCHEHE

„Mein Vater wollte meinen Freund erschießen, weil er Moslem ist!“

FOTO: iStockphoto/zVg.

Seit zehn Jahren ein Paar, davon vier Jahre verheiratet und seit drei Jahren glückliche Eltern zweier Töchter…was wie der gewöhnliche Verlauf einer Liebesgeschichte klingt, ist alles andere als das, denn Iva ist Kroatin und Ismet Türke – eine für viele Balkanesen fatale Kombination.

Wir trafen das ungleiche Paar zum Interview, um uns mit ihnen auf eine Reise in die Vergangenheit zu begeben, und aus ihrer schwierigen Geschichte Hoffnung zu schöpfen.

Die streng katholisch erzogene Iva und der Moslem Ismet lernten sich im Teenager-Alter durch Freunde kennen und lieben. Es funkte recht schnell, dennoch blieb die Liaison einige Zeit verdeckt. Iva stellte Ismet ihren Eltern vorerst nur als ihren Kumpel vor, und als dieser standen ihm alle Türen offen, wie uns das Paar erzählt. „Als sie mich nur für einen von Ivas Freunden hielten, war ich ein gern gesehener Gast, ihre Eltern mochten mich, und wir haben uns bestens verstanden. Als aber herauskam, dass wir mehr waren, als nur Freunde, war ich nicht mehr willkommen. Das habe ich beim besten Willen nicht verstanden“, so Ismet.

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Ivas Eltern erfuhren durch Bekannte von der Beziehung ihrer Tochter zu dem Türken. Als sie die damals 19-Jährige mit den Gerüchten konfrontierten, wurde ihnen recht schnell klar, dass es sich dabei nicht nur um eine flüchtige Liebschaft handelte. „Meine Eltern waren alles andere als begeistert. Vielmehr waren sie geschockt und rasend vor Wut. Mein Vater hat mich geschlagen, und aus der Wohnung geschmissen. Ich bin daraufhin zu Ismets Eltern gezogen“, so Iva.

Auf die Frage, wie denn seine Familie auf die Kroatin reagierte, meinte Ismet zwar, dass sie sich natürlich jemanden der gleichen Nationalität und Religion für ihn gewünscht hätten, seinem Glück seien sie aber niemals im Weg gestanden. „In meiner Familie sind viele mit Österreicherinnen verheiratet, daher hatte niemand Berührungsängste“, so der heute 30-Jährige.

„…er sagte ihr, er würde Ismet umbringen,
und sich anschließend selbst hinrichten, da er niemals
wegen eines Moslems ins Gefängnis gehen würde
– Iva

„Er wollte Ismet erschießen“
Zwei Jahre lang herrschte praktisch Funkstille zwischen Iva und ihrer Familie. „Wenn ich in dieser Zeit Kontakt mit meiner Mutter hatte, dann nur im Streit. Von meinem Vater habe ich damals nichts gehört“, berichtete die heute 29-Jährige sichtlich mitgenommen.

Auf meine Frage, ob Iva in dieser Zeit ohne ihre Familie an eine Trennung von Ismet gedacht hatte, antwortete sie ehrlich: „Natürlich ist es mir in den Sinn gekommen, aber ich wollte nicht ohne ihn leben. Vor allem nicht, wenn das Einzige, das zwischen uns stand die Religion bzw. Nationalität war. Ich wusste ja, dass meine Eltern Ismet als Person wirklich gern hatten“, so die zweifache Mutter heute.

Seit zehn Jahren ein Paar, davon vier Jahre verheiratet und seit drei Jahren glückliche Eltern zweier Töchter. Die Geschichte von Iva und Ismet geht unter die Haut. (FOTO: iStockphoto)

Am 12. Januar 2010 kam es letztendlich zum Höhepunkt des Familiendramas. Ivas Vater stand plötzlich mit einer Waffe auf der Straße vor der Wohnung des Paares. Die Polizei wurde verständigt, woraufhin der Mann verschwand. Ein paar Stunden später lauerte er aber erneut an derselben Stelle.

„Wie ich später erfuhr, rief er in diesem Moment meine Mutter an, verabschiedete sich von ihr und meiner Schwester. Er sagte ihr, er würde Ismet umbringen, und sich anschließend selbst hinrichten, da er niemals wegen eines Moslems ins Gefängnis gehen würde“, so Iva den Tränen nahe. Wie es ihrer Mutter am Telefon gelungen war, ihren Ehemann von seinem Vorhaben abzubringen, weiß Iva bis heute nicht. Er verschwand aber irgendwann von der gegenüberliegenden Straßenseite…

Dieses Ereignis sollte ein Wendepunkt in der Geschichte der Familie werden, wie sich kurz darauf herausstellte. Ivas Mutter lud das Paar nämlich ein paar Tage später zum Essen ein. Zwar war der Vater zu diesem Zeitpunkt noch nicht bereit diesem beizuwohnen, in weiterer Folge schloss er sich aber an. „Es hat meine Mutter viel Überzeugungsarbeit gekostet, aber irgendwie gelang es ihr. Sie sagte ihm, entweder wir akzeptieren Ismet endlich, oder wir verlieren unsere Tochter ein für allemal“, erzählte meine Gesprächspartnerin während ihr Blick nachdenklich zum Fenster wanderte.

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