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Kommentar

Nehammers realitätsfremde Tirade im stillen Kämmerlein

Nehammer-Meme. (FOTO: reddit/Austria/Not-Sofun)
Nehammer-Meme. (FOTO: reddit/Austria/Not-Sofun)

KOMMENTAR

Wir sind alle müde. Uns haben die Corona Jahre gezeichnet, der Krieg und die Inflation gingen Hand in Hand mit der Teuerung und bereiten uns braven Bürgern nur Sorgen. Und als ob das nicht genug wäre, stellt sich unser Bundeskanzler gegen die ganze Bevölkerung. Allerdings nicht offensiv, wie es ein Mann der zu seinem Wort steht, tun würde. Nein, Karl Nehammers Tirade gegen seine eigenen Steuerzahler findet nur im stillen Kämmerlein statt. Eine verbal aggressive Entschuldigung folgte, die ja eigentlich keine war.

Für diejenigen, die es verschlafen haben: Bundeskanzler Karl Nehammer hatte vor einigen Tagen die Eingebung, eine etwas schroffe Rede an seine Parteikollegen zu richten. Inhalt: Kinderarmut und die aktuelle Arbeitslosenquote. Konsens: arme Menschen sind selbst schuld, dass sie arm sind und sollen ihre Kinder zumindest mit Hamburger von McDonalds füttern, wenn sie sich nix anderes leisten können. Auch die Frauen, die ihre Kinder betreuen müssen sollten sich dann bald zusammenreißen und Vollzeit arbeiten gehen. Weil, „Wenn ich zu wenig Geld habe, gehe ich mehr arbeiten.„. Logisch, Herr Bundeskanzler. Hausverstand lässt grüßen.

22.600 Euro Gehalt

Für einen Politiker der monatlich rund 22.600 Euro absahnt, ist das eine etwas gewagte Aussage. Dabei sei dahingestellt ob es sich um einen Netto- oder Bruttobetrag handelt (Netto wären es dann noch immer rund 11.976 Euro) den sich der Herr Bundeskanzler monatlich in die Tasche steckt. Denn mit diesem Betrag würde JEDER Österreicher zurecht kommen.

Was für eine Entschuldigung…

Was geschehen ist, ist geschehen. Und es ist schon vielen Politikern passiert. Bill Clinton, Angela Merkel, Karl Lauterbach, Aleksandar Vucic, Bratislav Gašić und vielen, vielen weiteren. Nehammer reiht sich also in eine Liste hochrangiger Politiker ein, die alle denselben Schmarrn verzapft haben. Sie haben Äußerungen getätigt, die sie lieber nicht hätten tätigen sollen. Nicht in der Position in der sie sich befinden und nicht vor so vielen Menschen. Irgendjemand hat immer sein Handy gezückt.

Nun wäre es an der Zeit für eine Entschuldigung gewesen. Was bekommt der österreichische Steuerzahler? Eben keine! Stattdessen präsentiert uns Nehammer einen aggressiven Vorwurf à la „selbst schuld“. Aber in einem Punkt hat der Bundeskanzler dann doch recht: „Die Schlechtredner werden nichts besser machen.“ (Eigentor!)

@karlnehammer Eigenverantwortung und Solidarität, das sind die Stärken unseres Landes! #glaubanösterreich ♬ Originalton – Karl Nehammer

Die kommenden Versuche, den Wählern sich selbst wieder schmackhaft zu machen wird für die ÖVP nun ein Kraftakt. Denn Nehammer steht fest zu seinen Worten: „Ich stehe dazu, dass sich Leistung lohnen muss.“ Zudem scheint das Verständnis für die viralen Funktionen der sozialen Netzwerke in der ÖVP komplett zu fehlen. Man scheint nicht begreifen zu wollen, dass hinter jedem Like und jedem Kommentar auch wirklich ein Mensch steht, der von Inflation und Teuerung betroffen ist.

Realitätsfremd

Wie sich unser Bundeskanzler mit Sonderzahlungen brüstet, die sicher nicht aus seiner eigenen Tasche bezahlt werden, entbehrt jeglicher Realität. So erwähnt er in seiner „Entschuldigungs-Rede“, dass „für sozial benachteiligte Familien 60 Euro pro Person pro Monat ausbezahlt“ werden. Damit kommt man zwar nicht mal annährend auf ein Politiker Gehalt, aber ein Happy Meal wird sich schon ausgehen. Ist es immer noch zu wenig, kann man sicher eine Anfrage an das Bundeskanzleramt schicken, wenn das Geld Mitte des Monats zu knapp wird. Denn überschlägt man die Rechnung, könnte sich Nehammer täglich 285 Burger leisten. Mahlzeit.

Anmerkung der Redaktion:
Dieser Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider.
Nicht die Meinung der KOSMO Redaktion.
Sandra Plesser
Als zweites Kind jugoslawischer Gastarbeiter wurde Sandra in Wien geboren und studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Während ihrer Tätigkeit als Redakteurin bei Advanced Photoshop, mokant und Der Standard baute sie mittels Weiterbildungen ihr Wissen im Bereich Social Media-, Content- und Veranstaltungsmanagement aus. Nach drei Jahren in der Eventorganisation widmet sie sich bei KOSMO wieder ihrer Passion: dem Journalismus.