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POLITIK

Renate Anderl: „Arbeitslosengeld soll erhöht werden“

(FOTO: Sebastian-Philipp/zVg.)

Wir haben mit der Präsidentin der Arbeiterkammer Wien über die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt und die Maßnahmen gesprochen, die die AK ergreift, um bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen.

KOSMO: Wie bewerten Sie die aktuellen Entwicklungen am Arbeitsmarkt in Österreich?

Renate Anderl: Im Jänner waren über 420.000 Menschen beim AMS gemeldet. Das ist besorgniserregend, und ich sehe leider viel zu wenig Aktivitäten der Bundesregierung, um das zu ändern. Wenn das AMS mehr Personal und mehr Geld hätte, könnten Arbeitsuchende schneller und besser vermittelt werden. Stattdessen denkt der Bundeskanzler über ein niedrigeres Arbeitslosengeld nach – das ist der falsche Weg, das vergrößert die Armut.

Wir wollen, dass das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent erhöht wird, denn viele Menschen rutschen in die Armut ab, wenn sie von heute auf morgen nur mehr 55 Prozent ihres Einkommens haben. Ich kann auch die Aussagen nicht mehr hören, dass wir angeblich Fachkräftemangel haben. Ja, es gibt Bedarf an Arbeitskräften, aber dann muss man sie auch ausbilden und weiterbilden! Und Qualifikationen, die Menschen in anderen Ländern erworben haben, müssen viel schneller anerkannt werden – da liegt so viel Potenzial brach.

KOSMO: Welche Maßnahmen hält die Arbeiterkammer für notwendig, um die Arbeitsbedingungen in Österreich weiter zu verbessern?

Renate Anderl: Ein wichtiger Hebel sind die Arbeitszeiten. Seit 50 Jahren haben wir eine Normalarbeitszeit von 40 Stunden. Die Wirtschaft hat sich aber massiv geändert, Digitalisierung, Automatisierung. Die Beschäftigten arbeiten unter großem Druck. Die Folgen sind Krankheiten, Demotivation, Burnout. Wir haben Daten, wonach 1,5 Millionen Beschäftigte sich nicht vorstellen können, im aktuellen Job bis zur Pension durchzuhalten. Wir brauchen endlich moderne Arbeitszeiten, eine neue, gesunde Vollzeit.

KOSMO: Wie steht die Arbeiterkammer zu innovativen Arbeitszeitmodellen wie der 4-Tage-Woche, und welche Schritte unternimmt die AK, um solche Modelle zu fördern?

Renate Anderl: Es gibt immer mehr Betriebe mit die innovativen Arbeitszeitmodellen: 4-Tage-Woche, 30-Stunden-Woche, 6. Urlaubswoche ab dem ersten Jahr. Es funktioniert, die Betriebe florieren. Als Arbeiterkammer holen wir derartige Betriebe immer wieder vor den Vorhang und hoffen so, ein Umdenken zu bewirken.

„Wir brauchen endlich moderne Arbeitszeiten, eine neue, gesunde Vollzeit.”

KOSMO: Können Sie uns mehr darüber erzählen, welche konkreten Schritte die Arbeiterkammer unternimmt, um die Lohnschere in Österreich zu schließen und wie Sie die Zusammenarbeit mit der Regierung und den Sozialpartnern in dieser Angelegenheit sehen?


Renate Anderl: Wir haben vor einigen Jahren mit den Sozialpartnerinnen und der Industriellenvereinigung gemeinsam die Forderung nach 1 Mrd. Euro pro Jahr mehr für Elementarpädagogik aufgestellt. Ausreichend Kinderbetreuung ist ein wesentlicher Schlüssel, damit Frauen Vollzeit arbeiten können. Ein anderer ist volle Lohntransparenz in den Betrieben. Wenn Frauen wissen, was die Kollegen verdienen, können sie für sich selbst besser verhandeln. Die EU hat uns mit der Lohntransparenz-Richtlinie ein gutes Instrument gegeben – die Bundesregierung muss das jetzt zügig umsetzen, da bleibe ich hartnäckig.

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